2011,  Arbeitskampf

Unia Funktionäre streiken

Inhalt:
1. Communiqué
2. Medienbericht
3. Streikerfolg


1. Communiqué (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2011/02/80154.shtml)
Die Unia-Führung zeigt wieder mal, was sie von der Basis und „innergewerkschaftlicher Demokratie“ hält. Diesmal verwarnt sie die Personalkomission. Die Sektion Bern und Oberaargau-Emmental ist seit heute im Streik und ruft andere Sekretäre zur Solidarität auf. Hier das entsprechende Mail:
Woche 7, 16. Februar 2011
a.. Vorgezogener Leitungswechsel in der Unia Sektion Bern
b.. Gesprächsangebot der Geschäftsleitung
c.. Gespräch mit Personalkommission angesetzt – Verwarnung bereits gestern sistiert
d.. Arbeitsniederlegung des Gewerkschaftspersonals der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental

Vorgezogener Leitungswechsel in der Unia Sektion Bern
An der gestrigen Sitzung der nationalen Geschäftsleitung mit dem Sektionsleiter der Sektion Bern wurde Roland Herzog (Duke) darüber informiert, dass er ab sofort die Leitung der Sektion Bern abgeben muss. Diese willkürliche Entscheidung der nationalen Leitung akzeptiert weder die Basis noch das Personal der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental! Solche Machtspiele sind einer Gewerkschaft unwürdig und dürfen nicht auf dem Rücken der Mitglieder und des Personals ausgetragen werden.
Die gesamte Auseinandersetzung zwischen den Mitarbeitenden der Sektion Bern / Sektion Oberaargau-Emmental und der regionalen und nationalen Leitung zieht sich bereits über ein Jahr hin. Es gab in verschiedenen Punkten Konflikte, die das Vertrauen zwischen den einzelnen Gremien aus der Basis (Sektionsvorständen, Regio-Vorständen usw.), dem Personal und der Regio-Leitung aufs Massivste gestört haben. Weder die regionale noch die nationale Leitung haben wirklich versucht, dieses Problem zusammen mit uns zu lösen. Es wurden uns immer wieder leere Versprechungen gemacht.

Die Begründungen, die zur Absetzung von Roland Herzog führten, sind fadenscheinig. Das Ziel ist eine Machtkonzentration in der Region bzw. bei der Regio-Leitung. Die Sektionen und die Basis sollen so geschwächt werden. Dies können wir unter keinen Umständen dulden!
Gesprächsangebot der Geschäftsleitung
Heute Morgen war das Personal der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental, mit einigen wenigen Ausnahmen, in der Zentrale, um den tagenden Zentralvorstandsmitgliedern mit einer Protestaktion klar die beiden aufgestellten Forderungen zu kommunizieren (siehe Mailkopie im Anhang).

Gespräch mit der Personalkommission angesetzt – Verwarnung gestern sistiert???
Wir haben uns in den letzten 12 Monaten zu oft in fruchtlose Diskussionen verstricken und uns mit leeren Versprechen abspeisen lassen! Das Mass ist voll!
Die Verwarnung vom Co-Päsidenten der nationalen Personalkommission ist weder für die Gremien der Sektionen noch für das gesamte Personal der beiden Sektion nachvollziehbar. Ausserdem ist für uns sehr fragwürdig, was eine „sistierte“ Verwarnung genau bedeutet. Entweder wird eine Verwarnung zurückgezogen, oder nicht! Das ist arbeitsrechtlicher Unsinn!!!

DIE SEKTIONEN BERN UND OBERAARGAU-EMMENTAL HABEN HEUTE MITTAG UM 11:00 UHR DIE ARBEIT AUF UNBESTIMMTE ZEIT NIEDERGELEGT!
DIE GESCHÄFTSLEITUNG WURDE DARÜBER INFORMIERT. DIESE TATSACHE HAT DIE NATIONALE GESCHÄFTSLEITUNG VERSCHWIEGEN. DIES SPRICHT FÜR SICH.
WIR RUFEN SÄMTLICHE MITARBEITENDEN DER GESAMTEN UNIA SCHWEIZ AUF, SICH MIT UNS ZU SOLIDARISIEREN UND UNS ZU UNTERSTÜTZEN!
Personalkommission der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental

2. Medienbericht (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2011/03/80680.shtml)
Bei der Unia geht der interne Streit weiter
Nach dem Streik in der Berner Unia-Sektion will das Personal nicht einfach zur Tagesordnung übergehen. Es fordert eine «Unia von unten» und wehrt sich gegen die autoritäre Haltung einzelner Funktionäre.
Mitte Februar hatten bei der Gewerkschaft Unia 40 Mitarbeitende der Sektion Bern von der Unia-Führung verlangt, die Absetzung ihres Chefs sowie die Verwarnung eines Mitglieds der Personalkommission zurückzunehmen. Am 11. März teilten die Unia-Verantwortlichen mit, dass die Vermittlung bis zum 25. März fortgeführt werde. Auf Nachfrage des TA wollten sie nicht mehr sagen. Die Mitarbeitenden schweigen loyal mit, weil sie die Vermittlungsbemühungen nicht gefährden wollen.
Dabei hätten sie Grund zur Freude. Ihre Forderungen sind grösstenteils erfüllt worden: Die Verwarnung des Personalvertreters wurde ebenso zurückgenommen wie die Versetzung des Berner Sektionsleiters Roland Herzog. Dessen künftige Funktion sei indes noch nicht geklärt.

Nationale Auseinandersetzung
Doch den Streikenden und all jenen, die sich mit ihnen solidarisiert haben, reicht das nicht. Aus ihrer Sicht geht es nicht um persönliche oder regionale Probleme, sondern um eine Auseinandersetzung von nationaler Tragweite, heisst es in einem im Internet veröffentlichten Papier (www.aufbau.org).
Die Protestierenden verlangen eine Demokratisierung der Gewerkschaft, eine «Unia von unten». Dem steht die erklärte Absicht der Unia-Führung diametral entgegen: «Diese will die Gewerkschaft in eine straff geführte Organisation umkrempeln, in der Überzeugung, dass nur so die Krise zu überwinden sei, in der sich die Arbeitnehmerverbände seit längerem befinden», erläutert der Soziologe Peter Streckeisen von der Universität Basel. Doch anstatt das Personal von der Notwendigkeit einer Reorganisation zu überzeugen, bedient sich die Unia-Führung laut Streckeisen «neoliberaler Management-Konzepte und setzt diese auf unglaublich autoritäre Art und Weise um».
Das Personal hat die Grundlage für eine starke Unia zu erarbeiten: eine möglichst hohe Mitgliederzahl. Die Zielvorgaben für die einzelnen Mitarbeitenden seien jedoch so hoch, dass sie auf Dauer gar nicht zu bewältigen seien. Fazit: «Viele geben auf», wie Jörg Studer, Präsident der Unia Nordwestschweiz, feststellt. «Die Personalfluktuation in der Unia ist sehr hoch.»
Neu sei das autoritäre Verhalten eines Teils der Unia-Führungscrew nicht; «neu ist aber», so Peter Streckeisen, «dass das Personal sich dagegen wehrt». Und dass es den Protest auch an die Öffentlichkeit trägt. Dabei sind sich die Unia-Sekretäre sehr wohl bewusst, dass dies der Institution Gewerkschaft schaden könnte. Es gehe aber um die Glaubwürdigkeit der Unia, sagen Protestierende. Um die Glaubwürdigkeit einer Gewerkschaft, die nach innen etwas ganz anderes praktiziere, als sie nach aussen postuliere.

Ungerechtfertigte Verwarnung
Dazu ein Beispiel: Während die Unia immer wieder einen besseren Schutz für die innerbetrieblichen Personalvertreter fordert, scheinen einzelne Funktionäre diesen Schutz im eigenen Haus mit Füssen zu treten. Davon zeugt die Verwarnung gegen den Co-Präsidenten der Unia-Personalkommission. Ihm wurde unter anderem vorgeworfen, er sei ohne Erlaubnis seiner Arbeitgeberin während der Arbeitszeit als Zuschauer an einem Prozess vor dem Zürcher Arbeitsgericht erschienen.
Beim Prozess ging es um die umstrittene Entlassung eines ehemaligen Unia-Sekretärs. Nur: Personalvertreter brauchen keine Erlaubnis ihrer Vorgesetzten, um tätig zu werden. Auch ist es ihnen per Gesetz ausdrücklich erlaubt, ihre Aufgaben während der Arbeitszeit zu erledigen.
Die erwähnte Verwarnung ist nicht die einzige Disziplinierungsmassnahme der jüngsten Zeit. So ist aus der Region Zürich-Schaffhausen zu vernehmen, dass eine Mitarbeiterin verwarnt wurde, die nicht an einer Retraite teilgenommen hatte. Die Retraite fand an ihrem arbeitsfreien Tag statt, an dem die Angestellte eine Weiterbildung besuchte.

«Lächerliche Tatbestände erfunden»
In derselben Region habe es allein von Dezember bis Februar «sechs fragwürdige schriftliche Ermahnungen» (Vorstufe zur Verwarnung) gegeben. Es würden «lächerliche Tatbestände erfunden, um Ermahnungen und Verwarnungen zu begründen», erinnert sich der Basler Hanspeter Gysin, der bis zu seiner Frühpensionierung 2007 die Unia-Personalkommission präsidierte. Bereits damals habe es Dutzende solcher Fälle gegeben; oft habe er interveniert – chancenlos. Zahlreiche Gewerkschafter wurden entlassen, gewehrt habe sich keiner. Die Aussicht, in einen jahrelangen Rechtsstreit mit der Unia verwickelt zu werden, habe sie davon abgehalten, erklärt Gysin.

Zu den Vorwürfen will die Unia unter Verweis auf die derzeitige Vermittlung nicht Stellung nehmen. Doch im Hintergrund rufen einzelne Funktionäre zum Gegenschlag auf. In einem ebenfalls an die Öffentlichkeit gelangten Mail appelliert Roman Burger, Leiter der Region Zürich-Schaffhausen, an das Unia-Präsidium, eine klare Linie und Entschlossenheit gegenüber dem protestierenden Personal zu zeigen. Insbesondere sollen den Protestierenden keine Infrastruktur und keine Arbeitszeit zur Verfügung gestellt werden. Damit hat eine der zentralen Figuren innerhalb der Unia unmissverständlich klargemacht, was sie vom Protest des Personals hält.
Doch auch die Basis gibt sich entschlossen: «Wenn die‹Unia von unten› nicht gestärkt wird, ist dies das Ende der Gewerkschaft», sagt der Nordwestschweiz-Präsident Jörg Studer.


3. Streikerfolg (Originalquelle: http://www.derbund.ch/bern/Unia-beugt-sich-dem-Druck-der-Unzufriedenen/story/25157020)
Unia beugt sich dem Druck der Unzufriedenen
Der strafversetzte Berner Sektionsleiter Roland Herzog soll seinen Posten zurückerhalten.
Nach vierwöchigen Verhandlungen hat Renzo Ambrosetti, Co-Präsident der Unia Schweiz, am Freitag einen Vorschlag für die Lösung des internen Konflikts auf den Tisch gelegt. Am Nachmittag wurde die Delegation der Angestellten der Gewerkschaftssektionen Bern und Oberaargau-Emmental informiert, am Abend dann der Regionalvorstand, in dem Vertreter der Sektionen sowie die übergeordnete Leitung der Region Bern sitzen. Danach gingen die Diskussionen jedoch erst richtig los; sie dauerten laut Informationen aus Mitarbeiterkreisen bis weit nach Mitternacht.

Offiziell bestätigte Informationen, wie Vermittler Ambrosetti den Konflikt rund um den zwangsversetzten Leiter der Sektion Bern, Roland Herzog, lösen will, gibt es nicht. Unia-Sprecher Nico Lutz machte am Wochenende keine Angaben zum Inhalt des Vorschlags. Dieser werde nun in den einzelnen Sektionen der Region Bern diskutiert. Am 5. April trete dann der Regionsvorstand erneut zusammen, um einen Entscheid zu fällen. Auch Nazmi Jakurti, Leiter der Mitarbeiterdelegation und Präsident des Gewerkschaftsbundes Oberaargau, gab keine Details preis, da Stillschweigen vereinbart worden sei. Er sagte nur: «Die seit sechs Wochen anhaltende Ungewissheit ist für die Unia-Mitarbeitenden sehr belastend.» Man unterstütze aber die Vermittlungsbemühungen und lasse den Streik weiterhin sistiert.

Bestätigung der Regionsleitung
Einige Punkte des Lösungsvorschlags wurden am Wochenende dennoch bekannt. Gut unterrichtete Quellen sagten dem «Bund», Ambrosetti schlage die Wiedereinsetzung von Roland Herzog als Leiter der Sektion Bern vor. Dies hatte die Unia-Leitung bisher als «nicht verhandelbar» bezeichnet. Der charismatische, altgediente und bei der Basis beliebte Gewerkschafter war Mitte Februar fristlos abgesetzt und ohne klare Aufgabe ins Zentralsekretariat strafversetzt worden. Grund: Herzog sei nicht bereit gewesen, «konstruktiv mit der Regionsleitung zusammenzuarbeiten». Er habe Abmachungen nicht eingehalten und Beschlüsse nicht umgesetzt. Daraufhin solidarisierten sich die 40 Mitarbeitenden der Sektionen Bern und Oberaargau-Emmental mit ihrem «Duke» und traten in einen zehntägigen Streik – ein einmaliger Vorgang in der Schweizer Gewerkschaftsgeschichte.
Die Unia-Angestellten forderten die vollständige Rehabilitierung von Herzog und kritisierten das «autoritäre Gehabe» ihrer Regionsleitung. Diese besteht seit 2009 aus Udo Michel und der grünen Grossrätin Natalie Imboden, die auch als Kandidatin für die Nachfolge der Berner Gemeinderätin Regula Rytz gehandelt wird. Je länger der Konflikt dauert und je weiter er sich ausdehnt, desto ungewisser wird jedoch die Zukunft der Unia-Kaderfrau. Ambrosettis Lösungsvorschlag will hier Klarheit schaffen und sieht offenbar die Bestätigung der Regionsleitung bis zu den nächsten ordentlichen Neuwahlen 2012 vor.

Bisher haben die unzufriedenen Mitarbeiter keine Absetzung der Regionsleitung gefordert. Wie jedoch das Vertrauen zwischen Leitung und Angestellten nach diesem Konflikt wiederhergestellt werden soll, ist unklar. Die Unia-Region Bern ist mit 25 000 Mitgliedern und den drei Sektionen Bern, Oberland und Oberaargau-Emmental die grösste Region der Gewerkschaft.
Unklar bleibt auch, wie lange Roland Herzog überhaupt noch im Amt bleiben würde, sollte er denn die Leitung der Sektion Bern zurückerhalten. Das ordentliche Pensionsalter bei der Unia liegt bei 62 Jahren. Der bald 60-Jährige hat aber laut Unia-Sprecher Nico Lutz «erhebliche Zeitguthaben» angehäuft, sodass er bereits kurz vor der Pension steht. Der Konflikt würde sich damit aber nicht von selber lösen, da er sich bereits zu einer nationalen Krise der grössten Schweizer Gewerkschaft ausgebreitet hat. Die Bewegung «Unia von unten» wehrt sich gegen eine Straffung der Führungsstruktur und fordert eine Demokratisierung der Gewerkschaft.