2017,  Antifaschismus,  Antikapitalismus,  Ausschreitungen,  Demo,  Freiraum,  Gender

Jubliäumsdemo 30 Jahre Reitschule – 30 Jahre Widerstand

Inhalt:
1. Aufruf
2. Aufruf Antifa-Block & Mobivideo
3. Communiqué
4. Communiqué Antifa-Block
5. Medienbericht

1. Aufruf (Originalquelle: https://barrikade.info/30-Jahre-Reitschule-30-Jahre-Widerstand-475)
30 Jahre Reitschule – 30 Jahre Widerstand
Vor 30 Jahren brannte es in Bern und anderen Städten: Die Forderung nach mehr Freiraum erschallte im ganzen Land. Die Menschen stellten sich gegen die herrschende Ordnung und forderten Selbstbestimmung und Freiheit. Mehrere Besetzungen wie etwa das Zaffaraya entstanden, wurden aber durch Staat und Polizei brutal angegriffen. Die Reitschule wurde in diesen Protesten erkämpft.
Seit der ersten Besetzung versteht sich die Reitschule als politischer Raum: 30 Jahre Reitschule heisst darum auch 30 Jahre aktiver Widerstand. Der entstandenen antifaschistischen Bewegung gelang schlagkräftige Aktionen gegen lokale Strukturen von Rechtsextremen. Die Anti-Globalisierungsbewegung hatte in der Reitschule eine starke Basis; weltweite politische Kämpfe stiessen hier immer auf Unterstützung und Solidarität.

Die Entwicklung der Reitschule ist trotzdem kritisch zu betrachten. Im Laufe der Zeit hat sich vieles verändert. Neben dem Neuen, das seit drei Jahrzehnten jeden Tag entsteht, hatte die „Halle“ immer mit Problemen zu kämpfen. Oft hatte die Reitschule mit inneren Konflikten über das Selbstverständnis und die tägliche Praxis zu ringen. Von aussen gingen regelmässig Angriffe aus der bürgerlichen Mitte und der rechten Ecke auf die Reitschule nieder. Parallel dazu gibt es Umarmungsversuche und die Taktik der Spaltung von „kulturellen“ und „politischen“ Kräften im Hause.
Die Reitschule hat Bern geprägt. Sie ist ebenso ein kleiner Teil einer grösseren Bewegung des Widerstandes weltweit. Unter anderem durch die Reitschule wurden neue Ideen inspiriert. Sie steht heute immer noch. Auch nach 30 Jahren geht der Kampf weiter.
Heraus zur Demo „30 Jahre sind nicht genug, die Utopie ins Hier und Jetzt holen!“ am 28.10.2017, 18.00 beim Bärengraben


2. Aufruf Antifa-Block & Mobivideo (Originalquelle: https://antifaschistischedemo.noblogs.org/post/2017/10/25/antifa-block-am-28-10-um-18-uhr-beim-baerengraben/)
Antifa-Block am 28.10 um 18 Uhr beim Bärengraben

Wir rufen zu einem antifaschistischen Block an der «30 Jahre sind nicht genug, die Utopie ins Hier und Jetzt holen!“-Demonstration auf, um ein Zeichen gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus zu setzen. Da davon auszugehen ist, dass an diesem Samstag kein Grossaufgebot der Polizei bereitstehen wird, laden wir alle dazu ein nach Bern zu kommen. Helft uns unsere Inhalte sichtbar zu machen, indem ihr eigene Transparente malt, Flyer schreibt, Schilder bastelt und eurer Kreativität freien Lauf lässt. In den vergangen drei Wochen hat man versucht, antifaschistischer Protest zu kriminalisieren, einzuschüchtern und zu verhindern. Trotz dieser Repressionsversuche, sind wir nach wie vor der Meinung, dass auf die zunehmenden faschistischen, rassistischen und sexistischen Tendenzen aufmerksam gemacht werden muss und dies in einer Form, welche im öffentlichen Raum sichtbar ist.

Faschistische Kreise versuchen sich neu zu organisieren, Rassismus ist allgegenwärtig und Sexismus ein fester Bestandteil der gesellschaftlichen Norm. Die psychische und physische Gewalt gegen jene, die von den genannten Diskriminierungsmechanismen betroffen sind, wird von einem grossen Teil der Gesellschaft und in der Politik stillschweigend hingenommen. Als Antifaschist*innen finden wir es wichtig, nicht einfach wegzusehen, sondern diese Entwicklungen zu thematisieren und konsequent zu handeln. Die Durchführung einer grossen Demonstration ist für uns ein geeigneter Weg um Aufmerksamkeit zu schaffen. Sie ist jedoch nicht die einzige Möglichkeit, um aktiv zu werden. So fanden in den vergangenen Wochen fernab der Demonstrationsversuche Vernetzungen und offene Treffen statt. Im November wird eine weitere grössere Antifaschistische Kampagne mit diversen Veranstaltungen stattfinden (#antifarally).

Bei der „30 Jahre sind nicht genug, die Utopie ins Hier und Jetzt holen!“-Demonstration soll an verschiedene soziale Kämpfen in den vergangenen Jahrzehnten erinnert werden. Wir möchten mit unserem Block an 30 Jahre Kampf gegen Faschismus, Rassismus und Sexismus anknüpfen. Diese (Abwehr-)Kämpfe sind eng verbunden mit eigenen Utopien, Ideen und Inhalten. So stellen auch wir uns die Frage, in was für einer Welt wollen wir leben? Wem gehört beispielsweise die Stadt und wer darf den öffentlichen Raum beanspruchen? Wie erkämpfen wir uns antifaschistische, antirassistische und antisexistische Freiräume und wie gestalten wir diese Räume?
Was als «Antifaschistische Demonstration» begann, hat sich in den vergangenen Wochen zu einer breiteren und vertieften Auseinandersetzung mit anderen Inhalten und Aktionsformen entwickelt. Ein Ansatzpunkt auf dem wir als Bündnis aus Bern, Solothurn und Thun in Zukunft aufbauen werden.
mit antifaschistischen Grüssen


3. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/Fast-1000-Menschen-in-Bern-zur-Demo-zum-Reitschule-Jubilaum-505)
Fast 1000 Menschen in Bern zur Demo zum Reitschule-Jubiläum
Anlässlich des 30-jährigen Reitschulejubiläums zeigten wir, dass die Reitschule mehr ist als ein Kulturzentrum, ein Partyort oder ein „Schandfleck“. Die Reitschule und viele andere Squats in und ausserhalb Berns versuchen durch die Praxis der Besetzung und des autonomen Raumes Gegenpunkte zum herrschenden System zu setzen.

Wie bei den beiden verhinderten Antifaschistischen Demonstrationen haben auch wir unbewilligt zur Demo aufgerufen. Auch wenn wir heute laufen konnten, vergessen wir die mit Polizeigewalt verhinderten Antifa-Demos nicht. Dementsprechend richtete sich die heutige Stimmung ganz klar gegen die Präsenz der Polizei während der Demo.
Unser Kampf wird auf der Strasse geführt, und wer kämpfen will, bettelt nicht! Unser Kampf für mehr autonome Räume ist auch ein Kampf gegen Repression und Faschismus. Umso mehr freuen wir uns über die Beteiligung der Antifaschist*innen, welche an der Demo zugegen waren. Unsere Kämpfe bedingen einander und sind untrennbar verbunden.
Genauso freuen wir uns, eine äusserst vielseitige und durchmischte Demonstration erlebt zu haben. Insgesamt gab es sechs Redebeiträge von Menschen aus der Schweiz und Deutschland. Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senior*innen, darunter ehemalige Besetzer*innen der Reitschule 1987, waren bei der Demonstration präsent. Anliegen verschiedener Couleur zu den Themen Freiraum, Autonomie und Widerstand kamen zur Sprache.

Wir danken allen Beteiligten für dieses starke Zeichen. Wir sehen: Bern und die Reitschule können ihren revolutionären Geist leben, wenn sie nur wollen.


4. Communiqué Antifa-Block (Originalquelle: https://antifaschistischedemo.noblogs.org/post/2017/10/28/communique-antifa-block/)
Communiqué: Antifa-Block
Wir haben uns heute solidarisch in der „30 Jahre sind nicht genug, die Utopie ins Hier und Jetzt holen!“ Demo beteiligt. Rund 500 bis 600 Menschen gingen heute selbstbestimmt auf die Strasse. Unterwegs wurden antifaschistische Flyer verteilt und mit verschiedenen Plakaten auf Antifaschismus sichtbar gemacht. An der Gerechtigkeitsgasse wurde an die Proteste gegen die SVP 2007 erinnert. Im November wird die #antifarally Kampagne starten und mit vielen Veranstaltungen auf das Thema aufmerksam machen. Nachfolgend unsere Rede an der Demonstration:

Wir wollen unseren Unmut zum gesamteuropäischen Rechtsrutsch und dem Aufflammen rechtsextremer Gewalt und nationalistischer Abschottung auf die Strassen Solothurns bringen. Wir sind erschüttert, wie salonfähig Rassismus in unserer Gesellschaft geworden ist. Wir sind schockiert wie unhinterfragt Sexismus nach wie vor ein fester Bestandteil ist. Wir sind wütend, dass faschistische Strukturen immer mehr
Akzeptanz erfahren. Dagegen wollen wir ein Zeichen setzen. Gegen die faschistische und nationalistische Hetze, gegen die sexistische Systematik von Staat und Kapitalismus, gegen die Unterdrückung und Diskriminierung jeglicher Menschen.

In Bern verhinderte die Staatsgewalt mit Hilfe eines immensen Polizeiaufgebots bereits das zweite Mal eine angekündigte Demo, welche dieselben Anliegen thematisierte, wie wir das nun tun. Der Staat versucht selbstgerecht zu bestimmen wer, wo und wann demonstrieren darf und welche Protestform ihnen in den Kragen passt. Mit dieser Demonstration solidarisieren wir uns mit unseren Berner Freund*innen, da auch wir der Meinung sind, dass es für unsere Anliegen keine Bewilligung einer staatlichen Behörde braucht. Um auf die Strasse zu gehen müssen wir nicht um Erlaubnis fragen!

Den spürbar faschistischen und nationalistischen Tendenzen im gesellschaftlichen Diskurs sowie im Alltag wollen wir mit einer Vielzahl und Vielfalt von Menschen entgegnen. Viele der jüngeren Generation sind in einer toleranten Stadt aufgewachsen und konnten sich so, fernab von rassistischen Milieus, eine Meinung bilden. Dies sehen wir durch Aktivitäten rechtsextremer Strukturen wie beispielsweise der PNOS bedroht. Die rechtsextreme Partei National Orientierter Schweizer gründete in jüngster Zeit schweizweit neue Sektionen, so auch in Solothurn. Sie bedienen sich neuer Methoden und Rhetorik, um ihren Einfluss auf die Gesellschaft zu stärken. Somit kaschieren sie ihr rechtsextremes Gedankengut und vernetzen sich europaweit mit anderen faschistischen und rechtspopulistischen Strukturen (Jobbik Ungarn, Casa Pound Italien, FPÖ Österreich). In Solothurn organisierte die PNOS vergangenen Samstag einen Stammtisch, der der Rekrutierung von neuen Interessent*innen diente. Vorfälle haben sich gehäuft, in denen reaktionäre Gruppen versuchen, im Raum Solothurn politische Agitation zu betreiben und den gesellschaftlichen Rechtsrutsch durch extremistische Positionen zu beeinflussen und zu nutzen. Ein weiteres Beispiel dafür: der braun-esoterische und verschwörungsaffine Stammtisch in Solothurn und ihr (erfolgreich verhindertes) Gipfeltreffen Heimatland auf dem Allerheiligenberg. Die neopaganen Esoteriker*innen beziehen sich auf die rassistische und völkische Ideologie der Anastasia-Bewegung aus Russland.

Wir verspüren ein starkes Bedürfnis unseren Wohn- und Lebensort mitzugestalten und unsere Bedürfnisse und Ideen in einer toleranten und bunten Stadt zu leben. Ein selbstbestimmtes Leben, in dem Platz ist für Kritik am systematischen Rassismus, der die Grundlage bietet, Menschen zu spalten und von Grenzen profitiert. Eine Kritik am systembedingten Sexismus unserer patriarchalen Gesellschaft, der sich unter anderem in ungleichen Löhnen zeigt. Diese Kritik soll von Menschen sichtbar gemacht werden, die selbst von Diskriminierung betroffen sind oder im Umfeld miterleben und kann somit von keiner staatlich institutionalisierten Kampagne bedient werden. Denn für die erlebte Gewalt und den damit verbundenen Widerstand muss eine eigene Sprache gefunden und entwickelt werden, damit sich betroffene Menschen emanzipieren können. Dies ist eine Sprache der Solidarität und der Minderheiten, die nach Gerechtigkeit und Toleranz schreit und sich nicht der entmenschlichten Gesetzgebung unterwirft.

Wir wollen zusammen eine Zukunft schaffen, in der die Ungleichheit bedingt durch das System und seine Ökonomie verschwindet und neue Grundsätze, wie gegenseitige Hilfe und Solidarität, den selbstzerstörerischen Kampf um Macht und Wohlstand verdrängen. Wir wehren uns gegen die Welt der aufgeteilten Territorien umgeben von Zäunen und Stacheldraht, in der sich die am auserwählten Fleck Geborenen überlegen fühlen und ihre Existenz damit verbringen, ihre Privilegien zu verteidigen. Denn wir wollen den Alltag in Verbindungen und Freundschaften erleben und gestalten, in denen die Nationalität, Ethnie, Hautfarbe, Religion, das Geschlecht, die sexuelle Ausrichtung, das Aussehen, die kognitive und körperliche Verfassung oder die soziale Anerkennung keine Rolle spielen. Somit soll diese Demonstration unsere Mitmenschen und uns selber für extremistische aber auch systembedingte Diskriminierung sensibilisieren. Wir wollen gemeinsam Perspektiven entwickeln, die diesen entgegentreten können.
Faschismus, Rassismus und Sexismus die Zähne zeigen!


5. Medienbericht (Originalquelle: http://www.20min.ch/schweiz/bern/story/Reitschul-Demo-in-Bern-mit-Zwischenfaellen-30468964)
Reitschul-Demo in Bern mit Zwischenfällen
1000 Personen sind an der Kundgebung zum Jubiläum der Reitschule mitgelaufen. Die Polizei hat den Marsch begleitet.
Bis zu 1000 Menschen nahmen am Samstagabend an der Kundgebung zum 30-Jahr-Jubiläum des alternativen Kultur- und Begegnungszentrums Reitschule teil. Die Aktion in Bern verlief friedlich, soweit das für einen einzelnen Reporter zu beurteilen war.
Die Demo trug den Titel «30 Jahre sind nicht genug – die Utopie ins Hier und Jetzt holen». Sie sollte der Reitschule «neuen Kampfgeist einhauchen», wie ein Organisator via Lautsprecher beim Start des Marschs durch Bern sagte.

Pyrotechnika und Sachbeschädigungen
Dennoch kam es zu Zwischenfällen, wie die Kantonspolizei Bern mitteilte: «Im Verlauf der Demonstration wurden mehrfach Pyrotechnika gezündet. Zudem wurden von teilweise vermummten Personen aus dem Umzug heraus diverse Sprayereien und Sachbeschädigungen an zwei Ticketautomaten begangen. Gegen Ende des Umzugs wurden im Bereich der Neubrückstrasse zudem Polizeifahrzeuge vereinzelt mit Steinen beworfen, worauf ein Polizist kurzzeitig Reizstoff einsetzen musste.
Gemäss aktuellen Kenntnissen wurde niemand verletzt. Der Sachschaden beläuft sich ersten Schätzungen zufolge auf gegen 20’000 Franken.» Ermittlungegen seien im Gang.

«Welcome to hell»
Der Marsch führte zu «symbolträchtigen Orten der ausserparlamentarischen Bewegung». So legten die Teilnehmer etwa in der Gerechtigkeitsgasse einen Halt ein, wo Links-Alternative 2007 einen Umzug der SVP durch Bern stoppten. Dies mit einer breiten Front und einem Transparent mit der Aufschrift «Welcome to hell».
Weitere Stationen des Marschs vom Samstag durch Bern waren das Berner Rathaus, wo Stadt- und Kantonsparlament tagen, und die Grosse Schanze. Dort fand 1987 ein Teil jener kulturellen Aktivitäten statt, mit welchen Berner Künstler vor 30 Jahren zur Eröffnung der Berner Reitschule beitrugen.

Kleinere Verkehrsbehinderungen
Die Berner Kantonspolizei eskortierte – zum Missfallen der Reitschul-Sympathisanten – den Kundgebungszug und regelte den Verkehr. Insofern tolerierte sie und damit die Stadt Bern die Kundgebung, für welche die Organisatoren kein Bewilligungsgesuch eingereicht hatten.
Ein Grossaufgebot der Polizei stand aber rund um die Demonstration bereit für ein rasches Eingreifen, wie zu beobachten war. Es kam zu kleineren Verkehrsbehinderungen und zu einzelnen Sprayereien. Auch zündeten einzelne Kundgebungsteilnehmer Feuerwerk, aber keine Böller. Ein Teil der Teilnehmer war vermummt.
Der gut zweistündige Marsch begann beim Bärengraben und endete bei der Reitschule. Zu Beginn und am Schluss dürften weniger als 1000 Menschen teilgenommen haben, während des Zugs durch die Altstadt hingegen schätzungsweise 1000. Zum Marsch aufgerufen hatte ein «Kollektiv Klassentreffen Ü-30».