Hungerstreik Mehmet Esyiok
Inhalt:
1. Medienbericht
1. Medienbericht (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2007/03/48064.shtml)
Hungerstreikenden sterben lassen
Ärzte im Gewissenskonflikt: Ein Kurde will mit einem Hungerstreik im Inselspital seine Auslieferung verhindern – bis zu seinem Tod
Wenn der Kurde Mehmet Esiyok in der Gefängnisabteilung des Berner Inselspitals seinen Hungerstreik bis zur letzten Konsequenz fortsetzt, wird man ihn sterben lassen: Die Ärzte werden seinen Willen respektieren, ihn nicht zwangsweise ernähren.
Mitte März war Mehmet Esiyok, ein ehemaliges Kadermitglied der in der Türkei verbotenen Arbeiterpartei Kurdistans (PKK), nach 42-tägigem Hungerstreik von der Ausschaffungshaft in die Gefängnisabteilung des Berner Inselspitals verlegt worden («Bund» vom 19. März). Dort verbietet er den Ärzten und Pflegenden, ihn zu ernähren – auch wenn er ins Koma falle. Diesem Willen des Patienten komme man zwar nach, sagt Inselspital-Mediensprecher Markus Hächler. Doch man bemühe sich, ihn am Leben zu erhalten, ihn von seinem Entscheid abzubringen: «Wir stellen ihm jederzeit gesüssten Tee zur Verfügung und reden mit ihm.» Doch wenn er ins Koma fallen sollte, würde nichts dagegen getan.
Hungerstreik sei zu respektieren
Für Plasch Spescha, den leitenden katholischen Seelsorger des Inselspitals und Vorsitzenden der Insel-Ethikkommission, ist der Fall klar: Der Wille des Hungerstreikenden, der bei voller Urteilskraft die Nahrung verweigere, sei zu respektieren. Dies entspreche den Richtlinien der Schweizerischen Akademie der Medizinischen Wissenschaften (SAMW). Ein Hungerstreik sei eine politische Handlung, die «zum Arsenal der gewaltfreien Strategien» gehöre. Wer bewusst diese Strategie wähle, habe damit zu rechnen, dass sein Gegenüber nicht darauf eingehe. Ein Hungerstreik werde von der einen Seite als Druckmittel wahrgenommen, die andere Seite betrachte ihn als legitime Strategie und knüpfe dann die Hoffnung daran, der auslösende Entscheid möge umgestossen werden. Doch der Ausgang sei eben offen – Leben oder Tod.
Für Ärzte und Pflegende habe dabei der Wille des Patienten erste Priorität: «Sie müssen ihn sterben lassen, wenn es tatsächlich so weit kommt.» Man biete den Leuten aber in jedem Fall «Nahrung und vor allem etwas zu trinken» an und versuche, im Gespräch «auch Hinweise auf die Nachhaltigkeit ihres Entscheids» zu erfahren.
«Dilemma besteht so oder so»
Für Plasch Spescha gibt es auch in diesem Fall «kein medizinisches Argument gegen den politisch motivierten Willen des Patienten», auch wenn Ärzte und Pflegende in einen Gewissenskonflikt geraten. «Ein Dilemma besteht so oder so», sagt er, «auch dann, wenn sie einen Patienten gegen seinen Willen behandeln wollten.» Spescha stellt fest, Hungerstreikende hätten «dann oft den letzten Schritt doch nicht getan».
Unter falscher Identität
Mehmet Esiyok war im Dezember 2005 unter falscher Identität in die Schweiz geflüchtet und hatte hier ein Asylgesuch gestellt, das abgewiesen wurde. Esiyoks Auslieferung machen die Schweizer Behörden jedoch von Menschenrechtsgarantien in der Türkei abhängig. Etwa 2000 Personen gingen am 3. März in Zürich für den Kurden auf die Strasse. Und am 17. März zogen 60 Personen von der Berner Heiliggeistkirche zum Inselspital, um gegen seine Auslieferung zu protestieren.