2016,  Asyl/Migration,  Ausschreitungen,  Demo,  Freiraum,  Repression

Solidaritäts-Sauvage und Umzug

Inhalt:
1. Communiqué
2. Bericht
3. Medienbericht

1. Communiqué (Originalquelle: https://linksunten.indymedia.org/de/node/179766)
Communiqué und Gegendarstellung zur Solidaritäts-Sauvage auf dem Warmbächli-Areal und anschliessendem Umzug (Bern)
Gestern Abend trafen sich rund 1000 Menschen auf dem Warmbächli-Areal, um unsere Solidarität mit den von Flüchtenden und AktivistInnen besetzten Häusers in Athen kund zu tun.

Wir nahmen uns den öffentlichen Raum, um ein Zeichen gegen die menschenverachtende Migrationspolitik der Schweiz und der EU zu setzen. Mit dem Kuhandel zwischen der EU und dem türkischen Diktator Erdogan haben Flüchtende Menschen faktisch ihr Recht auf Asyl in Europa verloren. Stattdessen werden sie nun von der griechischen Polizei und Frontex in die Türkei zurückgeschafft. In diesem Land herrsch selbst Bürgerkrieg, trotzdem erklärt die EU die Türkei zynischerweise zum „sicheren Herkunftsland“.

Im Athener Viertel Exarchia haben Einheimische und Flüchtende gemeinsam leerstehende Häuser besetzt. Damit schaffen sie einen Wohn- und Rückzugsraum für Tausende, die ansonsten auf der Strasse leben müssten. Diese praktische Solidarität rettet Menschenleben und schafft neue Hoffnung für die Geflüchteten und vom Staat Bedrohten.

Der Ablauf der Demonstration
Nach der ausgelassenen Feier auf dem Warmbächli-Areal setzte sich um 1.30 Uhr ein Demonstrationszug in Bewegung. Er bewegte sich Richtung Innenstadt. Begleitet wurde er von zwei Soundmobilen, Transparenten und Feuerwerk. Von der Schlossmatte lief die Demonstration zum Loryplatz und von dort aus weiter Richtung Kocherpark. Beim kaufmännischen Verband stellte blockierte die Polizei die Strasse. Um eine Konfrontation zu vermeiden, wich der Demozug nach links Richtung Inselspitalkreuzung aus, um danach über die Rote Brücke ins Länggassquartier zu ziehen. Beim Bühlplatz griff die Polizei die Demonstration frontal an: Unvermittelt attackierte die Polizei mit Tränengas, Gummischrot und Pfefferspray. Ausserdem kam der Wasserwerfer zum Einsatz. Durch die brutale Attacke drohte kurzzeitig eine Panik unter den Teilnehmenden zu entstehen. Dank der Selbstdisziplin aller Teilnehmenden gelang es der Demonstration mit samt den Fahrzeugen, eine Kehrtwende zu vollziehen und wieder zur Inselspitalkreuzung zurückzukehren. Der Plan der Polizei, uns in einer Sackgasse zu blockieren und anzugreifen, wurde durchkreuzt.

Auf der Laupenstrasse zog die Demonstration Richtung Bahnhof. Bei der Ecke Laupenstrasse – Belpstrasse wurde mensch erneut durch die Polizei blockiert und angegriffen. Diesmal wehrten sich die Demonstrierenden gegen die Polizeigewalt. Ein Teil der Teilnehmenden entfernte sich aufgrund der Eskalation von der Demonstration, um sich in Sicherheit zu bringen. Ab hier gab es aufgrund der Angriffe der Polizei auch grössere Ausschreitungen gegen Gebäude – z.B. das der Axa Winterthur-Versicherung. Beim Kocherpark löste sich die Demonstration nach und nach auf.

Den Reflex der Polizei und vieler Medien, umgehend von gewaltbereiten Chaoten zu sprechen und den Demonstrierenden die alleinige Verantwortung für die Eskalation zuzuschieben, kennen wir. Die Polizei hat gestern Schwerverletzte risikiert, indem sie beim Bühlplatz ohne Vorwarnung aus allen Rohren feuerte. Friedlich tanzende Menschen wären um Haaresbreite überfahren oder niedergetrampelt worden.

Wir haben mit unserer Sauvage auf dem Warmbächli-Areal und der Demo ein starkes Zeichen gesetzt für die Geflüchteten und die AktivistInnen in Exarchia, Athen.
Angelo Peter Moser für die Gruppe Exarchia

2. Bericht (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/642339879247705)
Über 1000 Menschen beteiligten sich an der heutigen Sauvage im Warmbächli und dem anschliessenden Umzug in die Innenstadt. Der ganze Erlös des Abends fliesst in besetzte Häuser in Athen. Im Viertel Exarchia wurden in den letzten Monaten mehrere Häuser besetzt, in denen geflüchtete Menschen Schutzräume aufbauen konnten. Diese selbstorganisierten Orte bieten viel mehr als die staatlichen und humanitären Organisationen.
Statt ein weiteres Wochenende nur dem Konsum zu frönen, sich zu betäuben und ein wenig für eine bessere Welt zu feiern – haben sich heute Hunderte entschieden, ihre Wut und Trauer über die herrschenden Zustände auf unterschiedliche Weise auszudrücken.
Wieder einmal zeigte die Staatsgewalt, was sie von Freiräumen und Organisierung von Unten hält. Mehrmals stellten sie sich dem ausdrucksstarken Umzug in den Weg. Nur dem selbstbestimmten Verhalten aller war es zu verdanken, dass die Situation nicht eskalierte. In der Länggasse kam der Wasserwerfer und massiv Tränengas zum Einsatz. Dennoch liessen sich viele nicht einschüchtern und fanden ihren Weg in die Innenstadt.
Lasst uns das Motto des heutigen Abends: „Wer ausbeutet muss bezahlen“ auch in der Zukunft weitertragen!


3. Medienbericht (Originalquelle: https://www.derbund.ch/bern/stadt/was-als-unbewilligtes-fest-begann-endete-als-krawallnacht/story/25413488)
Was als unbewilligtes Fest begann, endete als Krawallnacht
In der Nacht auf Sonntag endete eine Demonstration in Krawallen. Dabei war die Stimmung am vorangehenden Fest am Warmbächliweg noch friedlich, sagen Besucher.
«Jetzt gehts los: Die interplanetar-kosmosolidarische Sauvage beginnt!!!»: Mit dieser SMS-Nachricht wurden am Samstagabend junge Bernerinnen und Berner auf das Warmbächli-Areal bei der ehemaligen Kehrichtverbrennungsanlage gelotst. Bereits im Laufe des Tages hatte sich das Gerücht verbreitet, wonach es am Abend zu einer «Sauvage» kommen werde, einem unbewilligten Fest an einem noch unbekannten Ort, zu dem man per Mund-zu-Mund-Propagana eingeladen wird. Das Ketten-SMS war ein Erfolg: Mehrere Hundert Personen fanden nach zehn Uhr abends den Weg zur Brache.

Verschiedene linksautonome Gruppierungen sprechen in ihren Mitteilungen gar von über tausend Personen. «Friedlich», «laut und ausgelassen» sei es gewesen, sagen Besucherinnen und Besucher. Dass es später am Abend zu Strassenschlachten, eingeschlagenen Fensterscheiben, Gummischrot und Tränengas kommen würde, daran dachten viele von ihnen nicht.

Viele «normale Partybesucher»
Auf dem Warmbächliareal erwarteten die Besucher Konzerte, verschiedene Bars und ein grosses Lagerfeuer. Das Bier war für drei Franken zu haben, die jungen Besucher brachten ihre Getränke teils auch selbst mit. Gewisse Brüche in der Festlaune gab es dennoch. «Manche Bierverkäufer waren vermummt», sagt eine Besucherin. Auch sei den Eintretenden beim Einlass ein Merkblatt verteilt worden, auf dem geschrieben stand, wie man sich im Falle einer Festnahme zu verhalten habe. Die Polizei spricht in ihrem Mediencommuniqué von Vermummten, die die Zugänge bewacht hätten, ausgestattet mit Funkgeräten.

Gegen ein Uhr kam schliesslich Bewegung in die Gesellschaft, es formierte sich ein Demonstrationszug, angeleitet von Soundmobilen. Mehrere hundert Personen folgten den Wagen und der Demospitze, die sich zwischenzeitlich mit Transparenten ausgestattet hatte. «Walk of Shame» stand darauf zu lesen. Im Vorfeld war kommuniziert worden, die Erlöse der Party würden Flüchtlingen auf Griechenland zugutekommen. Inzwischen erinnerte aber die Szenerie an den Anlass «Tanz dich frei», bei dem Jugendliche auf der Strasse Party machten und Freiräume einforderten. «Tanz dich frei» fand zwei Mal friedlich statt, bevor der Umzug 2013 in schweren Ausschreitungen mündete.

Krawall am Bühlplatz
Zu massiven Sachbeschädigungen kam es bereits am Loryplatz. Es wurden Scheiben eingeschlagen, Böller gezündet und Wände versprayt. Die Polizei berichtet von besorgten Anrufern, unter anderem aus dem Frauenspital und einem Altersheim. «Es hat sich bald abgezeichnet, dass es einer kleinen Minderheit darum ging, die Situation in der Masse auszunutzen», sagt SP-Stadtrat und Parteisekretär Michael Sutter, der mitgelaufen war, um die Geschehnisse zu verfolgen. Als sich die Konfrontation mit der Polizei abzeichnete und Sutter den Schauplatz verliess, hätten es ihm viele andere Demonstranten gleichgetan. Sie seien keine linksautonomen Chaoten gewesen, sondern «normale Partybesucher.»

Mit den übrigen kommt es am Bühlplatz vor zwei Uhr morgens zur Auseinandersetzung. Um die Demonstranten davon abzuhalten, in die Stadt zu gelangen, hatte die Polizei mehrere Sperren errichtet. Gewaltbereite Demonstranten zünden Feuerwerk und werfen Steine auf die Polizisten, auch Feuerwehrleute werden angegriffen. Ein Stein, gemäss Foto der Polizei mit einem Durchmesser von 13 Zentimetern, durchschlägt das Beifahrerfenster eines Feuerwehrautos und trifft einen Mitarbeiter. Die Polizei setzt Tränengas und Gummischrot ein, ein Wasserwerfer kommt zum Einsatz. Ein Teil des Demozugs splittet sich auf, mehrere Sperren an der Laupen- und Effingerstrasse sorgen dafür, dass die Randalierenden scheitern und sich schliesslich verziehen.

Keine Massenpanik riskiert
Für Polizeichef Manuel Willi verlief der Einsatz insofern erfolgreich, als dass der Demozug die Innenstadt nicht erreichte. Der Einsatz sei «äusserst anspruchsvoll» gewesen. Und anders geplant. Denn nachdem bei der Polizei um 22 Uhr Lärmklagen eingegangen waren, hatte die Polizei Verstärkung bestellt. «Wir waren in den Vorbereitungen begriffen, um zu intervenieren und die Situation betreffend Lärmklagen zu verbessern. Dann kam es aber bereits zum Umzug.» Die Intervention hätte sich ohnehin schwierig gestaltet, sagt Willi. «Fakt ist, dass man eine unbewilligte Party mit so vielen Beteiligten, dazu noch in einer Bausenke und im Dunkeln, nicht einfach so auflösen kann. Die Gefahr einer Massenpanik ist zu gross.» (DerBund.ch/Newsnet)