2020,  Antirassismus,  Demo

Demo Direktaufnahme Menschen auf der Flucht Thun

Inhalt:
1. Aufruf
2. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: https://www.facebook.com/events/632871747596339/)
Wir fordern auf zur Demo für die Direktaufnahme von Menschen auf der Flucht in Thun.
Am 10. Oktober 2020 um 12:00 Uhr gehen wir in Thun (Besammlung hinter dem Rathaus) auf die Strasse um ein Ende der menschenverachtenden Situation an den EU-Aussengrenzen zu fordern! Das Geflüchtetenlager Moria ist niedergebrannt. 13’000 Menschen haben erneut alles verloren. Doch selbst nach dem Brand wurden die Menschen nicht evakuiert. Stattdessen mussten die Geflüchteten über Tage auf der Strasse ausharren. Ohne Nahrung. Ohne Wasser. Schliesslich wurden die Menschen unter Einsatz von Tränengas in ein neues Internierungslager gedrängt. Die Zustände dort sind katastrophal. Dass Menschen so behandelt werden dürfen wir nicht zulassen! Niemals! Nie wieder!
Wir gehen am 10. Oktober um 12:00 Uhr in Thun auf die Strasse und fordern, jetzt Geflüchtete aufzunehmen. Wir fordern eine menschenwürdige Migrationspolitik. Wir haben mehr als genug Platz – wir haben die Ressourcen – und wir haben die Verantwortung jetzt zu handeln! 10. Oktober – 12:00 – Thun!
Anschliessend gehen wir an die Nationale Demo in Bern zum gleichen Thema. Nationale Demo-Evakuieren JETZT-Wir haben Platz!
Weitersagen!


2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.jungfrauzeitung.ch/artikel/185290/)
«Die Demo richtet sich direkt an den Gemeinderat»
Nach dem Grossbrand im Flüchtlingslager von Moria forderten Privatpersonen und mehrere Parteien die Stadt Thun dazu auf, sich gemeinsam mit anderen Schweizer Städten für die Direktaufnahme von Geflüchteten einzusetzen. Der Gemeinderat nahm schriftlich Stellung dazu – in den Augen der engagierten Thuner aber unzureichend. Nun gingen sie mit ihrem Anliegen auf die Strasse.

Bei einem Grossbrand in der Nacht vom 8. auf den 9. September wurde das Flüchtlingslager beim griechischen Moria fast vollständig zerstört. Die Behörden gingen schnell von Brandstiftung durch Migranten selbst aus, weil das Feuer zeitgleich an verschiedenen Stellen ausbrach. Die rund 12’000 Migranten wurden über Nacht obdachlos. Danach herrschte Chaos auf der Insel, bis ein provisorisches Zeltlager errichtet wurde, in das bisher rund 10’000 Menschen eingezogen sind.

Das Flüchtlingslager bei Moria ist einem grossen Feuer zum Opfer gefallen. Rund 12’000 Menschen lebten in diesem Camp.
Das Flüchtlingslager bei Moria ist einem grossen Feuer zum Opfer gefallen. Rund 12’000 Menschen lebten in diesem Camp.Foto: Keystone/AP Photo, Petros Giannakouris

In dem dringlichen Appell vom 15. September haben SP, EVP, EDU, Grüne und die Juso den Gemeinderat dazu aufgefordert, sich anderen Schweizer Städten anzuschliessen und dem Bund ein Angebot für die Direktaufnahme von Geflüchteten zu machen. Der dringliche Appell wird von Zivilpersonen, der Mehrheit der Stadtratsmitglieder, verschiedenen Organisationen und politischen Parteien unterstützt (diese Zeitung berichtete).

In der Folge nahm die Thuner Stadtregierung Stellung zur Forderung der Parteien. Zufriedengeben wollen sich die Menschen hinter der Forderung damit aber nicht. Um auf die Situation in Moria aufmerksam zu machen und dem Gemeinderat ein Signal zu senden, zogen am Samstag rund 70 Personen mit Transparenten durch die Thuner Innenstadt.

Die Kundgebung durch Thun
Eine Mitorganisatorin spricht über ihre Motivation und ihre Erlebnisse in Griechenland..
Johanna Käser kommt aus Gurzelen und hat die Kundgebung mitorganisiert. Nachdem sich die Kundgebung nach einem Rundgang durchs Bälliz wieder auf dem Rathausplatz einfindet, nimmt sie sich Zeit für ein Gespräch mit dieser Zeitung und erklärt, warum man mit der Reaktion des Gemeinderates unzufrieden ist.

«Sie schieben juristische Formalitäten vor», sagt Johanna Käser und nimmt damit Bezug auf die Aussage der Thuner Regierung, dass es nicht in der Kompetenz der Stadt liege, über die Aufnahme von Geflüchteten zu entscheiden. «Das stimmt so, der Bund müsste eigentlich etwas unternehmen», sagt Käser. «Aber einige Schweizer Städte finden, dass man auf Bundesebene aktuell nicht genug unternimmt – wir wollen Thun dazu auffordern, das Gleiche zu tun und sich zusammen mit anderen Städten für diese Anliegen einzusetzen.»

Rund 20 Minuten vor diesem Gespräch befindet sich Johanna Käser zusammen mit den restlichen 70 Personen, die an diesem verregneten Samstag an der Kundgebung teilnehmen, mitten im Bälliz. Mit grossen Transparenten, Gesängen und Sprechchören machen die Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf die Situation in Moria aufmerksam. Es werden Flyer verteilt und immer wieder steht die Kundgebung während mehrerer Minuten komplett still.
Die Passanten lesen Transparente wie «Endlösung Mittelmeer?», «No more Morias», und «Evakuieren jetzt – Solidarität kennt keine Grenzen». Einige nehmen sich ein Flugblatt und informieren sich über die aktuelle Lage im Flüchtlingslager. Viele bleiben stehen und scheinen einen Moment lang wirklich mitgenommen von der Situation.

Die Reaktionen auf die Kundgebung sind an diesem Samstag aber bei weitem nicht nur positiv. «Geht doch selber nach Griechenland», oder: «Ist so eine Parade ausgerechnet jetzt wirklich angebracht?», lauteten nur einige der Kommentare von Thunerinnen und Thunern, die am Samstagmittag in der Innenstadt unterwegs sind. Dass man jetzt – wo die Corona-Fallzahlen im Kanton Bern rasant steigen – zu einer Demonstration aufruft, scheint für viele unverständlich. «Wir haben uns natürlich Gedanken gemacht», sagt Johanna Käser. «Wir haben alle aufgefordert, eine Maske zu tragen, und haben auch welche mitgebracht, damit wir sie verteilen können, falls jemand keine dabei hat – das war aber gar nicht nötig.» Sie verstehe die Bedenken, aber: «Wir sind draussen und an einem normalen Samstag sind ja auch viele Leute in der Stadt unterwegs. Da sehe ich nicht ein, warum wir mit unserem Anliegen nicht auch auf die Strasse dürfen.»

Und jetzt? Was erhoffen sich die Demonstranten? «Die Demo ist direkt an den Gemeinderat gerichtet, darum hoffe ich sehr, dass eine entsprechende Reaktion folgen wird», sagt Johanna Käser. «Uns ist klar, dass diese Situation keine Stadt alleine und auch nicht die Schweiz als Land lösen kann – aber man hat immer die Möglichkeit, mit gutem Beispiel voranzugehen.»