2019,  Antifaschismus,  Antikapitalismus,  Besetzung,  Freiraum,  Gender,  Repression

Hausbesetzung & Räumung Bitziusstrasse

Inhalt:
1. Aufruf
2. Solidaritätserklärung Anarchistische Gruppe Bern
3. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: https://barrikade.info/article/2719)
Communiqué
Wir, das Kollektiv ,,Rosa Bonheur“ haben in der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober das alte Einfamilienhaus an der Bitziusstrasse 13 besetzt.
Wir, das sind Menschen, die das gängige Prinzip von Kleinfamilie und abgeschotteten Einzimmerwohnung ablehnen. Wir wollen kollektiv und solidarisch zusammen wohnen und den tausend Träumen und Ideen in unseren Köpfen Raum schaffen. Aber nicht nur unsere Vorstellungen sollen Platz haben. Alle Menschen sollen sich einbringen können.

Verdrängung und Gentrifizierung sorgen dafür, dass viele Menschen sich keine zentrumsnahe Wohnung mehr leisten können. Dies betrifft vor allem junge Menschen und Menschen in prekären Verhältnissen. Wir wollen uns nicht an den Stadtrand drängen lassen, wie ein unerwünschtes Nebenprodukt unserer Gesellschaft.
Stadtbauplanungen wie im Breitenrain oder mittlerweile auch in Ost-Bern zeigen, dass die Stadt nicht für alle Menschen baut, sondern für die, die Besitzen. Es scheint geradezu lächerlich, dass von „sozialem Bauen“ die Rede ist, wenn eine 3-Zimmer Wohnung 3 000 Franken Miete kosten soll.

Wir brauchen Platz! Aber nicht nur wir. In vielen Quartieren Berns lebt mensch nicht wirklich für sich, sonder n nur noch für die aufrechterhaltung des Sozialen Systems. Dabei geht der Weg vorbei an grauen Betonblöcken und Konsumtempeln, welche das Stadtbild prägen.
Wir wollen ein buntes Stadtbild und belebte Häuser. Wir wollen Räume der Begegnung und des Kennelernens. Antifaschistische, antikapitalistische und queer-femistische Räume in denen die Logik des Geldes keine Rolle spielt, sondern der Mensch im Zentrum steht.

Kämpfen wir gemeinsam dafür das unser Haus ab Samstag für alle offen stehen kann. Zusammen können wir unsere Utopien verwirklichen. Kommt vorbei, unser Programm findet ihr unten. Solidarisiert euch, leitet die Nachricht von uns weiter und falls das Projekt räumungsbedroht ist kommt, steht zusammen mit uns und verteidigt diesen politischen neu gewonnenen Raum.

Samstag 12.10. Gemeinsames Essen ab 17.00 Uhr
Sonntag 13.10. Garten umbauen und beleben ab 13.00 Uhr
Dienstag 15.10. Ideenwerkstatt ab 17.00 Uhr
Mittwoch 16.10. Gemütliches Beisammensein



2. Solidaritätserklärung Anarchistische Gruppe Bern (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/photos/a.527339417414419/1417581208390231/)
Solidarität und Freiraum, statt Leerstand und Repression
Wir solidarisieren uns mit den jüngsten Freiraumprojekten Zollikofen und an der Bitziusstrasse 13. Bern ist seit Jahrzehnten eine Stadt mit zahlreichen Besetzungen und Freiräumen. Wir alle, die in der Stadt aufgewachsen sind, haben wahrscheinlich einmal in unserem Leben eine politische oder kulturelle Veranstaltung in einem besetzten Haus besucht. In den letzten Jahren verschwanden viele dieser Freiräume. Dennoch versucht die Stadt immer wieder mit neuen repressiven Mitteln Projekte zu verhindern.

Die Stadt wird weiterhin aufgewertet. Haus für Haus werden wir aus den Quartieren, in denen wir leben, weg-gentrifiziert. An unserer Stelle ziehen Bonzen und Yuppies ein. Konsumtempel und Bürokomplexe werden aus dem Boden gestampft. Die bunten Wände weichen dem Grau der Antigraffiti-Farbe. Lebendige Kulturbetriebe werden mit Auflagen und Bussen zum Schweigen gebracht.

Die jüngsten Besetzungen wie an der Brunnmattstrasse 46a, die Besetzung des Punto-Areals, an der Wahlackerstrasse 5 oder aktuell an der Bitziusstrasse 13 sind nicht zufällig, sondern eine Antwort auf diese Entwicklung. Der Bedarf an neuen Freiräumen ist gross! Nach der Räumung des Fabrikools, dem baldigen Ende der Villa Wahnsinn (ehemals Familie Osterhasen) und der Ungewissheit über den Verbleib der verschiedenen Wagenplätze ist die Zahl der Freiraumprojekte überschaubar geworden. Es ist wieder an der Zeit, breit und selbstbewusst, für neue Freiräume zu kämpfen.

Nun braucht es uns alle. Möglichkeiten solidarisch zu handeln gibt es viele: Besuchen wir die neuen Besetzungen, machen wir Solidaritätsdemos, beleben wir eigene Räume, verdrängen wir die Spekulant*innen und Aufwerter*innen und stellen wir uns gemeinsam den Räumungsandrohungen entgegen.
Bitziusstrasse 13 bleibt! Effy29 lebt! Ronja raubt weiter!

3. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/gebaeude-an-der-bitziusstrasse-besetzt/story/20144411)
Das besetzte Gebäude an der Bitziusstrasse ist bereits geräumt
BernIn der Nacht auf Freitag wurde ein Einfamilienhaus im Berner Schosshaldequartier von einem Kollektiv besetzt – nun steht es schon wieder leer.

In der Nacht vom 10. auf den 11. Oktober hat das Kollektiv «Rosa Bonheur» das Haus an der Bitziusstrasse 13 in Bern besetzt. Das ist in einer Mitteilung zu lesen, die am Freitagmorgen verschickt wurde.

Vor dem Mittag bestätigte die Kantonspolizei Bern die Besetzung: Die Polizei stehe in Kontakt mit der Eigentümerschaft und prüfe das weitere Vorgehen. Das Haus ist in Privatbesitz, persönliche Gegenstände befänden sich darin. Offenbar steht es seit Jahren leer, die Villa und der dazugehörige Garten befinden sich in einem schlechten Zustand.

Einen Einsatz an der Bitziusstrasse bestätigte Polizeisprecher Dominik Jäggi dann kurz vor 16 Uhr: Aufgrund eines Strafantrages seien die Einsatzkräfte ausgerückt. Man wolle einen Augenschein vor Ort nehmen und die mögliche Täterschaft identifizieren.

Ziel des Einsatzes sei es, die Liegenschaft an die rechtmässigen Eigentümer zurückzugeben. Über die Anzahl Personen, die sich im Gebäude befinden, konnte Jäggi zunächst keine Angaben machen.

Sechs Personen angehalten
Anschliessend ging es schnell: Vor Ort trafen die Einsatzkräfte auf sechs Personen – drei Frauen und drei Männer. Man habe sich mit den Besetzern unterhalten können, ihnen wurde eine Frist gesetzt. Drei Personen verliessen das Gebäude vor Ablauf, die anderen drei wurden später ohne Widerstand abgeführt.

Die sechs Personen wurden angehalten und für weitere Abklärungen auf eine Polizeiwache gebracht. Sie haben mit einer Anzeige zu rechnen. Der Einsatz sei ruhig verlaufen, sagt Polizeisprecher Dominik Jäggi. Im Inneren des Gebäudes seien die Polizisten auf Verbarrikadierungen gestossen.

Wie es nun mit der Liegenschaft weitergeht – ob sie etwa abgesperrt wird – ist Sache der privaten Eigentümer. Ob es sich bei den Besetzern der Villa um Personen handelt, die auch an der Besetzung des ehemaligen Altersheims in Zollikofen beteiligt waren, ist nicht klar.

«An den Rand der Stadt gedrängt»
Das Kollektiv «Rosa Bonheur» setzt sich gemäss eigenen Angaben zusammen aus verschiedenen sozialen Hintergründen, Geschlechtern, Jahrgängen und politischen Ideen. «Wir haben es satt, dass bezahlbarer Wohnraum in der Stadt Bern immer seltener wird, Leerstand zum Normalzustand wird und so Menschen, die nicht in das Stadtbild passen, an den Rand der Stadt gedrängt werden», war in der Mitteilung vom Freitagmorgen zu lesen.

Den Räumen des alten Hauses an der Bitziusstrasse 13 sollte neues Leben eingehaucht werden. Dies wollte das Kollektiv eigenen Angaben zufolge mit antikapitalistischen, antifaschistischen, queerfeministischen Inhalten gestalten. Die Form des Besetzens sei dabei ein bewusster Ausdruck.

Das Kollektiv lud dazu ein, das Projekt etwa bei einem gemeinsamen Abendessen oder beim Gartenumbau zu besuchen. Es wollte ursprünglich also länger als nur einen Tag an der Bitziusstrasse bleiben.