2020,  Antirassismus,  Demo,  Gender,  Repression

Demonstration Gegen Mythos Schweiz

Inhalt:
1. Aufruf
2. Aufruf Hexen
3. Communiqué
4. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3702)
Auf der ganzen Welt gehen verschiedenste Bewegungen auf die Strasse, um mit der Geschichte von Jahrhunderten der andauernden Unterdrückung abzurechnen. Der 1. August stellt den Feiertag der Schweizer Nation und dessen Geschichte dar. Ein Tag, der vom Staat willkürlich ausgewählt wurde, um den Gründungsmythos durch den sogenannten Rütlischwur zu erschaffen. Eine Geschichte, die für Gewalt, Ausbeutung und Unterdrückung steht. Deswegen auf zur Demo gegen den Mythos Schweiz.

Sklaverei
Obwohl die Schweiz nie eine Kolonialmacht war, so hat sie dennoch bedeutend von der Sklaverei profitiert. Verschiedene Handelshäuser beteiligten sich direkt oder indirekt bei der Sklaverei oder bei der Plünderung von Rohstoffen (z.B. Kaffee oder Baumwolle). Auch gab es zahlreiche Schweizer Söldner, welche in kolonialen Eroberungszügen mitkämpften. Nebst der wirtschaftlichen Ausbeutung beteiligten sich verschiedene Schweizer Institutionen (z.B. Universitäten) und Einzelpersonen an der Erarbeitung von Rassentheorien, welche die ideologische Grundlage der Sklaverei darstellte. So ist bis heute der Agassiz Horn in den Berner Alpen nach Louis Agassiz, einem Rassentheoretiker, benannt. Bis in die 60er Jahre gab es in der Schweiz noch sogenannte Völkerschauen, bei der «fremde und exotische Völker» in Zoos und im Zirkus ausgestellt wurden.

Antisemitismus
Durch zahlreiche Sondergesetze wurden Jüd*innen über Jahrhunderte unterdrückt. So war es beispielsweise verboten zu arbeiten, die Religion offen auszuüben oder sich an bestimmten Orten aufzuhalten. Häufig wurde Jüd*innen vorgeworfen die Brunnen zu vergiften oder die Pest zu verbreiten, was regelmässig in Folter und Mord endete. Als die ersten Rassentheorien entwickelt wurden, wurden auch Jüd*innen als minderwertig eingeordnet. Während den beiden Weltkriegen war der Antisemitismus auch in der Schweiz weitverbreitet. So galten für Jüd*innen in dieser Zeit härtere Bedingungen zur Einwanderung, Niederlassung und Einbürgerung. Der staatliche Höhepunkt war das Abkommen der Schweiz 1938 zur Kennzeichnung der Pässe jüdischer Personen mit Nazideutschland und Österreich. «Flüchtlinge aus Rassengründen» wurden fortan an der Grenze abgewiesen, was den Tod zehntausender Jüd*innen in den Konzentrationslagern bedeutete.

Antiziganisimus/Verdingung
Arme, Kranke, Arbeitslose oder Menschen, welche nicht der Norm entsprachen, wurden von der Gesellschaft oftmals geächtet. Der Staat sah sich in der Rolle den Lebensstill dieser Leute einzudämmen. So wurden die Kinder fremdplatziert und unter «normalen» Bedingungen neu erzogen. Die sogenannte Verdingung hatte zur Folge, dass hunderttausende Kinder staatlich fremdplatziert wurden. Besonders hart betroffen waren Kinder von Fahrenden wie beispielsweise den Jenischen. Die Verdingkinder wurden als billige Arbeitskraft ausgebeutet. Der Alltag war geprägt von Prügel und Bestrafungen bis hin zu Folter, Vergewaltigung und Mord. Auch die Rassentheorie hatte Einfluss auf die Verdingung der Kinder und es kam zu Zwangssterilisationen, um die Ausbreitung negativer Gene zu unterbinden.

Patriarchat
Bei den sogenannten Hexenprozessen wurden vor allem Frauen bezichtigt Hexen zu sein. Diese wurden unter Folter zu Geständnissen für Naturkatastrophen, einer schlechten Ernte oder Krankheiten verantwortlich gemacht. Auf dem Gebiet der Schweiz gab es auffallend viele Hexenprozesse. Auch eine, der letzten Hexenprozesse in Europa fand ganz legal in der Schweiz statt. Ob beim Wahlrecht, der Lohngleichheit, der Legalisierung von Verhütungsmittel, Abtreibungsrechten oder Benennung häuslicher Gewalt – die patriarchale Verankerung im Staat sass in der Schweiz stets besonders tief.
Diese Liste lässt sich noch ins Unendliche fortführen.

Die Geschichte der Schweiz ist geprägt von Spaltung, Unterdrückung und Gewalt. Deswegen haben wir am 1. August nichts zu feiern. Den Staaten dienen nicht uns und unseren Bedürfnissen, sondern denken in Konstrukten von Macht und Konkurrenz. Wir aber wollen eine solidarische und herrschaftsfreie Welt. Deswegen auf zur Demo: 16.00 Uhr, Bahnhofplatz Bern


2. Aufruf Hexen (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3739)
Der europäischen Hexenverfolgung fielen überwiegend Frauen zum Opfer. Die Schweiz spielte dabei eine massgebende Rolle. Sie war eines der Länder, in der die Hexenverfolgung ihren Ursprung hatte. Vielen Frauen wurde den Prozess gemacht, welcher mit ihrer Hinrichtung endete.

Heute wird in der Schweiz vielerorts die Walpurgisnacht gefeiert. Sie war traditionell gesehen ein Fest, an dem die Hexen sich treffen und feiern. Diese Vorstellung ist inspiriert von dem Hexensabbat, welcher aus den dämonologischen Schriften der Frühen Neuzeit hervorkommt. Diese frauenfeindlichen Schriften haben unterandrem dazu beigetragen, dass während dem Hexenwahn besonders Frauen den Hexenprozessen zum Opfer fielen. Auch in Aeschi feiern jährlich tausende die Walpurgisnacht, unter dem Namen Burghofnacht. Bei dem Fest geht es ausschliesslich darum zu feiern und zu saufen. Doch an der Verfolgung, Folter und Ermordung von tausender Frauen, gibt es nichts zu feiern. Deshalb sind wir nach Aeschi gefahren, um ein Zeichen gegen solche Saufgelage im Namen der Walpurgisnacht zu setzen.

Die Hexenverfolgung ist fester Bestandteil der Schweizergeschichte und nichts worauf wir stolz sein dürfen! Die patriarchale Gewalt ist bis heute in der Schweiz tief verankert. Wir müssen gemeinsam dagegen ankämpfen. Smash Patriarchy !!!

Deshalb auf zur Demo am 1. August, 16.00 Uhr Bahnhofsplatz.
Kommt, wenn ihr wollt, als Hexen verkleidet und tragt bitte Masken.
Smash States and Nations.


3. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3749)
Communiqué 1. August smash states and nations Demo:
Am 1. August gingen ca. 300 Menschen gegen den Mythos Schweiz auf die Strasse in Bern. Unsere Kritik richtete sich gegen vier Hauptthemen der Schweizer Geschichte. Den Kolonialismus, die Verdingung, den Antisemitismus und das Patriarchat. Dies sind aber nur wenige von vielen Gründen warum die Schweiz als solches nicht gefeiert werden sollte. Am Ende setzte die Polizei wegen etwas Farbe beim Amtshaus Gummischrot gegen die Demonstration ein und gefährdete somit mutwillig Menschen. Auch sonst positionierte sich die Polizei heute während der ganzen Demo vor symbolischen Gebäude und zeigte somit, dass sie die Geschichte der Unterdrückung verteidigen und dahinter stehen.

Aufgrund der Hitze und der kurzen Mobilisierungszeit, konnten wir heute leider nicht alle Menschen ansprechen, die wir in unserem Aufruf erwähnt hatten. Viele der Inhalte konnten wir an der Demo nicht wie gewünscht rüberbringen z.B. durch kreative Parolen oder Reden. Dennoch war es heute ein notwendige Demo, welche durch die Solidarität der Anwesenden ein notwendiges Zeichen in Zeiten der Corona Krise setzen konnte.
Trotz Corona waren wir heute nicht wenige und setzten mit einer kämpferischen Demonstration ein Zeichen gegen die Geschichte der Schweiz. Mit dieser Demo wollten wir aufzeigen wieso Staaten nicht zu feiern sind. Sie fördern und unterstützen Unterdrückungsformen, um sie zur eigenen Existenz zu nutzen. Die Gesellschaft wird durch den Kapitalismus und dem Staat so geformt, dass sie nicht solidarisch funktionieren kann, sondern nur dem Profit dient. Jene, welche nicht der Ausbeutung dienen, fallen durch das Raster des Systems. Diese Menschenfeindlichkeit geschieht tagtäglich auf der ganzen Welt. Deswegen unterstützen wir das System der Staaten nicht, sondern bekämpfen es. Covid 19 zeigt uns, dass das System zerbrechlich ist und es nicht dazu da ist uns zu unterstützen. Die Gesundheit von Millionen Menschen konnte und kann nicht gewährleistet werden und viele Firmen haben Massenentlassungen vorgenommen – viele weitere werden Folgen, um das System zu retten. Ländern, in denen durch Ausbeutung des Westens die Gesundheitssysteme noch schlechter funktionieren, sind noch schlimmer dran.

Weltweit zeigt sich, dass das Konzept der Staaten nur durch das Leid Vieler am Leben hält. Proteste gegen die staatliche Autorität haben in den letzten Monaten weltweit zugenommen, doch anstatt die Proteste ernst zu nehmen, versuchen die Regierungen die Protestierenden gewaltvoll zum Schweigen zu bringen. Wir solidarisieren uns mit all diesen Protestenund setzten heute auch in der Schweiz ein Zeichen gegen die Unterdrückungs- und Ausbeutungspolitik durch Kapitalismus, Rassismus, Sexismus und viele weitere Ismen.


4. Medienbericht (Originalquelle: https://www.aargauerzeitung.ch/schweiz/polizei-setzt-gummischrot-bei-unbewilligter-demo-gegen-mythos-schweiz-in-bern-ein-138634869)
Am Nationalfeiertag stand die Kantonspolizei Bern in der Berner Innenstadt wegen einer unbewilligten Kundgebung im Einsatz. Nachdem Vermummte ein Gebäude mit Farbe bewarfen, setzte die Polizei Gummischrot ein.
(dpo) Am Samstag, 1. August, haben sich gegen 16 Uhr beim Bahnhof Bern teilweise vermummte Personen zu einer unbewilligten Kundgebung versammelt, wie die Kantonspolizei Bern am Sonntag mitteilt. Zuvor haben linke Kreise unter dem Motto «smash states and nations», zu Deutsch etwa «zerschlägt Staaten und Nationen», zur Demonstration «gegen den Mythos Schweiz» aufgerufen, wie einem Communiqué auf der Online-Plattform Barrikade.info zu entnehmen ist.

In der Folge zogen die Demonstrierenden gemäss der Kantonspolizei quer durch die Berner Innenstadt und zündeten mehrfach Feuerwerkskörper. Zudem sei es zwischenzeitig zu Verkehrsbehinderungen gekommen.

Auf Höhe Kleeplatz lösten sich mehrere Vermummte aus dem Umzug heraus und warfen mit Farbe gefüllte Gläser gegen das Amthaus. Die Polizisten setzten laut eigenen Angaben kurzzeitig Gummischrot ein, um weitere Sachbeschädigungen zu verhindern und die Personen zurückzudrängen. Nach aktuellem Kenntnisstand sei niemand verletzt worden, so die Kantonspolizei weiter. Die Vermummten kehrten daraufhin in den Umzug zurück, welcher sich schliesslich gegen 17.30 Uhr in die Reitschule begab.