Demonstration Stopp Isolation
Inhalt:
1. Aufruf
2. Communiqué
3. Bericht Anarchistische Gruppe Bern
4. Communiqué Linke PoC
5. Stimmen Teilnehmer*innen
6. Medienbericht
7. Polizeigewalt & Einschränkung Pressefreiheit
1. Aufruf (Originalquelle: https://www.facebook.com/StoppIsolation/photos/pcb.136179684865601/136162831533953/)
2. Communiqué (Originalquelle: https://migrant-solidarity-network.ch/2020/09/23/demonstration-fuer-eine-lebensperspektive-trifft-auf-polizeigewalt/)
Gestern haben mehrere hundert Geflüchtete aus der ganzen Schweiz gesagt: Genug ist genug! Jetzt nehmen wir uns die Strasse. Die geflüchteten Aktivist*innen haben sich selbstbestimmt in Bern zu einer Demonstration versammelt. Der Staat hatte darauf nur eine Antwort: Repression und brutale Polizeigewalt, die Verletzte forderte. Die Innenstadt und der Zugang zum Bundesplatz wurden abgesperrt, damit die geflüchteten Frauen, Männer und Kinder ihre Anliegen nicht auf dem Bundesplatz vor dem tagenden schweizer Parlament vorbringen konnten. Dort, wo die rassistischen Gesetze beschlossen worden sind.
Gestern war die Gewalt für alle auf der Strasse sichtbar. Die Menschen in den Asyllagern erfahren das gewalttätige rassistische System Tag für Tag am eigenen Leib: Sie sind isoliert in abgelegenen Camps, dürfen nicht arbeiten, werden medizinisch ungenügend versorgt. Jede Lebensperspektive wird ihnen verwehrt. Sie werden ständig kontrolliert und inhaftiert. Ihnen werde alle Rechte genommen.
Die geflüchteten Aktivist*innen haben immer und immer wieder versucht, mit den Behörden zu sprechen. Briefe und Petitionen werden nicht beachtet, in Gesprächsrunden werden sie nicht ernstgenommen. Es zeigt sich ein Muster: Die Behörden ignorieren die Anliegen und unterdrücken die Stimmen der abgewiesenen geflüchteten Menschen. Deshalb bleibt nur eine Antwort. Der Protest auf der Strasse, der sich an die gesamte Bevölkerung richtet. Gestern hat sich gezeigt, dass dieser Protest mit allen Mitteln unterdrückt werden soll, indem unglaubliche Gewalt gegen friedliche Protestierende eingesetzt wird. Der Angriff auf die selbstorganisierte und selbstbestimmte Demo zeigt, dass der Staat diejenigen fürchtet, die sich gegen ihre systematische Unterdrückung wehren. Die Reaktion der Polizei folgte dabei gestern einem generellen rassistischen Muster: Die Hemmschwelle, rohe Gewalt auf rassifizierte Körper anzuwenden, ist niedrig. Ein Protest von überwiegend nicht-weissen Menschen wird als bedrohlich wahrgenommen.
Es geht nicht um ein Spiel zwischen der Polizei und den Geflüchteten. Es geht nicht um Sieg und Niederlage, sondern um das Einfordern von Grundrechten, die allen zustehen sollten: ein Leben in Würde und Gleichbehandlung aller Menschen, die in der Schweiz leben. Für die Menschen, die in den Asyllagern isoliert werden, gibt es keine andere Möglichkeit, als auf der Strasse die eigene Stimme zu erheben. Auch wenn die rassistischen Gesetze und die rassistische Behandlung nicht aufhören werden, werden sich die Protestierenden weiter mit voller Kraft dafür einsetzen, dass ihre Anliegen endlich ernst genommen werden.
Die Forderungen stehen nach wie vor:
Aufenthaltsbewilligungen und eine Perspektive zum Leben
Keine Isolation und keine Gewalt in Asylcamps
Keine ständigen Bussen und Haftstrafen wegen „illegalem Aufenthalt
Keine AbschiebungenWürde, Respekt und gleiche Rechte für alle
3. Bericht Anarschistische Gruppe Bern (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/1743010739180608)
Heute wurde zur Stop Isolation Demonstration in Bern aufgerufen. Die Stop Isolationen Demonstrationen fanden in den letzten Monaten bereits mehrmals in Bern statt. #StopIsolation boykottiert Rückkehrzentren und fordert Aufenthaltsbewilligungen für ein Leben in Respekt und Würde. Die Demonstration wurde von der Polizei wiederholt massiv angegriffen. Die Repression gegen Stop Isolation verdeutlicht auch eine Art der Spaltung. Mit geflüchteten Migrant*innen wird nicht verhandelt (im Gegensatz zum Klimastreik). Geflüchtete Migrant*innen durften keine Sekunde auf den Bundesplatz für einen sichtbaren Protest. Geflüchtete People of Color Migrant*innen wurden heute gezielt von der Polizei angegriffen (während weisse Allies ignoriert wurden). Lassen wir unsere Freund*innen nicht im Stich. Denn diese Gewalt erleben geflüchtete Migrant*innen in den Lagern tagtäglich.
Gegen diese Staatsgewalt haben wir uns heute durchgesetzt. Nach Stunden und der Zusammenarbeit von #stopisolation und #RiseUpForChange sind alle Proteste auf dem Bundesplatz. Veränderungen passieren auf der Strasse.
Heute verhinderte die Polizei von Beginn an, einen Umzug in die Innenstadt. Die Demo versuchte über die Lorraine und den Viktoriaplatz in die Stadt zu gelangen. Beim Kornhausplatz stand bereits eine Polizeireihe und machten per Ansagen klar, dass die Demo wieder zur Schützenmatte muss. Nach einem längeren Warten, versuchte die Demo Richtung Innenstand zu gehen. Dabei liefen Einzelpersonen an den PolizeibeamtInnen vorbei. Die Polizei setzte sofort in grossen Mengen Pfefferspray ein und verletzte mehrere Personen – davon mindestens eine Person schwer. Getroffen wurden auch Kinder und viele unbeteiligte Personen.
Am Waisenhausplatz setzte der Polizei mit deutlicher Verstärkung wiederholt Pfeffer ein. Beim Bollwerk eskalierte die Gewalt noch einmal unerwartet. Nebst Gummischrot kam auch der neue Wasserwerfer zum Einsatz und griff die Demo, wie auch solidarische Menschen hintern den Polizeireihen an.
4. Communiqué Linke PoC (Originalquelle: https://www.facebook.com/story.php?story_fbid=617158742284715&id=168464743820786)
COMMUNIQUÉ ZUR DEMO „STOP ISOLATION“ IN BERN DER LINKEN POC
Gestern Dienstag, 22. September 2020, haben sich mehrere Hundert Geflüchtete, darunter auch wir geflüchtete Aktivist:innen der Linken PoC, selbstbestimmt in Bern die Strasse genommen. Wir besammelten uns bei der Reitschule, um unseren Protest gegen die Isolation in Asyllagern, für ein Bleiberecht, gegen rassistische Polizeikontrollen und gegen Ausschaffungen zum Bundeshaus zu tragen.
Wir protestierten gegen ein System, gegen einen Staat, welche zutiefst rassistisch, zutiefst menschenverachtend sind. Wir fordern, die praktizierte Isolation von abgewiesenen Asylbewerber:innen zu stoppen und das bedingungslose Bleiberecht für alle!
Die Demonstration wurde kurz nach Beginn von der Berner Polizei angegriffen. Tränengas, Wasserwerfer und Gummischrot wurden gegen die friedliche Demonstration eingesetzt, wobei die Polizei mehrere Personen verletzte, welche zum Teil ins Spital gebracht werden mussten. Wir verurteilen dieses Verhalten der Polizei aufs Schärfste.
Wir haben der Polizeigewalt widerstanden und haben die Demonstration nicht aufgegeben. Nachdem die Polizei mehrmals gewaltsam versuchte, uns den Weg abzusperren, kam es zu einer Solidarisierung von den Klima-Aktivist:innen auf dem Bundesplatz, welche eine Spontan-Demo zu unserer Unterstützung bildeten. Zusammen bildeten wir eine gemeinsame Demo, und konnten zum Bundeshaus gehen. Dies zeigt, dass Solidarität und Widerstand stärker sind als Staats- und Polizeigewalt!
Die Polizeigewalt macht uns deshalb wütend, weil die Demonstration friedlich war, und niemand auch nur ansatzweise Gewalt anwendete. Es war die Polizei, welche unseren Forderungen nach mehr Würde und Rechten mit Gewalt begegnete. Verantwortlich dafür waren diejenigen, welche für Rassismus und Entrechtung verantwortlich sind – das Parlament – welche in einem Brief explizit ein hartes Vorgehen gegen Protestierende forderte.
Der Staat unterhält mit Ausschaffungsgefängnissen, Polizeikontrollen, Haftanstalten und Rückkehrzentren ein gewaltsames rassistisches System, welches die Privilegien der Schweiz und Schweizer:innen verteidigen soll; unter massiver Verletzung der grundlegenden Würde von Geflüchteten.
Während dieses System die eine Facette des rassistischen Systems “Schweiz” ist, ist die polizeiliche Repression die andere: Wir haben jedoch gezeigt, dass wir uns dagegen wehren, wehren können, und wir werden weiter für unsere Rechte kämpfen!
Wie auch das drakonische Urteil von Montag zeigt, als eine Antifaschistin wegen Demonstrationsteilnahme zu 8 Monaten unbedingtem Gefängnis verurteilt wurde, zeigt, reagiert der Staat auf den Widerstand gegen den zunehmenden Rassismus mit krasser Repression begegnet. Der Angriff gegen unsere gestrige selbstbestimmte, von uns Geflüchteten organisierten Demo in Bern zeigt auch klar: der Staat fürchtet sich, wenn sich diejenigen Massen, welche der Staat systematisch und gewaltsam von Gesellschaft, Institutionen und Rechten ausschliesst, sich organisieren und sich wehren.
Wenn wir gegen Rassismus – die Unterdrückung und Ausbeutung von Geflüchteten, BIPOC und Migrant*innen – kämpfen, kämpfen wir auch gegen den Klimawandel – ausgelöst durch die Ausbeutung der Natur. Wenn wir gegen Imperialismus kämpfen, kämpfen wir auch gegen das Patriarchat. Der Kampf gegen Transphobie steht Seite an Seite am Kampf gegen Kolonialismus. Der Kampf gegen Antisemitismus und Islamophobie ist Teil des gleichen Kampfes wie der gegen Abtreibungsverbote und Homophobie. Und der Kampf gegen die Ausbeutung von Migrant*innen ist immer auch ein Kampf gegen den Kapitalismus. Indem sich diejenigen wehren, welche Unterdrückung erleiden, wird das System der Unterdrückung ins Wanken geraten. Die Revolution ist intersektional!
Wir werden weiter für unsere Rechte, und gegen jede Form von Unterdrückung kämpfen!
Stop Isolation!
5. Stimmen Teilnehmer*innen (Originalquelle: https://migrant-solidarity-network.ch/2020/09/23/stimmen-einen-tag-nach-der-demo-gegen-isolation/)
Stimmen einen Tag nach der Demo gegen Isolation
„Wir müssen gesehen und gehört werden. Deshalb haben wir protestiert. Die Schweiz soll wissen wie es uns geht. Sie soll sich mit Menschlichkeit auseinandersetzen. Die Demo war gut. Doch die Medien haben schlecht berichtet. Es war nur wichtig was die Polizei macht. Warum schreiben die Medien nicht mehr über unsere Anliegen, Probleme und Vorschläge. Ich habe schon viele Interviews gegeben, doch veröffentlicht wurden sie nie.
Es war ein Fehler nicht auf dem Bundesplatz zu bleiben, um diesen zu besetzen. Heute hört und sieht uns wieder niemand mehr. In Afghanistan war es auch so. Es gab Krieg. Weltweit haben alle darüber gesprochen. Dann sagten sie der Krieg sei fertig. Doch er hat wieder angefangen. Dann hat in der weltweiten Öffentlichkeit aber niemand mehr darüber gesprochen. Unsere Präsidenten schicken uns in den Krieg. Hier in der Schweiz müssen Migrant*innen Haareschneiden, auf Baustellen arbeiten, Putzen, das sind unsere Jobs. Schweizer*innen arbeiten in anderen Bereichen. Wir wollen arbeiten auch wenn es diese Jobs sein müssen, denn wir wollen nicht von acht Franken pro Tag leben müssen.“
„Ein Mensch ist ein Mensch. Die Schweiz ist ein sicheres Land. Viele glauben an solche Sätze, doch für uns haben sie keine Bedeutung. Hier sind wir nicht wie andere Menschen. Hier gibt es keine Sicherheit für uns.“
„Das war meine erste Demonstration in der Schweiz. Die Demo war gut, doch die Polizei war schlecht. Ich lebe schon seit fünf Jahren in Urdorf in einem Bunker. Wenn ich die Polizei sehe, macht mir das immer grosse Angst.
Gestern war ich mit meinem sieben-jährigen Sohn an der Demo. Er wurde von Pfefferspray geätzt und vom Gummischrot getroffen. Drei Stunden schmerzten auch meine Augen wegen dem Pfefferspray. Neben mir stand auch eine Frau die am Bauch getroffen und verletzt wurde. Jetzt müssen wir leider alle wieder nach Aarwangen in das Rückkehrcamp zurück. „
„Wir haben für unsere Rechte gekämpft. Aber die Polizei war total gegen uns. Das hängt wohl damit zusammen, dass wir geflüchtete Menschen sind. Das wirkt auf mich wie Rassismus. In einem Land, wo viel von Freiheit und Menschenrechten die Rede ist, sollte es nicht dazu kommen, dass Menschen, die ihre Meinung sagen wollen so behandelt werden wie wir gestern. Darin sehe ich eine Begrenzung der Freiheit gewisser Menschen. Wir wollen gar nicht viel ausser ein Leben und gleiche Rechte wie die anderen. Arbeiten dürfen, leben dürfen. Ich bin solidarisch mit der Klimabewegung und gleichwohl sehe ich, dass die Klimabewegung – als eine Bewegung von mehrheitlich Europäer*innen – anders als unsere behandelt wird.“
„Es gibt Menschen unter uns, die leben bereits über 15 Jahre in der Schweiz und können nichts tun. Sie können nicht arbeiten gehen, sie müssen jeden Tag im Asylcamp eine Unterschrift abgeben, auch am Wochenende. Sie können nicht studieren gehen, weil ihnen der Ausweis fehlt. Sie können keine Lehre finden. Sie können nicht raus gehen, denn sie können ausserhalb des Camps jederzeit von der Polizei eine Busse wegen «illegalem Aufenthalt» erhalten. Wegen dieser Situation haben viele Suizidgedanken. Das Ziel unseres Protests ist es, eine Aufenthaltsbewilligung zu erhalten, um ein ganz normales Leben wie andere führen zu dürfen. Wir haben diese Demo gemacht, um unsere Sitaution zu verbessern. Um keine Angst mehr haben zu müssen, wenn wir das Asylcamp verlassen. Denn wir können von der Polizei jederzeit verhaftet oder gebüsst werden. Wenn wir im Asylcamp bleiben, haben wir Stress mit der ORS. Sie sind streng, sehr streng. Sie benutzen uns, denn wer nicht für sie arbeitet, kann für 30 Tage aus dem Camp geworfen werden. Auch wer nicht jeden Tag im Camp anwesend ist um zu unterschreiben, kann aus dem Camp geworfen werden. Im Camp bleiben ist auch schwierig. Viel zu viele Menschen müssen zusammen Schlafsääle, Duschen, Toiletten und die Küche nutzen. Auch das ist nur Stress. Am Morgen, wenn die Kinder zu Schule müssen, müssen sie die Toiletten und Duschen zusammen mit 18 anderen nutzen.“
Von der Polizei weggesprüht! Bericht: Gestern Nachmittag versammelten sich einmal mehr Menschen aus Asylcamps aus verschiedenen Kantonen, um Lösungen für ihre akuten Probleme zu fordern. Auf dem Kornhausplatz trafen die Demonstrant*innen auf eine Strassensperre der Polizei. Nachdem einige Menschen den Demozug fortsetzen wollten, wurde ein Mann (39) in der dritten Reihe von der Polizei angegriffen und es wurde ihm aus nächster Nähe Pfefferspray ins Gesicht gesprüht. Der Mann schaute kurz zuvor zurück zum restlichen Demozug, als er sich wieder nach vorne drehte, stand der Polizist mit dem Spray vor ihm und drückte ab. Dies löste bei ihm einen starken Husten aus. Er konnte noch einige Schritte zurück und fiel zu Boden. Leute kamen schnell mit Wasser zu Hilfe. Wer ihm zu Hilfe kam, konnte er nicht erkennen. Durch seine Atemlosigkeit hatte er keine Möglichkeit zu sprechen. Die Anweisungen der Polizei (die erst nach mehreren Minuten hinzukam) und der Rettungssanität konnte er in diesem Zustand nicht verstehen. Durch die Hilfe eines Mannes mit derselben Sprache verstand er dann die Anweisungen der Rettungssanität. Der Mann hatte bereits in den letzten 8 Jahren immer wieder Atemprobleme, was er an diesem Tag erlebte war ein vielfaches davon.In der Ambulanz konnte er nach wie vor nichts sehen. Auf der Fahrt wurde er mehrmals mit Augenberuhigungsspray behandelt. Im Spital wurde er in ärztlicher Behandlung an ein Atemgerät angeschlossen. Bis zum Spital konnte er die Augen nicht öffnen, die Zeitspanne war mehr als eine Stunde. Seine Gedanken bei diesem Schockerlebnis waren bei seinem Kind, welches er bis zum heutigen Tag noch nie gesehen hat. Denn er lebt seit 5 Jahren im schweizer Asyllagersystem und hat keine Möglichkeit in seine Heimat zurückzukehren. Sein Wunsch an der Demo war mindestens das Recht zu erhalten, sein Kind wieder zu sehen. Dass die Polizei so hart auf ein menschliches Anliegen reagiert, ist für ihn nicht nachvollziehbar. Die Schmerzen dauern an und auch am Tag danach lebt er mit starken Schmerzen im Hals und in der Lunge. Sein Anliegen blieb einmal mehr unangehört.
6. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/wie-die-zweite-demonstration-die-polizei-auf-trab-hielt-145506475866, https://www.bernerzeitung.ch/polizei-nach-asyl-demo-in-der-kritik-525935439183)
-Bernerzeitung: Stop Isolation
Wie die zweite Demonstration die Polizei auf Trab hielt
Die Berner Kantonspolizei hielt sich am Bundesplatz diskret zurück. Aber sie war am Dienstagnachmittag bei einer weiteren Kundgebung gefordert.
Um 14 Uhr versammelten sich auf der Schützenmatte mehrere hundert Personen, um an der «Schweizweiten Demo gegen Gewalt und Isolation in Lagern» zu demonstrieren. Gemäss einem Flugblatt wollten sich die Demonstranten gegen «Probleme mit dem Asylregime der Schweiz» wehren und forderten «Respekt gegenüber Leuten, die in der Schweiz Asyl beantragen». Die Kantonspolizei sperrte die Zugänge zur Hodlerstrasse und zum Bollwerk ab. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer begaben sich deshalb via der Lorrainebrücke und dem Viktoriarain auf die Kornhausbrücke.
Anschliessend wollten sich die Demonstranten der «Stop-Isolation»-Demo auf den von Klimaaktivisten besetzten Bundesplatz begeben. Die Polizei blockierte den Demonstrationszug auf dem Kornhausplatz. Dabei setzte sie auch Pfefferspray ein. Laut dem Infodienst Megafon der Reitschule sei dabei eine Person verletzt worden.
Der Demonstrationszug zog weiter zur Schützenmatte, wo er ab etwa 16 Uhr den Feierabendverkehr blockierten. Parallel dazu formierte sich in der Speichergasse eine zweite Gruppe Aktivisten. Die Polizei verhinderte, dass sich die Gruppen vereinigten. Um 18 Uhr vertrieb die Polizei die Gruppe, welche die Strasse bei der Schützenmatte blockierte, mit einem Wasserwerfer vor der Reitschule. Die andere Gruppe zog zügig weiter zum Bundesplatz. Kurz nach 18 Uhr war das Bollwerk für den öffentlichen und den Privatverkehr wieder offen. (sny)
-Bernerzeitung: «Institutioneller Rassismus»
Kapo nach «Stop Isolation»-Demo in der Kritik
Reizgas, Gummischrot, Wasserwerfer: Die Polizei habe bei den zwei Kundgebungen in Bern am Dienstag mit verschiedenen Ellen gemessen.
Der Einsatz von Reizstoff, Gummigeschossen und Wasserwerfern bei einer Asyl-Demo in Bern trägt der Polizei Kritik ein. Linke Parteien und verschiedene Organisationen warfen der Polizei am Mittwoch vor, sie sei unverhältnismässig vorgegangen.
Die Teilnehmer der unbewilligten Kundgebung hatten sich am Dienstag Nachmittag auf der Schützenmatte besammelt. Die Polizei wollte nach eigenen Angaben mit den Demonstrierenden in Kontakt treten, unter anderem weil sie die Demo vom Klimacamp auf dem Bundesplatz fernhalten wollte.
Der Umzug bewegte sich danach via Breitenrain zur Kornhausbrücke, wo er erstmals gestoppt wurde. Die Polizei setzte Reizstoff ein, später am Bollwerk auch Gummischrot und Wasserwerfer. Am Abend liess die Polizei die Demonstrierenden schliesslich gewähren, worauf sich diese zum Bundesplatz bewegten.
Der Verein AntiRep Bern wirft der Polizei institutionellen Rassismus vor. Der Einsatz gegen das Klimacamp sei zwar auch fehl am Platz gewesen, doch hätten die Behörden bei diesem Camp mit vorwiegend weissen Jugendlichen wenigstens längere Zeit Dialogbereitschaft zu erwecken versucht.
«Volle Härte der Polizei zu spüren bekommen»
Viele Teilnehmer der «Stop Isolation»-Demo seien dagegen Geflüchtete und somit People of Colour gewesen. Sie hätten die volle Härte der Polizei zu spüren bekommen.
Auch die Demokratischen Juristinnen und Juristen Bern sprechen von Ungleichheit: Während die Stadtbehörden mit den Klimaaktivisten lange verhandelte, ging die Polizei «äusserst gewaltsam» gegen die friedliche zweite Demo vor. Die Verwendung von Wasserwerfern auf eine Distanz von rund drei Metern und der Gebrauch von Pfefferspray und Gummischrot seien lediglich Beispiele für die unverhältnismässige Gewaltanwendung durch die Polizei.
Video soll Polizeigewalt zeigen
Ein weiterer Zwischenfall soll sich am Waisenhausplatz zugetragen haben, noch ehe die Polizei den Demonstrationszug zurück zur Schützenmatte gedrängt hatte: Ein Video, das seit Dienstagabend in den sozialen Medien kursiert, zeigt, wie ein Polizist einen älteren Passanten umstösst. Als sich daraufhin weitere Personen einmischen, schlägt der Polizist einem anderen Mann ins Gesicht.
Gegenüber «Watson» weist die Kantonspolizei Bern darauf hin, dass im Video nicht ersichtlich ist, was vor der Szene alles passiert ist. «Gemäss der Schilderung unserer Mitarbeitenden wurden sie zur Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen gerufen. Ihr Fahrzeug wurde danach von einer Personengruppe aktiv blockiert. Als sie ausstiegen, um dem Fahrzeug Platz zu verschaffen, kam es zu einem kurzen Handgemenge.» Die Polizei wolle den Vorfall aber detailliert abklären.
Beschwerde eines Journalisten
Die Journalistin einer Schweizer Tageszeitung habe versucht, den Faustschlag ebenfalls zu filmen, doch habe ein Polizist mit seiner Hand ihre Kamera verdeckt. Deswegen gibt es auch von Seiten der Medien Kritik: Die Einsatzkräfte haben mehrere Journalistinnen und Journalisten weggewiesen, obschon sie Polizeieinsätze von Gesetzes wegen beobachten dürfen – solange sie die Arbeit der Ordnungshüter nicht behindern. Bei der Kapo sei denn auch mindestens eine Beschwerde eingegangen.
7- Polizeigewalt & Einschränkung Pressefreiheit (Originalquelle: https://www.watson.ch/schweiz/bern/782122259-berner-kantonspolizist-pruegelt-auf-passant-ein)
Berner Polizist prügelt auf Passanten ein – Kapo will Vorfall untersuchen
In Bern kam es am Rande einer unbewilligten Demonstration zu Übergriffen der Einsatzkräfte auf Passanten. Die Kantonspolizei will den Vorfall untersuchen.
In Bern kam es am Dienstagnachmittag am Rande einer unbewilligten Demonstration zu wüsten Szenen. Die Proteste unweit des Bundesplatzes richteten sich gegen die verschärfte Asylpraxis des Bundes, es marschierten über hundert Personen von der Kornhausbrücke in Richtung Bollwerk. Darunter zahlreiche Geflüchtete und Aktivistinnen und Aktivisten.
Die wüsten Szenen passierten gegen 16.30 Uhr. Die Demonstrierenden versuchten mehrfach, zum Bundesplatz vorzustossen, was die Kantonspolizei zu verhindern versuchte. Es kam zu einer Art Katz-und-Maus-Spiel: Die Protestierenden bewegten sich entlang der Nägeligasse und zwangen die Polizeikräfte, ihr Einsatzcorps mehrmals umzupositionieren. Die Polizei war mit mehreren Fahrzeugen auf dem Waisenhausplatz und wollte mit Blaulicht in Richtung Hauptbahnhof fahren.
Prügelattacke, weil Passanten Polizei an Abfahrt hindern
Mehrere Passanten standen unmittelbar vor einem Polizeifahrzeug und hinderten es an der Weiterfahrt. Es kam zur Diskussion, die in einem Tumult ausbrach. Ein Polizist warf einen Passanten zu Boden, ein weiterer attackierte einen Mann mit der Faust. Videoaufnahmen vom Vorfall kursierten gestern bereits in den Sozialen Medien.
Die Kantonspolizei Bern und die zuständige Berner Sicherheitsdirektion wurden um eine Stellungnahme gebeten. watson wollte wissen, ob solche tätlichen Angriffe zum Standard der Einsatzkräfte gehören. Die Polizei-Medienstelle kommentiert das vorliegende Video folgendermassen:
«Es ist uns bewusst, dass solche Bilder einen Eindruck hinterlassen, sie zeigen allerdings lediglich eine Momentaufnahme. Gemäss der Schilderung unserer Mitarbeitenden wurden sie zur Unterstützung von Kolleginnen und Kollegen gerufen. Ihr Fahrzeug wurde danach von einer Personengruppe aktiv blockiert. Als sie ausstiegen, um dem Fahrzeug Platz zu verschaffen, kam es zu einem kurzen Handgemenge. Selbstverständlich steht es den Direktbetroffenen frei, Anzeige einzureichen. Die Kantonspolizei Bern ist jedoch daran, den Vorfall detailliert abzuklären.»
Stellungnahme der Medienstelle der Kantonspolizei Bern
Regierungsrat Philippe Müller (FDP) kündigte seitens Sicherheitsdirektion an, im Verlauf des Nachmittags Stellung zu nehmen.
Polizei «versucht objektive Berichterstattung zu ermöglichen»
Mehrere Journalistinnen und Journalisten versuchten das Geschehen am Waisenhausplatz aus sicherer Distanz zu beobachten. Sie wurden jedoch von Einsatzkräften mehrfach «freundlich» weggeschickt, in einem Fall kam es zu einer 72-stündigen polizeilichen Wegweisung. Medienschaffende haben in der Schweiz das Recht, Polizeieinsätze zu beobachten, solange sie ihre Arbeit nicht behindern. Die Pressefreiheit wurde mehrfach durch Gerichte verteidigt.
watson meldete die Behinderungen der Arbeit mehrerer Medienschaffenden der Pressestelle der Kantonspolizei Bern. Die Tumulte am Waisenhausplatz konnten deshalb nur aus der Distanz beobachtet werden, die Erkenntnisse werden aber durch Videomaterial und Berichten von Augenzeuginnen und Augenzeugen bestätigt. Die Journalistin einer Schweizer Tageszeitung wurde beim Versuch, den Faust-Angriff auf einen Passanten zu filmen, von einem Polizisten gestört. Er drückte seine Hand auf die Kameralinse. Das daraus entstandene Video liegt watson ohne Nutzungserlaubnis vor.
Die Kantonspolizei Bern teilt mit, dass sie lediglich die Beschwerde eines Journalisten erhielt. «Wir versuchen alles, um Journalisten eine objektive Berichterstattung zu ermöglichen. Aber auch sie müssen sich an Polizeianweisungen und -absperrungen halten, dies auch zu ihrem Schutz», heisst es im Statement weiter. Die Polizei müsse «rasch verschieben» können, zudem sei es bei einer «grösseren Personenzahl, welche den Einsatz filmen, auch nicht immer einfach, Journalisten als solche zu erkennen». Beobachtungen von watson und anderen Medienschaffenden zufolge waren anwesende Journalistinnen und Journalisten stets mit Presseausweisen gut erkennbar.
Die Pressestelle der Kantonspolizei sagt weiter, dass sie nach jedem Einsatz eine Einsatzauswertung durchführt und dabei auch «entsprechende Rückmeldungen und Erkenntnisse» einfliessen lässt.