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Sprühaktion GentrifizierungMINUS statt WGPlus

Inhalt:
1. Communiqué


1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/GentrifizierungMINUS-statt-WGPlus-633)

In der Länggasse tut sich was. Das macht sich bemerkbar durch die sauberen Hauswände, die teuren Autos die mit 30km/h durchs Quartier kurven, die elegant und doch lässig gekleideten Menschen, die in Gruppen auf der Mittelstrasse ihr Eis von der Gelateria genüsslich verspeisen oder mit dem Ingwerer-Shot in der Hand vor dem Sattler Witze über ihre Dozent*innen reissen.

Doch dieser äussere Wandel vom ehemaligen Arbeiter*innen- und späteren Student*innenquartier hin zu einer gehobenen Wohnzone für Dozent*innen, Studis mit reichen Eltern sowie dynamischen und jungen Start-up-Stars zeigt sich auch sehr deutlich an den Mietpreisen und dem Wohnangebot im Allgemeinen. Wohnraum in der Länggasse ist eben fast nur noch für die vorher erwähnten Menschen der oberen Mittel- und der Oberschicht erschwinglich. Das Angebot richtet sich aber auch ganz gezielt an diese Schichten, was zum Beispiel durch das WGPlus-Projekt an der Mittelstrasse ersichtlich wird: Zimmer, die für 500.- aufwärts für unbestimmte aber auch sehr kurze Zeit gemietet werden können, wo die gemeinsamen Räume wie Küche und WCs geputzt werden, wo alle 14 Tage die Bettwäsche gewaschen wird. Die gesamte Einrichtung wurde von der Firma Interio extra für dieses Projekt designt, „richtig schnelles Internet“ ist auf allen Stöcken installiert. Selbst der Gartenbereich ist durchdacht eingerichtet und soll sowohl für alleiniges arbeiten aber auch für „gemütliche Grillparties“ genutzt werden können. Auch an andere „wichtige“ Aspekte des Wohnens haben die Projektleiter*innen gedacht: „Selbstverständlich ist das ganze Haus durch eine topmoderne Sicherheitsinstallation gegen die unterschiedlichsten Ereignisse gesichert.“…

Nach ihren Angaben soll WGPlus eine Alternative für teuren Wohnraum und unerschwingliche Hotelzimmer sein, das von Menschen in Anspruch genommen werden kann und soll, die viel beschäftigt sind und für kurze oder längere Zeit in Bern logieren und dabei natürlich in Zentrumsnähe und in einem hippen Quartier mit vielen Kultur- und Gastroangeboten unterkommen wollen.
Das Kund*innen-Spektrum von WGPlus ist gesittet, wohlhabend und viel beschäftig mit Arbeit. Nicht gewinnbringende Aufgaben des Lebens wie Putzen, Kochen und Waschen werden praktischerweise für ein „kleines“ Entgeld von mindestens 125.- übernommen. Zudem ist es wahrscheinlich, dass die wenigsten, die in WGPlus logieren, dies als Hauptwohnsitz nutzen, und viel eher eine praktische Alternative zum Hotel für einen Aufenthalt in Bern ist. Das geht wohl von Studier-, über Dozier- bis hin zu Geschäftsaufenthalte. Menschen, die sich also diesen Luxus neben einem Hauptwohnsitz leisten können.

Ist doch verständlich, oder?
Nein ist es nicht! Menschen, die in Bern wohnen und sich die allgemein hohen Mieten in der Länggasse oder sonstwo in Stadtnähe nicht mehr leisten können, sind gezwungen in Aussenquartiere auszuweichen. Doch auch dort wird in ein paar Jahren dasselbe Problem wieder aufkommen: Ärmere, nicht dem Bild der weissen, braven und erfolgreichen Person entsprechende Menschen werten das Stadtbild durch ihr Erscheinungsbild ab. Zudem können wir uns die Miete nur für „billige“ Wohnungen leisten, die keine durchdesignte Kücheneinrichtung mit eingebautem und energieeffizienten Steamer und Induktionskochplatten haben. Deswegen können uns die Eigentümer*innen auch weniger Geld abknöpfen.
Die WGPlus bietet keinen Wohnraum für Menschen mit Kindern, keinen Wohnraum für Leute, die gerne ihr persönlich eingerichtetes Zimmer haben, keinen Wohnraum mehr für die Menschen, die vor der Automobilfirma hier gewohnt haben, keinen Wohnraum für Menschen, die sich ihre Wohnung gerne mit ihren Freund*innen, Eltern und Kindern teilen und gestalten und vorallem keinen Wohnraum für Menschen, die ein kleines Budget haben.

Doch WGPlus zieht alle diejenigen an, die erfolgreich und normenkonform sind, die Geld haben, die keine Kinder haben, die jeden Abend im Sattler ein Bier trinken und sich von Essen aus dem Restaurant ernähren können. Die Menschen, die das Stadtbild aufwerten und weitere im Job Erfolgreiche anziehen.
WGPlus reiht sich ein in die endlose Liste von Projekten der Aufwertung in Bern und sonstwo in Städten der westlichen und kommerzialisierten Welt. Es führt dazu dass Farbe, Schmutz und andere Zeichen des (Zusammen-)Lebens verschwinden müssen, weil der Platz effizienter genutzt werden kann durch sterile und saubere Gebäude, damit die sterilen und sauberen Menschen gewinnbringender ihren Arbeiten nachgehen können und dadurch ihre sterilen und sauberen Wohnungen bezahlen.

Und was tun wir?
Tja, wir müssten umziehen, uns mit befristeten Wohnungen kurz vor der Sanierung oder Wohnungen weit weg von der Stadt, und weit weg von dem Ort, an dem wir gerne leben wollen, zufrieden geben. Wir müssten zuschauen und abschauen, versuchen mitzumachen und uns dieselben privilegierten Positionen selber erarbeiten. Wir müssten akzeptieren, wenn unsere Fähigkeiten, unser Alter, unsere Hautfarbe, unsere Namen oder unsere familiären Verhältnisse diesen wirtschaftlichen und sozialen Aufstieg nicht zulassen.
Doch was, wenn wir da nicht (mehr) mitmachen wollen und können? Was können wir tun? Wir haben dazu unsere Ideen aufgelistet, doch gibt es auch noch ganz viele andere Wege, wie wir diesen Prozess verlangsamen und unterbrechen können und dann hoffenltich auch irgendwann einmal selber bestimmen können, was wir in unserem Leben tun und was nicht, wo und wie wir wohnen wollen.

Häuser besetzten (leerstehende Gebäude, die wegen Immobilienspekulationen, Erbstreiten oder zweck Verfallens des Denkmalschutzes leerstehen. Dabei sollte beachtet werden, dass Handys nicht mitgenommen werden sollten, dass das Haus als besetzt irgendwo aussen beschriftet wird, dass wir Handschuhe tragen und uns unkenntlich für Kameras und lästige Menschen machen. Denn im Falle einer Identifizierung bei einer Räumung droht eine Anzeige wegen Hausfriedensbruch und ev. Sachbeschädigung. Passt auf euch auf!)
Uns gegen Kündigungen wehren (Kontakt mit solidarischen Gruppen unseren Quartieren aufnehmen, abklären ob der Rausschmiss „legal“ ist. Falls ihr euch das zumuten könnt, verlasst die Wohnung nicht. Nachbar*innen versuchen miteinzubeziehen z.Bsp. einen Flyer machen ist cool und wichtig – auch bei Besetzungen – schreibt euer Erlebnis auf und veröffentlicht es z.Bsp. auf der Onlineplattform barrikade.info)

Das Quartier anmalen und Botschaften hinterlassen um auf den ganzen Scheiss aufmerksam zu machen und das Quartier aktiv abzuwerten. (Auch hier: Achtung Kameras, DNA und Fingerabdrücke! Zieht Handschuhe an und entsorgt diese und die Dosen, Pinsel etc. an einem Ort, wo weder nervige Nachbar*innen, noch die noch nervigeren Menschen in Blau sie finden)
Organisieren wir uns mit unseren Nachbar*innen um handlungsfähiger zu sein bzw. zu werden.
Protestieren, ob auf der Strasse, im oder am Büro der Immobilienfirmen, gegen Vermieter*innen, gegen die Polizei, gegen eure Chef*innen. Jede Form des Widerstands ist wichtig!
Lasst uns den Reichen in unseren Quartieren oder sonstwo einen oder mehere Denkzettel verpassen!
Wir haben deswegen gestern Abend die Hauswände des WGPlus-Projekts mit Farbe und Nachrichten versehen und hoffen darauf, dass ganz viele Andere ihren Unmut auch zeigen!