2020,  Antirassismus,  Asyl/Migration,  Demo,  Diverse Aktionen,  Gender,  Repression

Queerfeministischer Postenlauf

Inhalt:
1. Aufruf
2. Meldung Polizeikessel
3. Rückblick


1. Aufruf (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3205)
Wir wollen am 7.3.20 für den Tag der FLINT-Personen (Frauen, Lesben, inter-, non binären- und trans Menschen) in der Stadt Bern durch queerfeministische Aktionen Sexismus, Rassismus und die patriarchale und unterdrückende Struktur bekämpfen!

Deshalb wollen wir gemeinsam an diesem Tag an die Vergangenheit erinnern aber auch zeigen, dass wir immer weiterkämpfen und nicht aufgeben werden.
Es ist uns wichtig, auch ein Zeichen der Solidarität mit internationalen feministischen Kämpfen zu setzen.

Mensch kann gerne Freund*innen mitnehmen wie auch eigene Ideen umsetzen (Glitzer, Fahnen, Farbe, …)
Lasst uns laut, stark und kreativ sein.
*Ein cis Mann ist eine Person, die bei der Geburt dem männichen Geschlecht zugewiesen wurde und sich als Mann identifiziert.


2. Meldung Polizeikessel (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/photos/a.527339417414419/1563780003770350/)
Update 23.16: Kessel wurde aufgelöst.
23.06: Die revolutionäre FLINT Demo in Bern wurde beim Sternengässchen eingekesselt. Alle solidarischen FLINT Menschen hin da.


3. Rückblick (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3268)
Dieser Text beschreibt den queerfeministischen Postenlauf in Bern aus Sicht von einigen Teilnehmenden. Heute, am 7. März, haben wir im Rahmen des queerfeministischen Aktionswochenendes und des jährlichen Kampftages gegen das Patriarchat, dem 8. März, diverse Aktionen in der Stadt Bern durchgeführt. Der Postenlauf war offen für alle ausser cis-Männer*. [1]-Kampftag und haben allgemein Mühe mit der Aufzählung von Kategorien, da es dabei immer Menschen geben wird, die sich nicht miteinbezogen fühlen.]]

Wir waren um die 30 Personen, vor allem junge und weisse Menschen. An diesem Tag fiel uns einmal mehr auf, wie wichtig es ist, dass wir uns auch mit unseren weissen Privilegien auseinandersetzen und unser Verhalten verändern müssen. Wir haben gemerkt, dass wir bei der Mobilisierung hauptsächlich weisse Personen angesprochen haben. Feminismus ohne Intersektionalität, ohne das Reflektieren und Miteinbeziehen von allen Privilegien und Kämpfen, bleibt nur weisse Vorherrschaft. Um in den Kämpfen gemeinsam weiter zu kommen, ist es wichtig, dass wir lernen, einander zuzuhören, aufeinander aufzupassen und uns den benötigten Raum zu lassen. Deshalb setzen wir uns kritisch mit dem Thema Rassismus in der Linken auseinander und wollen auch unsere Verhaltensweisen reflektieren und verändern. Dabei sind wir für Kritik und Gedankenanstösse offen, dies kann an smash-patriarchy@immerda.ch geschickt werden.

Nachmittags waren wir in kleinen Gruppen unterwegs und konnten so einige unserer Inhalte, welche sich gegen das patriarchale System richten, im öffentlichen Raum sichtbar machen. Nach all den vielen tollen und lustigen Aktionen gab es vor dem Essen die Möglichkeit, sich in einem Dojo auf den eigenen Körper einzulassen, sich auszutoben und zu tanzen. Dieser Workshop wurde angeleitet und basierte auf „Queer-Cardio“ [2]. Am Abend assen wir gemeinsam im Ringgenpärkli, gekocht wurde super lecker von solidarischen Menschen.

Wie wir vernommen haben, gab es später am Abend, auch im Zusammenhang mit dem 8. März, einen tanzenden Umzug durch die Stadt. Dieser nahm sich den öffentlichen Raum und zog unter anderem durch die Aarbergergasse, in der es immer wieder, gerade im Ausgang, zu sexualisierter Gewalt kommt. Um circa 22:30 wurde dieser Tanzumzug, bestehend aus noch etwa 20 Personen, von 20-30 gewalttätigen Polizisten ohne Ankündigung angegriffen. Die Polizei wollte ihre Macht demonstrieren, wurde jedoch von den anwesenden Personen daran gehindert, was zu noch mehr Gewalt bei der Polizei führte. Mit viel Zwang wurden Personenkontrollen durchgeführt und es wurde mit Festnahmen gedroht. Dieser brutale Angriff machte einmal mehr das Patriarchat und seine Gewalt sichtbar. Weltweit wurden Demonstrationen und Aktionen zum 8. März von der staatlichen Repression angegriffen, Menschen wurden verletzt, festgenommen und erlebten Gewalt. Wir möchten allen Betroffenen, in Bern und weltweit, viel Kraft wünschen und möchten uns im Umgang mit der erfahrenen Repression gegenseitig unterstützen.

Hier nun eine Auflistung einiger unserer heutigen Aktionen:
Wegweiser durch die Stadt:
-Spielzeuge
Beim Spielzeugladen «Franz-Karl-Weber» hingen wir einen Wegweiser mit einer Infotafel auf. Kurzer Ausschnitt davon:
«Mit Spielzeugen wird den Kindern bereits von klein auf vorgegeben, welche Rolle sie in der Gesellschaft übernehmen sollen und welche nicht. Denn es gibt nicht einfach Spielzeuge. Es gibt Mädchen-Spielzeuge und Jungen-Spielzeuge. Spielzeuge beeinflussen Kinder und sie lernen dabei Sachen. Und die Dinge die sie können, werden sie später wahrscheinlich auch lieber machen. Viele Mädchen werden später immer noch lieber zu Kindern schauen und kochen und viele Jungen werden später immer noch lieber kämpfen und Sachen bauen, halt weil sie das in ihrer Kindheit so gelernt haben. Und so hilft Spielzeug mit, den Nährboden für die Geschlechterungleichheit zu schaffen, die bis heute besteht.»

-Standesamt
Auch beim Standesamt hingen wir einen Wegweiser auf; auch hier ein kleiner Ausschnitt:
«Wer mit wem zusammenlebt, ob kurz oder lang, ob zu zweit oder zu fünft, geht niemanden etwas an, schon gar nicht den Staat. Es braucht keine Kontrolle unserer Beziehungen, es braucht keine Verträge vor dem Staat, es braucht keine Ehe, es braucht gar keinen Staat. Beziehungen können verschiedenste Formen annehmen und sollten wild und lebendig geformt werden können, alle Menschen sollten die Möglichkeit haben selber herauszufinden wie sie ihre Freundschaften, Liebschaften und Familien gestalten wollen.»

-Migrationsregime
Einen Wegweiser zeigte auf das Bundesamt für Migration; kleiner Ausschnitt:
«Die meisten Asylsuchenden müssen über mehrere Jahre in einem Asylcamp leben, in welchem es null Privatsphäre gibt. Gerade für Frauen*, die sexuelle Gewalt erlebt haben, ist es ein erneuter Akt der Gewalt, wenn es im Asylcamp keine Räume ohne Männer gibt, wenn sie kein eigenes Zimmer haben, das sie abschliessen können und wenn die Toiletten und Duschen mit Männern geteilt werden. Viele Frauen* gehen deshalb zum Beispiel nachts nie alleine auf die Toilette. Die sexuelle Gewalt in Asylcamps bleibt oft unentdeckt, da es keine Vertrauenspersonen gibt, denen sich die Betroffenen sexueller Gewalt anvertrauen können. Anwesende Personen in den Camps sind meist nur Securitas oder Angestellte der Migrationsbehörden, die ihnen sowieso von Anfang an nicht geglaubt haben. Wenn sexuelle Gewalt doch gemeldet wird, gibt es zwei Standardantworten: „Das stimmt nicht“ oder „Du kannst ja auch wieder gehen wenn es dir hier nicht passt“.»

-Schönheitsindustrie & -normen
Zu diesem Thema gab es mehrere Aktionsformen, unter anderem Flashmobs vor Kosmetikgeschäften, diverse Kleber, einen Wegweiser vor dem Mrs. Sporty-Fitnessstudio und Flyer.

Seit 1921 wird am 8. März international für die Gleichberechtigung der Geschlechter und gegen das Patriarchat gekämpft. Doch der Tag wurde von der Schönheitsindustrie entpolitisiert und vermarktet. Seither bieten Geschäfte rund um den 8. März Beauty-Produkte im Rabatt oder laden zu Wellness-Tagen ein. Die Unternehmen die uns Beautyprodukte verkaufen wollen, profitieren davon, wenn wir uns nicht schön fühlen. Medien und kapitalistische Unternehmen zeigen bestimmte Körper: dünne, weisse, haarlose, faltenfreie, immerjunge, frischfrohe Gesichter, neben dem Slogan «Be Yourself». Doch nur sehr wenige Körper entsprechen dem Bild, das uns gezeigt wird. Körper, die in dieses Ideal nicht hineinpassen, werden abgewertet und zensiert. Das führt dazu, dass sich Menschen hässlich und unwohl fühlen.

-Tabuisierung von Menstruation und der Vulva
Auch zu diesem Thema gab es verschiedene Aktionsformen, die die Tabuisierung der Geschlechtsorgane anprangern. Schon im Kindesalter wird nicht von der Vulva oder dem Penis als etwas „Normales“ gesprochen, sondern eher als etwas Ekliges und „Unnatürliches“ über das nicht gesprochen werden sollte.

Zudem gab es ein Transparent, auf dem eine beschriftete Vulva abgebildet war. Dieses wurde bei einem Brunnen aufgehängt und Randensaft lief symbolisch über die Figur in den Brunnen. Damit sollte auf die Tabuisierung der Menstruation aufmerksam gemacht werden.An verschiedensten Standorten wurden eingefärbte Tampon-Girlanden aufgehängt. Damit wurde sichtbar gemacht, dass Tampons zum Alltag gehören, diese massiv überteuert verkauft werden und meist parfümisiert und dadurch für die Flora in der Vagina schädlich sind.

Der 8. März ist nur ein Tag von vielen, an denen gegen das Patriarchat, gegen den Staat und seine Gewalt und gegen alle möglichen Formen der Ausbeutung und Diskriminierung gekämpfet wird. Zu diesen Kämpfen gehören alle möglichen Bereiche des Lebens und des Alltages, Aktionen auf der Strasse, Care-Arbeit, kritische Reflektionen, gegenseitige Unterstützung, direkte Aktionen, gemeinsame Bildung und vieles mehr. Unsere Solidarität geht an alle Hinterbliebenen und Überlebenden von den Morden in Hanau. Unsere Solidarität geht auch an all die Menschen welche die Festung Europa Stück für Stück einreissen und durch diese aufs heftigste angegriffen werden.

[1] Wir nennen diesen Tag bewusst nicht Frauen*[[Sternchen= Wir nutzen das Sternchen, um aufzuzeigen, dass Geschlechter konstruierte Kategorien sind

[2] embodied unionized empowerment&queer cardio,nach praktiken von black joy und virginia grise