2019,  Demo,  Freiraum

Solidemo Fabrikstrasse (Fabrikool)

Inhalt:
1. Aufruf
2. Communiqué
3. Bericht Anarchistische Gruppe Bern
4. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/photos/a.527339417414419/1297957063685980/?type=3&theater)
Fabrikool- Solidemo
Diesen Freitag, 17. Mai // 17:30 Uhr Besammlung Mitte Mittelstrasse, Länggasse, Bern // 18 Uhr Demostart.
Bunte Demo offen für alle, ob jung, alt oder zwischendrin!
Heute Morgen, Dienstag 14. Mai ’19, wurde das Fabrikool geräumt und mit einem 4 Meter hohen Zaun abgeriegelt. Was gestern noch ein Quartiertreffpunkt war, ist heute ein Käfig. Das Gebäude steht nun also – nach zwei Jahren mit vielen Projekten und kreativer Belebung – wieder leer, so wie die vorherigen 17 Jahre auch schon.Die Menschen wurden aus dem Fabrikool vertrieben, deshalb gehen wir zusammen am Freitag auf die Strasse, gegen diese Vertreibungspolitik, für gemeinschaftlich organisierte Freiräume und Quartiere. Wir werden uns durch die Zerstörung solcher Treffpunkte nicht vereinzeln und spalten lassen, darum ziehen wir alle zusammen – Nachbarschaft & solidarische Menschen – durch die Stadt.
Jetzt erst recht!


2. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/2281)
Heute zogen rund 400 Menschen selbstbestimmt und laut durch die Strassen von Bern. Es war ein starkes und klares Zeichen um sich gegen die Entscheidung des Kantons zu stellen und zeigt auf, dass Freiräume wie das Fabrikool notwendig sind und erkämpft werden müssen.
Während der ganzen Demonstration wurden wir mit feinstem Essen verpflegt.
Wir sind traurig und wütend, dass das Fabrikool Dienstag in aller frühe geräumt wurde.
Solidarisiert euch mit Aktionen und was euch sonst noch in den Sinn kommt. Wir kämpfen weiter, denn unsere Träume und Ideen sind nie an ein Gebäude gebunden.
AGG ihr könnt uns mal!
Hebeisen und Vatter: Ihr baut echt viel Scheisse!


3. Bericht Anarchistische Gruppe Bern (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/1299915750156778?__tn__=-R)
Heute beteiligten sich rund 400 Menschen an einer bunten Demo in Solidarität mit dem geräumten Fabrikool. Die Demo zog von der Länggasse durch die Innenstadt zur Reitschule. Danke an den anonymen Fotografen.

Hier eine Stellungnahme von Menschen aus dem Fabrikool-Kollektiv:
Das Fabrikool wurde gestern früh geräumt. Das heisst, das Gebäude wurde mit Enzian aufgebrochen, von den Behörden verbarrikadiert und vier Meter hoch eingezäunt, damit es nicht weiter belebt werden kann. Gewohnt hat dort zwar niemand – das Projekt lebt von den Menschen, die darin aktiv sind, den Ort als Treffpunkt nutzen und an unterschiedlichsten Ideen basteln. Für viele ist es aber nicht nur ein wichtiger Ort, sondern ein Zuhause. Auch neben den regelmässigen Öffnungszeiten, zum Beispiel in der Velowerkstatt Radau, in der Infothek Furia oder für veganes z‘mittag, ist immer etwas gelaufen. Oft wurde für Demos oder andere Anlässe gekocht, oft einfach nur so, aber immer für alle und immer auf Kollektenbasis, das heisst alle geben was sie können und mögen. Genauso in der Infothek, in den Werkstätten, bei Festen, Vorträgen, Bars, Konzerten: das Fabrikool richtet sich gegen Konsumzwang. Ein Raum also, in dem alle sein können, unabhängig von finanziellen Mitteln. Und damit ein Ort jenseits der kapitalistischen Leistungsgesellschaft, jenseits dessen, was die Möchtegernbesitzer Hebeisen+Vatter planen und jenseits der geplanten Stadtaufwertung und Verteuerung.
Dieser Raum wurde uns nun gewaltsam weggenommen. Das macht uns traurig. Es steckt enorm viel gemeinsame Arbeit in dem Haus, wir haben von Fenstern bis Küche alles selbst repariert, gebaut und angeschleppt. Wenn der Bund unser Haus ein „altes, verlottertes Holzgebäude“ nennt, kann damit nur der 15jährige Leerstand gemeint sein, bevor wir es uns genommen haben. Inzwischen gibt es eine grosse Sammlung von Maschinen, wie zur Holz- und Metallverarbeitung, eine Druckerei, eine teils mobile Küchenausstattung, einen selbstgebauten Pizzaofen und fast 2000 Bücher.

Diesen Raum haben uns die Befehlsempfänger des Staates zwar genommen, aber unsere Ideen kann uns niemand nehmen. Wir sind traurig, dabei zusehen zu müssen, wie unser Quartiertreffpunkt, unser Lebensraum, von Cops zerstört wird, wie sie nicht einmal davor zurückschrecken, zwei junge Menschen einzupacken und mitzunehmen, weil sie Fotos machen. Wie sie willkürlich Personen, die sich solidarisch mit dem Fabrikool zeigen, kontrollieren, festhalten, durchsuchen, belästigen. Wie der Kantonsverteter Beat Keller seinen Genuss kaum verbergen kann und das Velowerkstatt-Schild gleich eigenhändig abschraubt. Wie die Bäume und Sträucher rundherum einem vier Meter hohen Zaun weichen müssen. Wir sind traurig, dass die Kinder, die im Fabrikool einen Raum besetzt haben, von Leerstand, Betonwüsten und Konsumtempeln verdrängt werden. Dass kein Platz ist für riesige Spielplätze wie das Fabrikool einer ist, aber einer für alle, egal ob jung oder alt. Es macht uns betroffen, wenn die ganz Kleinen anfangen zu weinen angesichts der Räumung, und finden „jetzt können wir keine Feste mehr feiern im Fabrikool?“, wenn sie von klein auf mit der Gewalt des Staates konfrontiert werden.
Und all das macht uns vor allem eins: wütend.
Genauso breit wie das Gebäude belebt wurde, gestaltet sich der Widerstand. Das Bild vom militanten schwarzen Block allein auf weiter Flur, das Kanton und Bullen versuchen in den Medien von uns zu zeichnen, ist in der Realität keinen Meter haltbar. Das hat sich bei allen bisherigen Demos gezeigt und wir werden es diesen Freitag wieder zeigen, wenn wir um 18 Uhr von der Länggasse gemeinsam in Richtung Innenstadt laufen, um unsere Wut auf die Strasse zu tragen. Denn auch wenn für Neuhaus das Projekt abgeschlossen scheint, für uns ist es das noch lange nicht. Für uns ist nichts vorbei. Unser Widerstand ist nicht an das Gebäude gebunden, wir leben unseren Widerstand im Alltag. Das besondere am Fabrikool ist, alle Ideen und Methoden haben Platz – ausser es handelt sich um unterdrückende, diskriminierende Kackscheisse natürlich.
Alle können sich selbst überlegen, wie und mit welchen Mitteln sie das Fabrikool unterstützen möchten.


4. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/solidaritaetsdemo-fuer-fabrikool-verlaeuft-friedlich/story/15071008)
Solidaritätsdemo für Fabrikool verläuft friedlich
In der Berner Innenstadt demonstrierten Sympathisierende der Fabrikool-Besetzung in der Länggasse gegen deren Räumung.

Am Freitagabend zogen knapp 200 Fabrikool-Sympathisierende durch die Berner Innenstadt. Sie wehrten sich gegen die Räumung der Besetzung einer alten Schreinerei in der Länggasse. Zur Demonstration hatten die Betreiber der Reitschule aufgerufen. In einer Medienmitteilung kritisiert sie, «dass aus einem Treffpunkt für Jung und Alt ein Spekulationsobjekt gemacht und an den Meistbietenden verkauft wurde».

Start der Kundgebung war um 18 Uhr in der Länggasse, danach machte sich der Demonstrationszug auf in Richtung Innenstadt. Unter den Teilnehmern waren vornehmlich junge Erwachsene, aber auch Familien mit Kindern, wie ein Reporter vor Ort berichtete. Einige wenige Vermummte waren in der Menge auch auszumachen.

Auf dem Weg vom Bubenbergplatz bis zum Bärenplatz wurden die Tramschienen blockiert und in der Länggasse stauten sich zeitweise die Bernmobil-Busse. Begleitet wurde die Demo von einem beträchtlichen Polizeiaufgebot; die Stimmung war jedoch friedlich. Kurz nach 19 Uhr löste sich die Kundgebung vor der Reitschule auf.

«Räumung auf Vorrat»
Das Fabrikool-Kollektiv verurteilte die Räumung auf einem Flugblatt, das an der Kundgebung verteilt wurde. «Für uns ist das Projekt noch lange nicht abgeschlossen», betonten die Verfasser. «Unser Widerstand ist nicht an das Gebäude gebunden, wir leben ihn im Alltag.»

Mit Fabrikool solidarisierte sich auch die Alternative Linke. Diese monierte die «Räumung auf Vorrat» und will sich im Kantonsparlament dafür einsetzen, dass eine Räumung frühestens dann durchgeführt werden kann, wenn eine rechtskräftige Abbruch- oder Baubewilligung vorliegt.

Das Haus an der Fabrikstrasse, welche seit rund zwei Jahren durch das Kollektiv Fabrikool zwischengenutzt wurde, war am Dienstag von der Polizei geräumt worden. Dies nachdem das Kollektiv den Zwischennutzungsvertrag im April zwar gekündet hatte, das Gebäude aber nach wie vor nutzte und somit besetzte.

Der Regierungsrat Christoph Neuhaus hatte an einer Medienkonferenz am Dienstag beklagt, dass sich das «Fabrikool»-Kollektiv in den letzten Monaten von einem Verein mit klar bezeichneten Ansprechpersonen zu einer Gruppe gewandelt habe, mit der kaum noch kommuniziert werden konnte.

Bis 2021 soll auf dem Von-Roll-Areal ein Quartiertreff mit Markthalle, Restaurants und Studentenwohnungen realisiert werden.