Antifa Demo Langenthal
Inhalt:
1. Aufruf
2. Medienbericht
3. Redebeiträge
1. Aufruf (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2010/10/78236.shtml)
Den rassistischen Konsens durchbrechen!
Am 9. Oktober demonstrierten in Langenthal gegen 100 Rechtsextreme aus dem Umfeld von PNOS, SD, SVP und FPS gegen den Bau eines Minaretts. Sie fühlten sich dabei von der rassistischen Hetze gegen den «Islam» seitens (aber nicht nur) der SVP bestätigt. Wir wollen den Aufmarsch der Neonazis und anderer RassistInnen nicht unbeantwortet lassen und rufen deshalb alle Menschen dazu auf, gemeinsam ein starkes und selbstdiszipliniertes Zeichen gegen Rechtsextremismus und rassistische Hetze zu setzen.
Aufruf zur Demonstration
Am 30.10.2010 um 14.30 Uhr demonstrieren wir deshalb in Langenthal beim Bahnhof. (Bewilligungsgesuch eingereicht)
Schon seit langer Zeit zeichnet sich die Region Langenthal durch überdurchschnittlich viele rechtsextreme Aktivitäten aus: Mehrere Demonstrationen und Kundgebungen der PNOS, Teilnahme der PNOS an Wahlen, Betrieb eines Vernetzungszentrums für Rechtsextreme aus dem In- und Ausland und mehrere gewalttätige Übergriffe auf Linke und MigrantInnen. Die Aktivitäten rund um die Minarett-Debatte in Langenthal zeugen ein weiteres Mal vom ausgrenzenden und menschenverachtenden Gedankengut der PNOS und ihres politischen Umfelds.
Die Minarett-Frage interessiert uns dabei nicht. Es geht nicht um pro oder contra Islam, es geht um den rassistischen Konsens, der bis tief ins linksbürgerliche Lager reicht. Der rassistische Konsens, der Fremdenfeindlichkeit, chauvinistische Propaganda, selbstherrliche Schweiztümelei und rassistische Kampagnen einfach hinnimmt.
In diesem politischen Klima werden «die Nigerianer» von Polizeikreisen und dem Bundesamt für Migration kollektiv als kriminell diffamiert, in vielen Städten werden junge afrikanische Männer straflos von PolizistInnen verprügelt und misshandelt, werden junge Migranten kollektiv als Raser und Gewalttäter dargestellt, werden Sans-Papiers über Jahre hinweg nicht regularisiert und als billige SchwarzarbeiterInnen ausgenutzt, werden abgewiesene Flüchtlinge zu unwürdigen und perspektivlosen Lebensbedingungen oder zum Untertauchen gezwungen. Im Zuge dieser Kampagnen ist das Schweizer Rechtssystem eine Zweiklassenjustiz geworden: Ohne Schweizer Pass muss ein Mensch mit höheren Strafen und mit Doppelbestrafung in Form von Einbürgerungsverweigerung, Ausbürgerungsandrohung, Landesverweis und Ausschaffungshaft rechnen.
Und die Aussichten sind düster: Die alltägliche rassistische Hetze in den Medien bleibt weitgehend unwidersprochen, keine der «grossen» Parteien wehrt sich offensiv gegen Ausschaffungsinitiative und Gegenvorschlag. Anstatt die menschenunwürdige Migrationspolitik zu hinterfragen, wetteifern die meisten Behörden, Parteien und Medien darum, wer die meisten Menschen ausschaffen kann. 400 (geltendes Recht), 800 (Gegenvorschlag) oder 1500 (Ausschaffungsinitiative) Menschen pro Jahr.
Wer sich einem Ausreisebescheid widersetzt, ob Ex-«VerbrecherIn» oder abgewieseneR Flüchtling, wird administrativ eingeknastet. Die Haftbedingungen in den Ausschaffungsgefängnissen sind menschenverachtend: Ohne Perspektive müssen selbst «Unausschaffbare» monatelang in den Verliessen der eidgenössischen Migrationspolitik verharren. Viele leiden unter psychischen Problemen, einige verletzen und verstümmeln sich, bringen sich um. Wer Widerstand gegen seine Ausschaffung leistet, wird gefesselt und geknebelt und unter Inkaufnahme seines/ihres Todes mit teuren Sonderflügen an die Regimes ausgeliefert, vor denen mensch geflüchtet ist. Kein Wunder gibt es immer wieder Hungerstreiks und Knastaufstände, wie aktuell im Genfer Ausschaffungsgefängnis «Frambois».
Bei einer Annahme der Ausschaffungsinitiative oder des Gegenvorschlags wird sich die Situation für die Betroffenen weiter verschlimmern. Die Zustände in den Ausschaffungsgefängnissen und während der Ausschaffungen werden noch unerträglicher. Doch dazu und zu vielen anderen schwerwiegenden Folgen ihrer menschenverachtenden und ausgrenzenden Politik schweigen SchreibtischtäterInnen, PolitikerInnen und Medienschaffende.
Dieses Schweigen und diesen rassistischen Konsens wollen wir durchbrechen.
Die Mentalität hinter dieser Hetze richtet sich nicht nur gegen MigrantInnen, sondern auch gegen uns alle. Und die rassistische Propaganda von Staat, Polizei, Parteien und Medien bestärkt braune Dumpfbacken, wie am 9. Oktober in Langenthal, in ihrem Hass. Denn wo Parteien und Medien hetzen, da prügeln und morden Neonazis und FaschistInnen.
Dem allem gilt es etwas entgegenzusetzen. Egal mit welchem Pass.
Bündnis kein ruhiges Hinterland
Unterzeichnende Gruppen:
Büro gegen finstere Zeiten, Stop Murder Music, RJG, augenauf, Alternative Linke Bern, Antifa Oberland, Antifa Bern, Repro, RZL, JA!
2. Communiqué (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2010/10/78449.shtml)
Medienmitteilung
Erfolgreiche Demonstration „Den rassistischen Konsens durchbrechen!“
Langenthal, 30.10.10
Sehr geehrte Medienschaffende
An der heutigen Demonstration „Den rassistischen Konsens durchbrechen!“ in Langenthal haben rund 120 Personen lautstark und entschlossen teilgenommen.
Der Protest richtete sich nicht nur gegen die rechtsextremistische Anti-Minarett-Kundgebung vom 9.10. in Langenthal, sondern auch gegen die Umtriebe von Rechtsextremen und Neonazis in den letzten Jahren in Langenthal und im Raum Oberaargau/Emmental sowie gegen die menschenverachtende und ausgrenzende repressive staatliche Migrationspolitik. In verschiedenen Redebeiträgen wurde die rechte Gewalt und rechtsextreme Strukturen in und um Langenthal sowie im Raum Oberaargau/Emmental beleuchtet und die fragwürdige Rolle der SVP thematisiert. Ebenso wurden die heuchlerischen, absurden und menschenverachtenden Debatten rund um die Ausschaffungsinitiative kritisiert, zur Solidarität mit den Betroffenen dieser Politik aufgerufen und weiteren Widerstand gegen Rechtsextremismus, Rassismus und die repressive staatliche Migrationspolitik angekündigt.
Die bewilligte Demo wurde vom „Bündnis Kein ruhiges Hinterland“, einem Zusammenschluss verschiedener antifaschistischer und antirassistischer Gruppen und Einzelpersonen organisiert. Die Demonstration verlief im Rahmen der Bewilligung.
Mit freundlichen Grüssen
Bündnis Kein ruhiges Hinterland
(Büro gegen finstere Zeiten Bern, Stop Murder Music Bern, RJG, augenauf Bern, Alternative Linke Bern, Antifa Oberland, Antifa Bern, Repro, RZL, JA!)
3. Redebeiträge (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2010/10/78449.shtml)
-Langenthal – immer wieder rechtsextrem!
Seit Jahrzehnten kommt es in Langenthal immer wieder zu rechtsextremen Vorfällen, wie kaum anderswo in der Schweiz.
In der Vergangenheit war die Reaktion auf solche so einfach wie reflexartig. Nein, Langenthal sei nicht rechtsextrem oder rassistisch. Einige wenige, die meisten gar nicht aus der Region, seien es, die Langenthal für ihre Eskapaden missbrauchten, lasen und hörten wir. Einige wenige waren es in der Tat, verglichen zur Bevölkerung der Schweiz, aber auffällig war die Häufigkeit der Vorfälle in Langenthal definitiv. Trotzdem, Demonstrationen von Neonazis wurden von höchster städtischer Stelle verboten und als das LAKuZ von Neonazis verwüstet wurde, organisierten breite Kreise einen Fakelumzug gegen Rechtsextremismus.
Im Jahr 2010 regiert die SVP mit Thomas Rufener das selbsternannte Zentrum des Oberaargaus. Die SVP, die im gesamten Europa als rechtsextreme Partei erkannt wird und die aktuell massgeblich auf dem Buckel einer religiösen Minderheit in der Schweiz politische Propaganda betreibt. Im Jahr 2010 erhalten die selben Neonazis, die für die damaligen Angriffe auf das LAKuZ rechtskräftig verurteilt wurden, eine Bewilligung für eine Kundgebung vor dem islamischen Zentrum.
Es ist wohl mehr als Zufall, dass das offizielle Langenthal im Jahr 2010 mir seiner Tradition der Kritik am Rechtsextremismus bricht. Und es könnte ein unheilvoller Auftakt zu einer neuen rechtsesxtremen Welle in Langenthal sein. Denn es überrascht wenig, dass sich ein SVPler nicht daran stört, wenn eine – auch in der Schweiz allgemein so bezeichnete – rechtsextreme, rassistische Partei unter dem Vorwand, die sogenannten „Volksschädlinge“ zu bekämpfen, auf die Strasse geht. Die öffentliche Zelebrierung von Fremdenhass und dumpfem völkischem Gehabe kann für die SVP kein Problem sein, sind es doch die gleichen Werte, die sie in jedem Abstimmungskampf verbreitet und trat doch der bekannte SVP-Politiker Fehr der Facebook-Gruppe der Oberaargauer Neonazis bei.
Vor diesem Hintergrund liegt es an uns allen, dass die Aussichten für Langenthal nicht ebenso grau werden, wie seine allwinterliche Hochnebeldecke!
Stehen wir gemeinsam ein für eine Welt ohne Rassismus und Ausgrenzung!
-Rechtsextreme Strukturen in der Region Oberaargau und Emmental
Immer wieder gerät Langenthal durch rechtsextreme Aufmärsche und Aktivitäten in die Schlagzeilen. So auch vor drei Wochen, als die PNOS gemeinsam mit Exponenten der Autopartei und den Schweizer Demokraten zur Platzkundgebung rief. An die 100 Personen, hauptsächlich jüngere Neonazis, folgten dem Aufruf, gegen das geplante Minarett zu demonstrieren.
Die Platzkundgebung reiht sich in eine lange Kette von Ereignissen und Vorfällen in und um Langenthal ein. Von den regelmässigen Angriffen und Verwüstungen des Langenthaler Kulturzentrums Lakuz über diverse Aufmärsche und Parteiversammlungen der PNOS bis zu Beschimpfungen dunkelhäutiger Spieler an Eishockeymatches und dem Angriff auf Ricardo Lumengo 2008. Im Frühjahr 2004 machte Langenthal ausserdem mit der Wahl von Tobias Hirschi Schlagzeilen, dem ersten Kommunalpolitiker der Schweiz, welcher einer offiziell als rechtsextrem eingestuften Partei angehört.
Doch warum gerade Langenthal? Die Antwort ist schwierig zu finden, es gibt jedoch verschiedene Faktoren welche diese Entwicklung begünstigen. Die offizielle Durchschnittsstadt der Schweiz stellt einen wichtigen regionalen Knotenpunkt dar. Geographisch ist Langenthal aus den umliegenden Kantonen Luzern, Aargau und Solothurn in kurzer Zeit erreichbar. Deshalb ist es nicht erstaunlich, dass Langenthal immer wieder als beliebter Treffpunkt für überregionale Anlässe ausgewählt wird.
Hinzu kommt, dass sowohl in Langenthal selbst, als auch im nahe gelegenen Burgdorf seit Jahren gut organisierte rechtsextreme Strukturen bestehen.
Als eine der ortsbekannten rechtsxetremen Organisationen tritt die Helvetische Jugend (kurz HJ) in Erscheinung, welche 2004 erstmals in Langenthal gegründet wurde. Mittlerweile verfügt die HJ auch über einen Ableger im Berner Oberland. Die Hauptakteure wie Stefan Wüthrich behaupteten lange Zeit, nichts mit der PNOS am Hut zu haben, obwohl bald klar wurde, dass die HJ nichts weiter als das Rekrutierungsfeld für Nachwuchs-PNOS’ler darstellte. Das heutige Vorstandsmitglied der PNOS Willisau, Benjamin Lingg, hat seine Wurzeln genau so in der HJ wie der als Schläger bekannte Pascal Lüthard, welcher kurze Zeit als Kantonalpräsident der PNOS Sektion Bern fungierte.
Die HJ führt sporadisch „Kameradschaftsabende“ in der Region durch und ist auch verantwortlich für den bewaffneten Angriff auf eine geplante Antirassismusdemo in Willisau. Bei den anschliessenden Hausdurchsuchungen bei HJ-Mitgliedern kam ein beträchtliches Waffenarsenal sowie neonazistisches Propagandamaterial zum Vorschein.
Einen festen Wert der regionalen rechtsextremen Szene stellten jahrelang die Nationale Offensive in Burgdorf und die Initiative Vaterland in Langenthal dar. In beiden Organisationen waren Personen aktiv, welche heute dem harten Kern der PNOS angehören. So schrieb beispielsweise Dominic Lüthard, heutiger Bundesvorstand der PNOS, bereits in jungen Jahren fremdenfeindliche Artikel für das hauseigene Neonaziblättchen der Initiative Vaterland. Cedric Rohrbach, ehemaliger Vizepräsident der PNOS Emmental, betätigte sich jahrelang an vorderster Front als Aktivist der als gewaltbereit bekannten Nationalen Offensive. Beide sind zudem Mitglieder der rechtsextremen Band Indiziert, welche schweizweit bekannt und international bestens vernetzt ist. Regelmässig treten sie an einschlägigen Festivals wie dem deutschen Fest der Völker in Jena auf, oder geben gemeinsam mit Neonazibands aus allen möglichen Ländern Konzerte. Indiziert kann auch regional als einer der wichtigsten Faktoren für die Vernetzung der Nazis angesehen werden. Immer wieder gelang es ihnen, in der Region Langenthal und Burgdorf Proberäume oder Lokale als Treffpunkte zu mieten. Nachdem sowohl der Bandraum in Roggwil als auch der Sitzungsraum in Burgdorf aufgeflogen waren, betrieben die Neonazis in Langenthal kurzzeitig sogar eine kleine Bar namens RAC-Café. Den vorläufigen Höhepunkt dieser bedenklichen Entwicklung stellte die mittlerweile wieder geschlossene Royal Aces Tattoo Bar in Burgdorf dar.
Doch wie konnte es soweit kommen? Die geographische Lage und die rechtsextremen Strukturen können sicherlich noch keine ausreichende Erklärung bieten. Fest steht jedoch, dass auch in der Tradition Langenthals bereits nazistische und fremdenfeindliche Vorkommnisse verzeichnet sind. So wurde 1933 der frontistische „Bund für Volk und Heimat“ im Hotel Löwen in Langenthal gegründet. Zudem existieren hartnäckige Gerüchte, dass die Porzellanfabrik bei einer allfälligen Übernahme der Schweiz durch die Deutsche Wehrmacht als Vernichtungslager hätte genutzt werden sollen. Damals wie heute können sich derartige Ideen nur aufgrund der schweigenden Zustimmung der Bevölkerung und dem Wegschauen der zuständigen Behörden verbreiten. Dem gilt es entschieden entgegen zu treten! Wir rufen die Bevölkerung von Langenthal und der ganzen Schweiz dazu auf, endlich die Augen zu öffnen, das Schweigen zu durchbrechen und klar Stellung gegen Rassismus und Fremdenfeindlichkeit zu beziehen!
Schweigen heisst Zustimmen!
Faschismus ist keine Meinung sondern ein Verbrechen!
Kein Fussbreit den Faschisten!
-Redebeitrag von augenauf Bern + Büro gegen finstere Zeiten Bern
Es steht ausser Frage, dass Neonazis und Rechtsextremismus auch in der Schweiz eine grosse Gefahr sind. Weit gefährlicher ist aber die Wechselwirkung zwischen diesem rechten Rand, der SVP und der herrschenden staatlichen Migrationspolitik. Denn die herrschende staatliche Migrationspolitik ist für die rechtspopulistischen Ideen mehr als empfänglich und verankert rassistische Vorstellungen nicht nur in Gesetzen und Verordnungen, sondern auch tief in der Gesellschaft.
Die Debatte um die Ausschaffungsinitiative der SVP ist ein Paradebeispiel, wie politische Opportunität rechtes Gedankengut salonfähig macht und den rassistischen Konsens untermauert. Bis weit ins sogenannt linke Lager hinein wird der Gegenvorschlag unterstützt, der zwar das Gleiche fordert wie die Initiative, im Gegensatz dazu aber umsetzbar ist. Dass er dabei im Gewand der Verfassungsmässigkeit daher kommt, macht ihn nicht humaner, sondern umso gefährlicher. Im aktuellen Abstimmungskampf wird der Diskurs reduziert auf eine Wahl zwischen dem kruden Wild-West-Rassismus der SVP und dem verfassungsmässig legitimierten Rassismus des Gegenvorschlages.
Dabei genügt ein Blick auf die heutige Ausschaffungspraxis, um die Absurdität weiterer Verschärfungen zu erkennen. Bereits heute sind kaum Personen ausländischer Herkunft vor einer Ausschaffung sicher. Ausser natürlich sie sind zahlungskräftige Ölscheichs, CEOs multinationaler Konzerne oder überdrehte High-Society-Promis. Ansonsten wird Menschen, auch wenn sie seit Jahren in der Schweiz leben und Teil dieser Gesellschaft sind, regelmässig aus nichtigen Gründen ihre Aufenthaltsbewilligung entzogen. Und gehen sie nicht freiwillig, so werden sie halt ausgeschafft.
Hier zeigt sich die staatliche Gewalt in ihrer ganzen Deutlichkeit. Menschen, selbst Kinder und Jugendliche, deren einziges „Verbrechen“ darin besteht, in der Schweiz zu sein, werden monatelang in Ausschaffungshaft gesteckt. Wer sich weigert, „freiwillig“ das Flugzeug zu besteigen, dessen Ziel meist das Land ist, aus dem er oder sie geflüchtet ist, wird einer erniedrigenden Ganzkörperfesselung unterzogen und unter strengster Bewachung mit einem kostspieligen Sonderflug ausgeschafft. Dieses Prozedere ist nicht nur menschenverachtend, sondern lebensgefährlich.
Die rohe Gewalt versteckt sich dabei hinter bürokratisierten Abläufen. Die Zuständigkeiten sind so verzettelt, dass jede Behörde, jeder Mensch nur ein Rädchen dieser gewaltigen Maschinerie ist – und alle Verantwortung abschieben kann. Die einzige Folge von Toten bei Ausschaffungen sind „Reformen“ im Ausschaffungsprozedere: Nachdem 1999 in Zürich Khaled Abuzarifa und 2001 im Wallis Samson Chukwu ihre versuchten Ausschaffungen nicht überlebt hatten, wurde die sogenannte Zwangsanwendungsverordnung ZAV erlassen. Die ZAV sollte der staatlichen Gewalt bei Ausschaffungen Grenzen setzen, erlaubt dabei aber explizit den Einsatz von Tasern. Im März dieses Jahres ist in Zürich ein weiterer Mensch, Joseph Ndukaku Chiakwa, bei der Vorbereitung zur Ausschaffung ums Leben gekommen. Und erneut wurden Massnahmen angekündigt, welche solche „Todesfälle“ in Zukunft verhindern sollen. Sie bestehen im Wesentlichen darin, einen Arzt mitfliegen zu lassen.
All diese Verordnungen und sogenannten Massnahmen dürfen nicht drüber hinwegtäuschen: Es gibt keine humanen Ausschaffungen. Eine Politik, die Menschen gegen ihren Willen und unter der Anwendung von Gewalt aus der Schweiz deportiert, nimmt Tote in Kauf. Befürwortende von Zwangsausschaffungen sagen gerne, dass die herrschende Schweizer Migrationspolitik nicht ohne das Druckmittel der Ausschaffungen auskommt. Das ist kaum zu bestreiten. Das heisst aber nicht, dass Ausschaffungen damit legitim werden. Es heisst viel mehr, dass die herrschende repressive Migrationspolitik als Ganzes abzulehnen und zu bekämpfen ist.
Ausschaffungen sind dabei nur die Spitze des Eisberges dieser menschenverachtenden Asyl- und AusländerInnenpolitik. Eine Politik, welche die Menschen per Gesetz in verschiedene Klassen einteilt. Eine Politik, in der Polizistinnen und Polizisten regelmässig dunkelhäutige Personen verprügeln und dafür von den Gerichten freigesprochen werden. Eine Politik, die Schutz suchende Menschen in Lager steckt. In Zentren, die sich in unterirdischen Zivilschutzanlagen oder in den entlegensten Winkeln der Bergregionen befinden, wo sie systematisch vom Rest der Gesellschaft isoliert werden. Es ist diese Politik, die Tote in Kauf nimmt.
Es gilt, sich nach der Abstimmung vom 28. November nicht frustriert ins Private zurückzuziehen, sondern wie immer in den letzten Jahren erst recht weiterzumachen mit dem Widerstand und dem Kampf für Solidarität, Bleibrecht und Regularisierung und gegen Rassismus, Ausgrenzung und Ausschaffungen. Und dies mit und für die Betroffenen. Denn während wir Schweizerpass-InhaberInnen wie heute relativ „frei“ auf der Strasse Widerstand leisten können, findet ihr Widerstand oft unter schwierigen Bedingungen in den Camps, in Zivilschutzanlagen, in Berghütten, im illegalisierten Untergrund, in Ausschaffungs- und anderen Knästen oder während Sonderflügen statt. Viele können sich z.B. die Reise an die heutige Demo aus finanziellen und/oder Risikogründen nicht leisten. Wir uns hingegen schon. Gemeinsame Nachmittage in Camps und Nothilfelagern sowie lautstarke Besuche vor Ausschaffungsknästen sind deshalb geeignete Möglichkeiten ihren und unseren Widerstand zu verknüpfen.
Und: Es gilt weiterhin Widerstand gegen die Biedermänner/-frauen und die BrandstifterInnen zu leisten. Gegen SVP, Migrations-BürokratInnen, linken und bürgerlichen Opportunismus, schlagzeilengeilen Wahlkampfpopulismus, Medienhetze, Rechtsextreme und Neonazis. Gegen die Umsetzung und Praxis ihrer menschendverachtenden Politik und gegen ihre strukturelle und praktische brutale Gewalt.
Die nächste SVP-Initiative kommt bestimmt. Wir haben dazu schon jetzt einen Gegenvorschlag:
Schiesst die SVP auf den Mond, das ist Ausschaffung, die sich lohnt!