2002,  Antifaschismus

Neonazis verletzen Jugendliche Köniz

Inhalt:
1. Medienbericht


1. Medienbericht (Originalquelle: https://www.antifa.ch/junger-mann-spitalreif-geschlagen/ & https://www.antifa.ch/opfer-von-skinhead-gewalt-erwagen-klage-gegen-polizeibeamten/)
-Der Bund: Junger Mann spitalreif geschlagen
KÖNIZ / Letzte Woche kam es beim Bahnhof Köniz zu einer Schlägerei. Dabei haben angeblich Rechtsradikale einen jungen Könizer schwer am Kopf verletzt.

ige/nn. In der Nacht auf letzten Samstag seien beim Bahnhof Köniz mehrere Personen von «Naziskins» mit Baseball-Schlägern verprügelt worden, schreibt das Bündnis «Alle gegen Rechts» in einem Communiqué. Gemäss dem Bündnis musste eine Person mit einem Schädelbruch in die Intensivstation eingeliefert werden. Zudem schreibt die Aktion «Köniz bleibt faschofrei» in einem Flugblatt, die Neonazis hätten den Verletzten «wiederholt mit Stöcken und Flaschen auf den Kopf geschlagen» und ihn «mit Fusstritten traktiert». Den Angegriffenen sei es schliesslich gelungen, den schwer verletzten jungen Mann «in ein nahe gelegenes Heim» in Sicherheit zu bringen. Die Pflegerinnen des Heims hätten darauf die Polizei verständigt.

Schwere Vorwürfe
Die Verfasser des Flugblatts erheben auch schwere Vorwürfe an die Adresse der Polizei: «Als ein Polizist im Heim eintraf, musterte er die Wunden des stark blutenden Jugendlichen und riet ihm, ins Spital zu fahren.» Der Polizist habe sich darauf entfernt, ohne einen Rettungswagen zu verständigen. Anschliessend sei der Verletzte von seinen Eltern ins Spital gebracht worden.

Gemäss dem Vater des verprügelten jungen Mannes, der gestern Nachmittag in der Könizer Polizeiwache erschien und den Vorfall meldete, haben die Ärzte Risse in der Schädeldecke diagnostiziert. Sein Sohn befinde sich nach wie vor im Spital. Über die Umstände der Prügelei konnte der Vater des 24-Jährigen laut Polizei allerdings nichts weiter sagen.

Polizei bestätigt Einsatz
Heinz Pfeuti, Pressesprecher der Kantonspolizei, bestätigte auf Anfrage, dass es in der Nacht auf den 9. März zu einem Polizeieinsatz in Köniz gekommen sei. Die Polizei habe mehrere Anrufe erhalten und darauf vor Ort Leute kontrolliert. Einer von ihnen sei verletzt gewesen. Es habe sich aber wohl nur um eine leichte Verletzung gehandelt, denn sonst hätten die Polizisten die Überführung ins Spital veranlasst, vermutet Pfeuti. Über den Anlass des Einsatzes und den genauen Ort konnte Pfeuti keine Angaben machen.

Kenntnis vom Vorfall hat Giorgio Andreoli, Projektleiter des Gewalt-Beratungstelefons «ggg fon». Er wisse aus «zuverlässiger Quelle», dass es sich bei den Streitigkeiten tatsächlich um einen Konflikt mit Rechtsradikalen gehandelt habe, sagt er. Bereits im letzten Dezember habe eine solche Gruppe im Könizer Jugendraum Chill Out eine Schlägerei angezettelt. Von diesem wie auch dem jüngsten Vorfall wurde der Könizer Gemeinderat bis gestern nicht unterrichtet. Die Betroffenen hätten sich leider nicht bei der Beratungsstelle der Gemeinde gemeldet, sagt Gemeindepräsident Henri Huber. Die genauen Umstände würden nun abgeklärt.

Plakataktion gestern Abend
Gestern Abend um 19 Uhr haben rund zwanzig Jugendliche beim Bahnhof Köniz zahlreiche Flugblätter angebracht. Mit der Aktion, die im Vorfeld angekündigt worden war, wolle man am Tatort selbst «ein Zeichen gegen rechtsextreme Gewalt im Alltag setzen», hiess es im Communiqué des Bündnisses «Alle gegen Rechts». Auf den Flugblättern wurden der Tathergang aus Sicht der Opfer dargestellt und die Vorwürfe gegen die Polizei bekräftigt.

-Der Bund: Opfer von Skinhead-Gewalt erwägen Klage gegen Polizeibeamten
KÖNIZ / In der Nacht auf letzten Samstag sind am Bahnhof Köniz fünf Jugendliche – ihren Aussagen gemäss von Rechtsradikalen – angegriffen worden. Ein Opfer nimmt nun zu den Übergriffen Stellung. Die «Aktion faschofreies Köniz» bekräftigt ihre Vorwürfe gegen die Polizei und prüft eine Klage gegen die Neonazis und einen Polizisten.

nn. Die Vorwürfe, welche die «Aktion faschofreies Köniz» am Montag an die Adresse der Kantonspolizei erhoben hat, erhärten sich: In der Nacht auf Samstag, 9. März, war es gemäss Aussagen von Opfern am Bahnhof Köniz zu einem Übergriff von Rechtsradikalen gekommen. Dabei war ein 26-jähriger Könizer spitalreif geschlagen worden. Ein alarmierter Polizeibeamter hat aber offenbar davon abgesehen, einen Krankenwagen zu alarmieren und dem schwer Verletzten Hilfe zu leisten.
Ein Jugendlicher, der zu seinem eigenen Schutz anonym bleiben will, hat gestern dem «Bund» den Vorfall bestätigt: «10 bis 15 Naziskins sind mit drei Autos beim Bahnhof Köniz aufgefahren und haben mich, den 26-Jährigen und drei weitere Jugendliche mit Eishockeyschlägern, Hämmern und Eisenstangen angegriffen. Dabei haben sie vor allem den 26-Jährigen wiederholt mit Schlägen traktiert. Dem Verletzten gelang es darauf, in ein nahe gelegenes Heim zu flüchten.»

«Deutliche Wunden am Kopf»
Ein Bekannter des Verletzen, der ebenfalls anonym bleiben will, erklärt dem «Bund», er sei kurz nach dem Vorfall kontaktiert worden und zum Heim gefahren. Er sei von Beruf Krankenpfleger und habe den Verletzten untersucht und dabei «klare Wortfindungsstörungen» diagnostiziert. Zudem habe der Verletzte «deutliche Wunden am Kopf» aufgewiesen. Der anwesende Polizeibeamte jedoch, berichtet der Bekannte, habe «die Situation unterschätzt»: «Trotz wiederholter Aufforderungen wollte der Polizist keine Ambulanz rufen.» Der Beamte habe noch beim Heim gewartet, bis die Eltern ihren verletzten Sohn ins Spital gefahren hätten.
Der Bekannte des Opfers ist Mitglied der «Aktion faschofreies Köniz», die als Reaktion auf den Vorfall gegründet wurde. Die «Aktion» erwäge rechtliche Schritte gegen die Neonazis aber auch gegen den Polizeibeamten «wegen unterlassener Hilfeleistung».

Krankenpflegerin bestätigt
Beim nahe gelegenen Heim, in dem die angegriffenen Jugendlichen vor den Neonazis Zuflucht gesucht haben, handelt es sich um das Alters- und Pflegeheim Stapfen. Manfred Gilgen, Direktor des Heimes, sagt auf Anfrage, er habe beim Seiteneingang des Heimes Blutspuren gefunden. Auch die Krankenschwester Margrit Marti, die in der Nacht auf den 9. März mit einer Kollegin Nachtwache hielt, bestätigt dem «Bund» den Vorfall: Gegen ein Uhr in der Nacht habe sie draussen Hilferufe gehört und darauf zwei Jugendliche auf der Brandschutztreppe vorgefunden. Die Jugendlichen hätten erklärt, sie seien zusammengeschlagen worden. «Der verletzte Jugendliche hat sich den Kopf gehalten, doch da er eine Mütze trug, konnte ich keine äusserliche Verletzung feststellen», sagt Marti. Auf der Strasse hätten sie und ihre Kollegin «etwa acht mit Knüppel bewaffnete Männer» gesehen, vor denen die Jugendlichen offenbar geflüchtet seien. Ob es sich bei den Männern aber um Neonazis gehandelt hat, konnte Marti nicht bestätigen. Marti sagt, sie habe sofort die Polizei alarmiert und «mindestens zwei Beamte» seien «nach 20 bis 30 Minuten» mit Taschenlampen beim Heim eingetroffen. Die Polizisten hätten darauf mit den Jugendlichen gesprochen. Marti erklärte weiter, sie habe die Beamten gefragt, ob sie «etwas helfen» könne, was die Polizisten verneint hätten.

Ermittlungen aufgenommen
Die Kantonspolizei Bern liess gestern in einem Communiqué verlauten, dass am 9. März eine Patrouille zum Pflegeheim Stapfen ausgerückt war. Ein Mann habe Verletzungen am Kopf aufgewiesen. «Da es keine Anzeichen einer erheblichen Verletzung gab, wurde dem Verletzten nur empfohlen, sich ärztlich behandeln zu lassen», hiess es weiter. Erst im Verlauf dieser Woche habe die Kantonspolizei erfahren, dass die Verletzungen «ernster Natur» seien und auf einen Angriff von Rechtsextremen zurückgehen.
«Da es sich angesichts der Schwere der Verletzungen um ein Offizialdelikt handeln könnte, sind nun auch ohne Vorliegen einer Strafanzeige Ermittlungen aufgenommen worden», hiess es weiter. Zu den Vorwürfen der «Aktion faschofreies Köniz» nahm die Polizei nicht Stellung.