2007,  Antifaschismus,  Antikapitalismus,  Antirassismus,  Diverse Aktionen,  Gender

Aufruf Antifa Kampagne

Inhalt:
1. Aufruf
2. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2007/04/48397.shtml)
Ein Land der Ausschaffungsknäste? Freies Wort für Genozid-LeugnerInnen
und RassistInnen? Parlamentssitze für HitlerverehrerInnen? Strasse
frei für Nazi-SchlägerInnen? Nein danke! Wir haben es in der Hand:
Kämpfen wir gemeinsam gegen Ausgrenzung, Rassismus und Nationalismus!
Bringen wir die Dinge in Bewegung!

Mit wuchtigem Mehr haben die Schweizer Stimmberechtigten am 24. September 2006 das schärfere Asyl- und Ausländergesetz gutgeheissen – und damit eine der restriktivsten Asylgesetzgebungen in Europa überhaupt. Klar ist: Die oft und gerne bemühte «humanitäre Tradition» des Landes ist leeres Geschwätz. Seit den 1980er-Jahren kennt die Asyldebatte hierzulande nur noch eine Richtung: Rechte von Migrantinnen und Migranten abbauen.
Justizminister Christoph Blocher nutzte als Abstimmungssieger die Gunst der Stunde, um eine Attacke gegen die Antirassismus-Strafnorm zu reiten – notabene bei einem Besuch in der Türkei, einem Land, welches die Menschenrechte mit Füssen tritt. Blochers SVP schürt derweil den Kulturkampf gegen den Islam: Die rechtspopulistische Partei engagiert sich an vorderster Front gegen den Bau von Minaretten in der Schweiz. Und geht im Wahljahr 2007 mit billigster Stimmungsmache – der Lancierung einer Volksinitiative gegen «kriminelle Ausländer» – auf Stimmenfang.

Wölfe im Schafspelz
Auch die rechtsextreme Partei National Orientierter Schweizer PNOS kämpft für die «zügige Rückführung kulturfremder Ausländer in ihre Heimat». Die durch und durch antidemokratische Partei schimpft sich «europäisches Europa», während sich ihr Aktionsradius faktisch auf die Regionen Burgdorf/Langenthal und Interlaken reduziert. Die Handvoll PNOS-Aktivistinnen und -Aktivisten, die gerne den Biedermann mimen, können nur schlecht kaschieren, aus welcher Ecke sie stammen: HolocaustleugnerInnen, RassistInnen und Naziskins sind es, die sich als «eidgenössische Sozialisten» in der Politik versuchen.

Rassistische Slogans in Sportstadien, brutale Übergriffe und
Anpöbeleien auf offener Strasse – etwa ein Zehntel der Jugendlichen hat direkte Erfahrung mit gewaltbereiten Neonazis – und nächtliche Schüsse auf Flüchtlingsheime: Rechtsextreme Gewalt kennt viele Gesichter. Der Rechtsrock ist ihr übler Soundtrack: zum Hass anstachelnd, Gewalt verherrlichend, zutiefst rassistisch, sexistisch und antisemitisch. Nach wie vor ist die Schweiz ein Konzertparadies für Neonazis – obwohl das Bundesgericht rechtsextremen Konzerten eigentlich bereits 2004 den (privaten) Boden entzogen hat.

Rechtsextreme fallen nicht einfach vom Himmel. Sie sind Ausdruck einer gesamtgesellschaftlichen Stimmung, die zunehmend von Fremdenfeindlichkeit und Entsolidarisierung geprägt ist. Die Brutalisierung der Wirtschaft treibt den Konkurrenz- und Verdrängungskampf auf die Spitze – und fördert so das Bedürfnis, auf noch Schwächeren herumzuhacken, den Frust an Sündenböcken abzureagieren. Die Demagogisierung der Politik, wie sie die SVP mit kostspieligen Inseratekampagnen betreibt, empfinden Neonazis als Aufmunterung für eigene Untaten.

Nix wie Antifa!
Eine Bewegung mit Geschichte: Seit Jahren sorgen wir antifaschistische und antirassistische Gruppen und Organisationen dafür, dass den Blochers, Schlüers, Hirschis, Lüthards, Segessenmanns & Co. ein eisiger Wind entgegen bläst – mit unterschiedlichen Mitteln, auf unterschiedlichen Ebenen. Und wir lassen nicht locker: Keine Ausschaffungen – Bleiberecht für alle! Keine Bühne für PopulistInnen!

Kein Quadratmeter Strasse für Neonazis! Kein Gemeindesaal für RechtsrockerInnen! Das Übel an der Wurzel packen – Kapitalismus angreifen!
Mit einem bunten Strauss von lokal organisierten Aktionen und Happenings – von der lautstarken Demonstration über freches Kasperlitheater, einen lehrreichen Stadtrundgang, erhellende Diskussionsabende, rauschende (Konzert-)Partys und einer rasanten Gummibootfahrt bis zum antirassistischen Fussballturnier – wollen wir diesen Frühling und Sommer ein unmissverständliches Zeichen setzen für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung und Ausgrenzung und martialisch aufgerüstete Polizeiaufgebote ins Leere laufen lassen: Vorsicht, wir sind selbstdiszipliniert unterwegs.

«Die Dinge in Bewegung bringen! – eine antifaschistische Kampagne», getragen von einer Vielzahl von Gruppierungen (in alphabetischer Reihenfolge): Anarchistische Aktion Bern, Antifa Bern, Antifa Oberland, Augenauf Bern, Ausstellungskollektiv Brennpunkt Faschismus, Autonome Gruppe Bern, Bündnis Alle gegen Rechts, Gassenküche SIKB, Infoladen Bern, Libertäres Antifaschistisches Kollektiv Thun (LAKT), Organisation Socialiste Libertaire (OSL) Biel/Bienne, Repro und Soletta Antifascista.


2. Medienbericht (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2007/04/48397.shtml)
-DerBund: Abkehr von «Abendspaziergängen»
Dezentrale Happenings von Bern bis Solothurn
In Bern findet erstmals seit sieben Jahren kein «Antifaschisti-scher Abendspaziergang» statt – stattdessen ruft das linksautonome Bündnis zu 20 lokalen «Aktionen und Happenings», die während zweier Monate in Bern, Biel, Burgdorf und Thun sowie in Solothurn stattfinden.

Der gründlich entglittene «7. Antifa-Abendspaziergang» vom April 2006 brachte das vorläufige Aus für diesen Anlass, der alljährlich bis zu 1500 Jugendliche in Berns Gassen lockte: 100 ausscherende Militante lieferten sich eine wüste Strassenschlacht mit der Polizei, eine völlig unnötige wie sinnleere Eskalation, die das organisierende «Bündnis Alle gegen Rechts» (BAgR) in Verlegenheit, weil auch szeneintern in peinliche Isolation stürzte. Dieser Leidensdruck bewirkte aber dann, dass das BAgR endlich über seinen Schatten sprang und von der alten Konfrontationslogik abkam: Den Neuaufbruch markierte im letzten August ein Antifa-Festival mit 3000 Besuchern samt behördlich bewilligtem «Sonntagsspaziergang», an dem 750 Leute, teils Vermummte, völlig gewaltfrei durch Bern zogen.

Jetzt, mit ihrer Kampagne 2007, gehen die Antifas noch wesentlich weiter, um sich mit grundsätzlich neuer Strategie einer breiteren Öffentlichkeit zu öffnen. Wie das von lokalen Antifa-Gruppen im Mittelland gebildete Aktionsbündnis bekanntgab, sind vom 4. Mai bis 7. Juli in fünf Städten nicht weniger als 20 dezentrale «Aktionen und Happenings» geplant – von der klassischen Strassenprotestaktion über Musik- und Kinoanlässe, Vorträge und Diskussionen bis zu Jux im Stil alternativer «Spassguerilla».

Von Bildung bis Bürostuhlrennen
• In Bern finden drei Vorträge über «Rechtsextremismus im Schatten der SVP» (4. 5.) sowie Black-Metal- und Rockmusik «im Spannungsfeld von Satanismus, Heidentum und Neonazismus» (2. und 15. 6.) statt. Zwei Dokumentarfilme beleuchten Nazi-Skinheads (17. und 31. 5.), zwei «Büchertipp»-Abende widmen sich Migration und Sexismus (1. und 22. 6.), und Stadtrundgänge zeigen lokale Berner Aspekte der «Geschichte von Antifaschismus und seinen GegnerInnen» (16. und 29. 6.). Weiter geplant sind in Bern ein «Antifaschistisches Bürostuhlrennen» (9. 6.) und ein Antifa-Kasperlitheater (29. 6.) sowie eine Abschlusskundgebung am 7. Juli.
• In Biel gibts am 25. Mai eine «rot-schwarze kulturpolitische Nacht» mit Konzerten und drei Filmbeiträgen zu Asylpolitik, Antirassismus und Globalisierungskritik.
• In Burgdorf ist für den 11. Mai ein «Wagenkonzert mit guter Musik und interessanten Redebeiträgen» geplant.
• Von Thun aus soll am 23. Juni auf der Aare eine «Antifa-Gummiboot-Demo» nach Bern führen – nachdem 2005 die globalisierungskritische Berner Anti-WTO-Koordination ein vergleichbares Happening durchführte und mit 50 Booten gegen den G8-Gipfel demonstrierte.
• In Solothurn schliesslich findet am 19. Mai ein Fussball-Grümpelturnier («1. Antira-Cup Soletta – Rote Karte dem Rassismus») statt.

Polizei «ins Leere laufen lassen»
Mit diesem «bunten Strauss von lokal organisierten Aktionen» will die Antifa-Bewegung «ein unmiss-verständliches Zeichen setzen» gegen Rassismus und Nationalismus von Rechtsradikalen wie den «eidgenössischen Sozialisten» von der Pnos («Partei National Orientierter Schweizer»), die als Biedermänner aufträten, indes kaum kaschieren könnten, dass sie «HolocaustleugnerInnen, RassistInnen und Naziskins» seien. In der Schweiz hätten etwa ein Zehntel der Jugendlichen direkte Erfahrungen mit Neonazi-Pöbeleien, so das Antifa-Bündnis in seiner Presseverlautbarung. Sodann gelte der Protest dem neuen Asyl- und Ausländerrecht, durch das die humanitäre Tradition zum «leeren Geschwätz» verkomme, und schliesslich gelte es, die SVP zu bekämpfen, die drauf und dran sei, «einen Kulturkampf gegen den Islam zu schüren». Und im Übrigen wolle man mit dem neuen Happening-Konzept dafür sorgen, dass allfällige «martialisch aufgerüstete Polizeiaufgebote ins Leere laufen» würden, so das Bündnis.

Polizeidirektor positiv gestimmt
Berns neuer Sicherheitsdirektor Stephan Hügli (fdp) hat vom Konzept der Antifa-Kampagne 2007 gestern auf Anfrage grundsätzlich mit Genugtuung Kenntnis genommen. «Dass nicht mehr primär auf Provokation abgezielt wird, was ja auch dem Antifaschismus-Anliegen nicht gerecht wurde, weil das Echo stets negativ war, freut mich – und wir sind auf alle Fälle bereit, im Gespräch eine gute Lösung im Sinne aller, auch der Organisatoren, zu finden. Wir stellen uns da jedenfalls nicht im Geringsten quer.»

-Bernerzeitung: Die Antifa-Bewegung erfindet sich neu
Die Antifa arbeitet an ihrem Image. Statt auf unbewilligte Demos setzt sie neu auf Bürostuhlrennen und Filmabende
Seit gestern ist klar: Dieses Jahr gibt es keinen antifaschistischen Abendspaziergang mehr. Nachdem 2006 der 7.Spaziergang in Gewalt unterging, mussten die Organisatoren die Kontraproduktivität dieser Demos eingestehen: Vier von sieben «Spaziergängen» gerieten in den letzten Jahren ausser Kontrolle und endeten in Strassenschlachten mit riesigen Sachschäden. Gleichzeitig geriet die Antifa-Bewegung zum Synonym für dumpfen Vandalismus. In den letzten Monaten haben sich darum die verschiedenen lokalen Gruppierungen zusammengesetzt und Strategien diskutiert, wie sie ihre Botschaft künftig glaubhaft in der Öffentlichkeit bekannt machen können. Das Resultat gaben die Aktivistinnen und Aktivisten gestern per Communiqué bekannt: «Mit einem bunten Strauss von Aktionen und Happenings wollen wir diesen Frühling und Sommer ein unmissverständliches Zeichen setzen für eine Gesellschaft ohne Ausbeutung, Ausgrenzung», heisst es darin. Im Rahmen der Kampagne «Die Dinge in Bewegung bringen» seien Anlässe in Bern, Biel, Solothurn, Thun und Burgdorf geplant.

Gummiboot-Demonstration
Um die politischen Inhalte zu transportieren, setzt die Antifa auf verschiedenste Mittel. In Bern sind beispielsweise am 9.Juni ein «antifaschistisches Bürostuhlrennen» auf dem Bundesplatz sowie eine Gummibootdemo am 23.Juni auf der Aare geplant. Das Motto: «Auf dem Lande, auf dem Wasser – nieder mit dem Menschenhasser.» Etwas Ähnliches gab es bereits vor zwei Jahren: Damals hatten Linke mit mehr als 50 Booten auf der Aare gegen den G-8-Gipfel protestiert. Neben dem Spassfaktor soll aber auch Inhaltliches geboten werden. In der Reitschule stehen in den Monaten Mai und Juni diverse thematische Film- und Literaturabende mit anschliessenden Diskussionsrunden auf dem Programm. Und auch die Demo darf natürlich nicht fehlen. Zum Abschluss der Antifa-Kampagne soll am 7.Juli in Bern eine grosse, «selbstdisziplinierte» Kundgebung stattfinden.

Kornhaus statt Reitschule
Dass die Antifa-Bewegung mit derlei Aktivitäten punkten kann, hat sie im vergangenen Sommer bewiesen. Damals holten die Aktivisten erstmals seit dem Jahr 2000 wieder eine polizeiliche Bewilligung für einen Umzug ein, der prompt ohne Zwischenfälle oder Sprayereien über die Bühne ging. Gut besucht war ebenfalls die Themenausstellung «Brennpunkt Faschismus», die am selben Wochenende in der Galerie des Kornhausforums – und für einmal nicht in der Reitschule – stattfand. Es ist offensichtlich: Die Antifa Bern ist im Aufbruch und sucht nach Wegen aus ihrer Selbstisolation.