2019,  Antifaschismus,  Antikapitalismus,  Diverse Aktionen,  Gender,  Türkei & Rojava

Störaktion Economiesuisse

Inhalt:
1. Communiqué
2. Medienbericht


1. Communiqué (Originalquelle: https://revolutionär.ch/?p=4519)
Heute Nachmittag statteten wir dem Büro der Economiesuisse in Bern einen Protestbesuch ab. Wir akzeptieren es nicht, dass die Schweiz trotz Angriffskrieg auf Rojava mit Erdogan und seinen Lakaien Handel betreiben will. Erdogan muss es international zu spüren bekommen, dass sein Angriffskrieg und sein faschistisches Handeln nicht toleriert werden. Ein klares Zeichen muss gesetzt werden, ein kleiner Anfang könnte ein Stopp der wirtschaftlichen Beziehungen mit der Türkei sein.

Economiesuisse – Handlanger in Erdogans Krieg!
Am 9. Oktober war es soweit: Das lang befürchtete Szenario eines amerikanischen Truppenabzugs aus Nordsyrien ist eingetroffen. Nach der
bereits erfolgreichen Besatzung des Kantons Afrin nutzte der faschistische türkische Präsident Recep T. Erdogan die Gunst der Stunde und griff zusammen mit verschiedenen dschihadistischen Milizen der FSA (Al Nusra Front usw.) die autonomen Regionen in Nordsyrien, besser bekannt als Rojava, an. Die unter fadenscheinigen Argumenten und mit dem zynischen Namen «Operation Peace Spring» (Frühling des Friedens) durchgeführten Angriffe haben bereits hunderte tote Zivilist*Innen gefordert und hunderttausende Menschen in die Flucht getrieben, viele von ihnen nicht zum ersten Mal. Die Angst ist gross, dass es zu einem regelrechten Genozid an der Bevölkerung Rojavas kommen wird. Denn die Lebensweise und die dort geschaffenen politischen Strukturen, welche ein Vorbild für die ganze Welt darstellen, sind dem möchtegern Sultan ein Dorn im Auge.

Von internationaler Seite kommt, trotz völkerrechtswidrigem Vorgehen, wenig bis gar keine Hilfe für die Kurd*Innen und ihre Verbündeten, darunter assyrische Christ*innen und lokale arabische Stämme. Es gab zwar einige Protestnoten, einige Länder stellten vorübergehend ihre Rüstungsexporte in die Türkei ein, doch wichtige Schritte auch im wirtschaftlichen Bereich fehlen.

Die offizielle Schweiz verurteilte den Angriff, doch auch unsere Regierung zeigt nicht viel Willen, die Türkei ernsthaft für den Krieg zu kritisieren.
Denn wenn es um wirtschaftliche Profite geht, spielt so ein Krieg schnell keine Rolle mehr. Das Seco (Staatssekretariat für Wirtschaft) beschreibt die Türkei auf seiner Website als «wertvoller Türöffner in den nahen Osten und nach Afrika für Schweizer KMU». Und auch die direkten Wirtschaftsbeziehungen florieren. Die Schweiz-Türkische Handelskammer, zu der unter anderem Lindt & Sprüngli und die Zürcher Kantonalbank gehören, organisierte im September die Swiss Days in Istanbul und das Schweiz-Türkische Wirtschaftsforum. Wenn es um wirtschaftliche Zusammenarbeit und Handel geht, ist auch Economiesuisse nie weit. Der grösste Schweizer Wirtschaftsverband mit mehr als 100’000 Unternehmen plädiert auf eine schnelle Ratifizierung des neu ausgehandelten Freihandels

abkommen zwischen der Schweiz und der Türkei. Dass sich die Türkei unter Erdogan in einen repressiven Polizeistaat verwandelte und nun illegale Angriffskriege führt, spielt bei Wirtschaftsfragen keine Rolle. Schliesslich beträgt der jährliche Warenaustausch zwischen den beiden Ländern mehr als 5 Milliarden Dollar und soll in Zukunft noch weiter
ausgebaut werden. Economiesuisse will Schweizer Unternehmen den Zugriff auf den türkischen Markt erleichtern. Denn dort winken, dank bester Ausbeutungsbedingungen (Gewerkschaftsverbot, Billigstarbeiter*innen, Repression), fette Profite. Aus diesem Grund will Economiesuisse das neue Freihandelsabkommen so schnell wie möglich absegnen lassen. Dies akzeptieren wir nicht!

Wir dürfen diesem wirtschaftlichen Treiben, welches eine autoritäre Politik und einen drohenden Genozid nicht nur unterstützt, sondern direkt mit Investitionen und Rüstungsverkäufen direkt fördert nicht mehr länger
zuschauen. Denn die hiesigen Unternehmen wissen ganz genau, dass sie mit ihren Geschäften Menschen vertreiben und töten. Mit Krieg macht man eben gute Profite.
Wir akzeptieren diese Logik des Kapitals nicht! Kein Profit der Welt rechtfertigt das töten von Menschen! Der Krieg gegen Rojava muss gestoppt werden!

Unsere Solidarität mit Rojava ist grenzenlos. Ihr Kampf ist ein globaler Kampf gegen Faschismus, Kapitalismus und Patriarchat. Deshalb ist es wichtig, dass wir den Kampf unserer Kurdischen Genoss*Innen auch in
der Schweiz führen und die Profiteur*Innen von Krieg und Verderben hier angreifen.
Türkische Armee raus aus Rojava!
Kein Handel mit dem Diktator Erdogan!

Folgende Rede wurde dabei gehalten:
Liebe schweizer Freundinnen und Freunde
Im Namen der Republik Tükei, im Namen des türkischen Volkes, und vor allem im Namen des türkischen Kapitals, möchte ich Ihnen meine volle Dankbarkeit ausrichten.

Eine ausgezeichnete Zusammenarbeit zwischen der Schweiz und der Türkei erleichtert uns Türken vieles. Dank dem Einsatz von Economiesuisse können Handelsschranken abgebaut und Mauern gegen Kriegsflüchtlinge hochgezogen werden. Dank euren Banken kann die grossartige Türkei die jahrtausende alte, antike Stadt Hasankeyf fluten und eine riesige, gigantische Staumauer bauen, mit denen wir dann Irak und Syrien erpressen können. Das ist so grossartig!
Die Türkei ist so dankbar für schweizer Kapital. Investieren schweizer Unternehmen in das schönste Land der Welt – so kriegen sie im Gegenzug beste Ausbeutungsbedingungen. Ich persönlich – Reccep Tayip Erdogan – sorge dafür, dass Gewerkschafter*innen ins Gefängnis kommen!

Und last but not least: Dank eurem Kapital, dank schweizer Investment – kann ich die Kurd*innen endgültig auslöschen. Mit der Schweiz im Rücken (und besten Ausreden dank Economiesuisse) kann uns kein anderes Land den Prozess machen! Danke Türkei, danke Schweiz.
Wenn ich nordsyrien endgültig plattgemacht habe, und all meine jihadistischen Freunde dort unterbringe, dann gibt es fette Aufträge für die kleine Schweiz. Vom krieg profitiert auch ihr, vom Krieg profitiert auch die schweizer Wirtschaft!

Danke für die Zusammenarbeit!
Die Republik Türkei ist das Grösste, seid glücklich, uns auf eurer Seite zu schätzen!

Thank you so much for your cooperation, we look forward to doing business with you. Because together, we can put profits over people! Thank you.
#Riseup4Rojava

2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.blick.ch/news/wirtschaft/protest-gegen-freihandel-kurden-aktivisten-stuermen-bueros-von-economiesuisse-id15583060.html)
Kurden-Aktivisten stürmen Büros von Economiesuisse
Prokurdische Aktivisten haben die Büros von Economiesuisse in Bern gestürmt. Die Aktion hat ein rechtliches Nachspiel. Der Wirtschaftsdachverband hat Anzeige eingereicht.

Sie tragen Erdogan-Masken und steigen das Treppenhaus hoch. Mindestens zu siebt sind die Aktivisten. Unter falschem Vorwand haben sie sich Zugang zu den Büros von Economiesuisse verschafft. Kaum sind sie im Konferenzzimmer, halten sie eine Rede, nehmen Bilder von der Wand und hängen ein Diplom auf, das dem Verband die «beste Zusammenarbeit mit Diktaturen und Terrorregimen» attestiert. «Kategorie: Türkei».

So passiert am Mittwoch dieser Woche. Economiesuisse-Sprecher Michael Wiesner bestätigt den Zwischenfall. Er verurteilt die Aktion scharf und bestätigt dem BLICK: «Wir haben Anzeige erstattet wegen Hausfriedensbruch und Drohung.» Ein Sprecher der Berner Polizei bestätigt den Eingang der Strafanzeige.

Kritik am Freihandelsabkommen
Hinter den Erdogan-Masken stecken Mitglieder der linksradikalen Gruppierung Revolutionäre Jugend Bern. Sie haben ein Video der Aktion im Internet veröffentlicht. Die Aktivisten kritisieren, dass Economiesuisse sich für ein Freihandelsabkommen mit der Türkei eingesetzt hat.

Das Parlament hat das Abkommen im Juni genehmigt. Mit klarer Mehrheit. Wegen der jüngsten Militäraktion der Türkei in Syrien ist der Vertrag aber umstritten. Linke Politiker haben den Bundesrat aufgefordert, die Ratifizierung des Abkommens zu sistieren. Ein Entscheid in dieser delikaten Angelegenheit ist noch nicht gefallen.
Krawallaktionen nehmen zu

Die Revolutionäre Jugend Bern steht der Antifa-Bewegung nahe. Sie ist anarchistisch ausgerichtet und hat in der Vergangenheit wiederholt mit Demonstrationen und Krawallen auf sich aufmerksam gemacht. Sie haben vor einigen Tagen ein Treffen des Vereins zur Förderung von wirtschaftlichen Beziehungen zwischen der Schweiz und der Türkei sabotiert.
In einer anderen Protestaktion haben sie Werbebanner des Rüstungskonzerns Ruag entwendet und angezündet. Und eine Kunstblut-Attacke gegen den Finanzchef der Credit Suisse Schweiz von dieser Woche legitimieren die Aktivisten mit den Worten: «Gute Action in Lausanne».

Demo eskaliert in Bern
Die Zwischenfälle häufen sich. Unlängst eskalierte in Bern auch eine bewilligte Demo. Kurdinnen und Kurden protestierten vor zwei Wochen gegen den Syrienfeldzug der Türkei.
Die Demo startete zunächst friedlich beim Bahnhof. Bei der türkischen Botschaft flogen dann Steine und später auch andere Gegenstände wie Sperrgitter oder Holzbretter gegen Einsatzkräfte der Polizei.