2003,  Antikapitalismus,  Gender,  Hungerstreik,  Politische Gefangene,  Repression,  WEF

Hungerstreik Marco Camenisch Thorberg

Inhalt:
1. Hungerstreikerklärung


1. Hungerstreikerklärung (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2003/01/2914.shtml)
Hungerstreikerklärung
Vom 18. Januar 2003 an befinde ich mich im Totalisolations- und Totalentzugsfoltertrakt in Thorberg im mindestens 30 Tage dauernden Hungerstreik. Sofern verfüglich nehme ich mit Zucker od. Honig gesüssten Kräutertee ein.
Diese Initiative ist gegen den Krieg von Oben nach Unten gerichtet, der zur Bewahrung und Ausweitung der Herrschaft, der Interessen und Privilegien der immer Wenigeren gegen alle Anderen und gegen alle Ausdrücke des Lebens geführt wird.

Dieser Krieg wird u.a. durch Repression, durch Ermordung und durch Folter gegen widerständige Völker, Gruppen und Individuen geführt. Dazu gehören auch die sozialen Gefangenen und die Widerstandsgefangenen, indem diese Gefangenen dieses Krieges weiter ermordet und gefoltert werden.
Vor allem wird versucht, die Gefangenen der revolutionären Bewegungen und der Volksbewegungen des Widerstandes für Unabhängigkeit, Befreiung, Klassen- und Umweltkampf körperlich und in ihrer individuellen, sozialen, politischen und kulturellen Identität zu zerstören. Das geschieht durch direkte Ermordung und Folter, durch langsame Ermordung und Folter in Einzel- und Kleingruppenisolation, durch Versprengung und Deportation, durch die Weigerung kranke u. schwerkranke Gefangene angemessen zu behandeln und freizulassen, durch den Entzug persönlicher Gegenstände, Betätigungsmittel, Bewegung, durch schlechte Haft- und Lebensbedingungen, durch alltäglich Entwürdigung und Erniedrigung und durch Zwangsarbeit, durch die Erniedrigung und Verfolgung der Angehörigen und der anderen solidarischen Bezugspersonen.

Dieser Krieg ist ein Eroberungskrieg und wird durch Besetzung, Völkermord, Ausbeutung der Menschen, Tiere, Pflanzen und der Natur als Ganzes geführt. Er wird durch Rassismus, Sexismus, Fremdenfeindlichkeit und die Teilung der Menschen und die Teilung der Dinge durch die Wissenschaften nationalisiert. Er wird durch die Zerstörung der sozialen Solidarität, durch Sozialabbau und die Zerstörung unserer und unserer Nachfahren Lebensgrundlagen geführt. Er wird mit der Massenvernichtungswaffe geführt, die industrielle und technologische Zivilisation heisst, um das hierarchische Herrschafts-, Produktions- und Warenkonsummodell des Kapitalismus und der Moderne zu retten.
Diese Hungerstreik ist ein Zeichen der Solidarität mit allen Ausdrücken des Widerstandes gegen diesen Krieg, gegen seine Rationalisierungen, Ausdrücke und Ursachen, gegen seine Teilziele und gegen seine umfassenden Ziele.

Diese Initiative ist solidarisch mit den Gefangenenkämpfen gegen den türkischen E-Typtrakt, den spanischen FIESfoltertrakt, gegen den italienischen HS- und Art. 41bis-Trakt, gegen alle Hsfolterträkte in Europa, in den USA, in Lateinamerika und überall, ist solidarisch mit den Kämpfen des Widerstandes draussen gegen Isolationsfolter und für den Schutz und die Befreiung der Gefangenen aus dem Widerstand und aller Gefangenen, bis alle Zäune und Mauern, aller Einschluss und Ausschluss verschunden sind.
Diese Initiative ist ein Zeichen der Solidarität mit den radikalen und revolutionären Kämpfen gegen Herrschaft, Militarismus, Patriarchat, kapitalistische Zivilisation, Hierarchie, Ungleichheit und Ungerechtigkeit.
Gegen das WEF! Solidarität mit dem radikalen Widerstand gegen das WEF, der KriegstreiberInnen und der KriegsgewinnlerInnen! In Davos, überall und immer!

Dieses wiederholte und widerwärtige Treffen der weltweiten Interessengemeinschaft der herrschenden AusbeuterInnen und MörderInnen mit Heiligenschein, zur Organisierung und Optimierung ihres Krieges auf allen Ebenen und des 3. Weltkrieges gegen den Rest der Welt, und den übriggebliebenen Rest der Welt, findet in meinem kleinen Ursprungslang Graubünden statt. Es findet auf Kosten der Ausgebeuteten Bündens, der Schweiz und der Ausgebeuteten und Unterdrückten aller Länder statt. Es findet dank der hingebungsvollen Loyalität und auf Betreibung der lokalen Herrschenden und ihren repressiven Apparaten statt, im Verbund mit den Herrschenden und den repressiven Apparaten aller Länder. Der lächerliche Vorwand der Repression zur Abschaffung der sog. Grundrechte und der übriggebliebenen lokalen Selbstbestimmung ist die „Souveränität“, die „Gastfreundschaft“ und die „Sicherheit“. Während es in Tat und Wahrheit um die vollständige Privatisierung zugunsten Weniger, um Beherrschung und Verwertung, bis zur Zerstörung, des kleinen Landes u. aller Länder mit ihren Menschen, ihrer Natur, ihren Ressourcen und Institutionen geht.

Unser Widerstand kann dem WEF den Garaus machen, wenn er grundlegend ist, und wenn er sich in gegenseitiger und verantwortungsvoller kritischer Solidarität aller Ebenen und Methoden des Kampfes einsetzt und weiterentwickelt.
Davos ist überall und immer und wird sich gegen das Zaudern und Hoffen des „MÖGLICHEN“ mit Leichtigkeit und endgültig durchsetzen.
Dialog, Zusammenarbeit und Absprachen mit dem WEF ist schon eine Spaltung in „Gute und Böse“, verhilft dem Heiligenschein der MörderInnen zu blendender Stärke und wird uns bestenfalls zu pathetischen StatistInnen im Theater der „Unfolgsamen“ und Zahmen machen, wo die Herrschenden eine weitere ihrer Darstellungen des Widerstandes gegen sich selbst selber konstruktiv konstruieren und aufführen können.

Spaltung; Die Verurteilung der „Bösen“ durch die „Guten“ im Chore mit der herrschenden Lügenpropaganda, die Verurteilung überlebensnotwendiger Gegengewalt und Selbstverteidigung unter Ausblendung und Nichtwahrnehmung der ursächlichen immensen Gewalt der Besitzenden und ihrer Staaten: das ist schlussendlich Loyalität mit dem Besitz und den Besitzenden. Es ist die ängstliche und unterwürfige Loyalität mit der masslosen und extremistischen strukturellen und rohen militärischen Gewalt und Gewaltbereitschaft der Terrorherrschaft der Besitzenden. Loyalität mit dem Besitz ist auch Loyalität mit der selbst und von allen Anderen erlittenen Ausbeutung und Unterdrückung und der Zerstörung der Lebensgrundlagen aller und unserer Kinder, zugunsten der Herrschaft, der Privilegien und der sinnentleerten Anhäufung von abstraktem Reichtum der immer wenigeren Besitzenden. Darum:

WEG MIT DIESER WELT FÜR WENIGE!
DIESE WELT IST UNMÖGLCIH UND EINE ANDERE WELT IST NOTWENDIG, SUBITO!!
Mit dieser Initiative informiere und protestiere ich auch gegen die Weiterführung des Terrorkrieges der Herrschenden, mit dem Ziel der Vernichtung, gegen mich als Gefangener aus dem Widerstand, gegen mein solidarisches soziales und politisches Beziehungsumfeld und damit auch gegen den radikalen Widerstand und den Widerstand allgemein, und weise hin auf:

1) den Entzug legaler sozial-politischer Kommunikation, Information, Auseinandersetzung und schriftlicher Betätigung durch konzertierte Massnahmen der Bezirksanwältin C. Wiederkehr, ZH, des Minitodtdep. GR und der Anstalt Thorberg (BE). Auch nach dem Abschluss der Untersuchung und der U-Haft werden die Kontrolle und die objektiv grundlosen Beschränkungen, Beeinträchtigungen und Verbote der Korrespondenz, Besuche und Telefongespräche von der BAin Claudia Wiederkehr (ZH) weiter aufrechterhalten. Die Spitze ist das grausame Telefonverbot mit meiner Familie, obwohl meine Mutter wegen hohem Alter, aus Krankheits- und Entfernungsgründung besuchsunfähig ist.

Nichtfamilienpost und teilweise auch Briefmarken-, Bücher- und Zeitschriftensendungen werden von der BAin zurückbehalten. Telefonieren: ausschliesslich mit dem Verteidigungsbüro.
Die Anstalt entzieht im HS-Trakt u.a. Schreibmaschine, Bleistift, Radiergummi, politische mehrsprachige Bücher u. Zeitschriften. Ob mir alle von der BAin zugestellten Druckerzeugnisse übergeben werden entzieht sich z.Z. meiner Kenntnis.
Die Post meiner italienischen Ehefrau in einer der Amtssprachen der CH erhalte ich mit Verzögerungen von bis über 14 Tagen.

BAin C.W. ist Tochter des Oligarchen und NOK-Axpo-Chefs Peter Wiederkehr von Zürich. Ich habe die NOK in GR vor 25 Jahren im Rahmen des sozialen Klassen- und Umweltkampfes (Anti-AKW) militant angegriffen. BAin C. W. ermittelte, im selben Klassen- u. Umweltkampfrahmen, wegen 23 bzw. 13 zurückliegenden Tatbeständen (Ausbruch Regensdorf, Tötung eines Grenzwächters in Brusio). Ueber 10 Jahre lang hatte ich vor der Auslieferung und Untersuchung durch die BAZ unbeschränkte soziale und politische Korrespondenz, unbeschränkten Zugang zu legalen Druckerzeugnissen, unzensierte Besuche und Telefongespräche mit meiner Mutter, meinem Bruder und meiner Ehefrau. Der Vorwand der BAin der Kollusions- und Verdunkelungsgefahr ist daher lächerlich. In Italien u. Zürich (BG-Pfäffikon) hatte ich Zugang zu Schreibmaschine u. Computer.

Folglich können diese konzertierten Entzüge als:
– Ein Teil der politischen und persönlichen Rache v.a. der BAin C. W. gegen mich und mein solidarisches Umfeld und teils als Sippenhaftung meiner Angehörigen betrachtet werden.
– Der Versuch betrachtet werden, die Polizei- und Justizkonstruktion zur Verleumdung meiner Militanz (u. folglich des radikalen Widerstandes) weiter unter Verschluss zu halten. Nach einer sofortigen extralegalen Schuldzuweisung seitens der Kantons-, Bundesbehörden und über Massenmedien ist diese Konstruktion nachträglich in auch zeitlich weit auseinanderliegenden Ermittlungsschritten, vor allem durch die Konstruktion, Beeinflussung und Erpressung zur Falschaussage von Zeugen, mehr oder weniger kompetent massgeschneidert worden.

2) den Entscheid der Minitodt GR (d.h. des Bau-, Verkehrs- und Forstdepartementes mit angegliedertem Amt für Massnahmen- u. Strafvollzug, was vage an die nazistische Administration Todt in Deutschland bis 1945 erinnert), ich sei „zur Verbüssung der erwähnten Strafe (8 Jahre u. 16 Tage) bis auf weiteres in der Hochsicherheitsabteilung der Strafanstalt Thorberg zu unterbringen“. Die Minitodt GR (mit Chef Regierungsrat und WEF-Chefunterhändler) – mit nicht repräsentativen ReformistInnen des Dissenses – Stefan Engler und Unterzeichnenden für obg. Entscheid des einschlägigen Amtes K. Prader) ist selbstverständlich eng mit der Elektro- und Atommafiawirtschaft liiert, und die obg. noch zu verbüssende Strafe ist die Reststrafe der 10 Jahre von Chur 1981 für meinen militanten Angriff gegen die NOK u. die Atommafia in Graubünden. Dieser Entscheid missachtet u.a: – mein Gesuch um Annäherung an die Familie ins Tessin, wo meine Mutter u. mein Bruder, wohnhaft im Puschlav, Besuche ev. erst ausführen könnten; und meiner Ehefrau, wohnhaft in der Toskana, Italien, ebenfalls eintägige anstatt 2 – 3tägige Besuchsreisen zugemutet werden könnten. Dieses Gesuch wurde vom Justizministerium ZH, bzw. dem BG Pfäffikon, wo ich nach 1 ½ Monaten Hochsicherheit in den „normalen“ U-Haftvollzug als „Normalgefangener“ verlegt wurde, unterstützt.
– dass nach mehr als 10 Jahren Kleingruppenisolation in Italien und 9 Monaten U-Haft im BG Pfäffikon keinerlei disziplinarisch oder strafrechtlich relevante Vorkommnisse zu verzeichnen sind.
– allgemein die grosse und hälftig in Haft verbrachte vergangene Zeit, das fortgeschrittene Alter und die damit verbundenen objektiven Veränderungen allgemein und erklärtermassen, die nicht mehr vorhandenen persönlichen Voraussetzungen zum auch klandestin-bewaffneten revolutionären Einsatz.
– die Perspektive der „sozialen Wiedereingliederung“ (bzw. Resozialisation nach langfristiger Desozialisation durch Ein- u. Ausschluss) im geographischen, sozialen und kulturellen Raum, der mir u. meiner Ehefrau, beide italienischsprechend geprägt, entspricht.

Festzustellen ist aber auch, dass auch ohne diese Voraussetzungen ein Entscheid zur Totalisolations- u. Totalentzugsfolter jedenfalls einem Willen zur Vernichtung und keinesfalls einem Sicherheitsbedarf entspricht. Was als „Hochsicherheit“ verkauft wird, hat mit objektiver Sicherheit überhaupt nichts oder nur zum kleinsten Teil etwas zu tun.

3) den erneuten schweren Angriff auf das Recht auf Verteidigung in einem schon fragwürdigen politischen Prozess.
Am 20.12.02 wollte mein Vertrauenspflichtverteidiger RA B. Rambert einen Verteidigerbesuch abstatten. Die Anstalt beharrte darauf, der Verteidigerbesuch sei in einem Raum mit Trennscheibe durchzuführen. Richtigerweise verweigerte der RA einen Besuch unter diesen Umständen. Ein Raum mit Trennscheibe, Abhör- und Registrationsvorrichtungen verhindert eine effektive mündliche u. schriftliche Verteidigungsarbeit und verletzt somit, auch durch die praktische Aufhebung des Verteidigungsgeheimnisses, das Recht auf angemessene Verteidigung.

Schon vorgängig wurde auf Betreiben der BAin C.W. und des Bez.gerichtspräs. Hauri (ZH) die Ausschaltung einer glaubwürdigen u. effizienten Verteidigung versucht, indem meinem langjährigen Vertrauensanwalt RA B. Rambert plötzlich eine Interessenkollision und mir ein Pflichtverteidiger der Wahl des BG Präsidenten unterschoben wurde. Dieser Entscheid wurde auf Rekurs hin vom Obergericht Zürich aufgehoben und mein Vertrauensanwalt als Pflichtverteidiger meiner Wahl eingesetzt.
Während der U-Haft fanden Verteidigerbesuche ausnahmslos in Räumen ohne Trennscheibe statt.
Interne Regelungen der Anstalt Thorberg zum Entzug für HS-Gefangene sehen unter a. vor, auf der Zelle seien Verteidigungsunterlagen nur beschränkt zu gestatten! Zur Zeit betrifft mich diese Regelung wohl nur deshalb nicht, weil ich z.Z. sehr wenig Verteidigungsunterlagen bei mir habe. Telefongespräche mit der Verteidigung finden auf einem mobilen Apparat auf der Zellentüre statt, bei geöffneter Panzeraussentüre mit drei zuhörenden Wärtern.

4) die im Thorberg besonders eifrig und gleichgültig detailsadistisch vollzogene Totalisolations- und Entzugsfolter. Einige Details sind schon oben festgestellt sowie, dass der Vollzug in „Hochsicherheit“ mit objektiven Sicherheitsmassnahmen nur im geringsten Teil etwas zu tun hat. Er besteht hingegen vor allem aus sinnentleerten Massnahmen und Entzügen zur systematischen und willkürlichen Quälerei und zur Erniedrigung der gefangenen Menschen, unabhängig von dessen Verhalten, um ihn auf der Ebene eines kretinen psychopatischen Killers anzusiedeln. Die Massnahmen sind tatsächlich zum grossen Teil auf einem alltäglichen höchsten Niveau von sadistischem Kretinismus angesiedelt, der allerdings in der folgenden lückenhaften Zusammenfassung der Haftbedingungen nur andeutungsweise vermittelt werden kann.

Der Spezialvollzug im Haus B „Neubau“ im Thorberg hat 40 Plätze, davon 32 Einzelzellen, und besteht aus den Abteilen „Sicherheit I“ u. „Sicherheit II“. Die I ist der tote Hochsicherheitstrakt mit vermutlich 4 – 6 Zellen, Zugang über einen Lift, mit Dusche und Umkleideraum. Zur Zeit sind wir 2 Gefangene hier ohne Kontakt zueinander od. zu weiteren Gefangene. Jede Bewegung ausserhalb der Zelle und jede Türschalteröffnung findet mit 3 Wärtern statt. Jede Bewegung ausserhalb des Abteils findet in Handschellen statt (zum Spazierkäfig, zum Arzt etc.), möglichst unter Vermeidung von Begegnungen mit anderen Gefangenen. Der BesucherInnenraum mit Trennscheibe auf Gefangenenseite ist direkt vom Abteil und ohne Körperkontrollen etc. zugänglich. Zugang BesucherInnenseite vermutlich durch Detektoranlage.
Einzelzelle: ca. 3 x 6 m, weisse Wände, Decke Beton nature, Boden schwarze Teerpappe, halbe Trennwand zwischen Lavabo, WC und Gegensprechanlage mit einverleibtem Radio mit 5 Kanälen, daneben Doppeltüre, innen Gitter u. aussen Panzertüre, daneben offenes Ablagegestellt aus Holz u. nicht fixiert. Schartenfenster 2 auf ganzer Höhe, ein schmales u. ein breiteres, wo der Lichteinfall durch den massiven u. in der Mitte angebrachten Fensterrahmen gering ist. Unten ein Flügelfenster und oben ein Kippfenster zur autonomen Lüftung. Panzerglas, aussen Feinvergitterung + „Normgrobvergitterung“. Eine Wand-(Lavabo) u. eine Deckenlampe je 60 Watt, Milchglasschirm. Genügende Beleuchtung zum Lesen u. Schreiben besteht praktisch nur bei Sonnenlicht (bis jetzt höchstens 3 kurze Nachmittage auf 15 Tage). Tisch- od. Leselampe „verboten“ („verboten“ i.d. Folge = V). Bettwäsche OK ausser ergonomisch ungenügendes Kopfkissen. Ein weiteres od. konsistenteres V. Bodenheizung in den vorgängigen kälteren Tagen ungenügend, Beanstandung bei Direktor u. Personal u. Arzt erfolglos. Warmwasser 3x/Tag während den Mahlzeiten.

Zellenausrüstung: Korbpapierkorb (Korberei), Schäufelchen u. Beselchen, kleine Putzlappen (auch zur Bodenreinigung), Putzmittel WC, Lavabo, Geschirr OK. Fernseher OK. Einkauf allg. u. Frischgemüse u. -Früchte OK. Klebestift u. Pfannen V, kochen V. Habe aber Tauchsieder mit kleiner Kaffeekanne aus Stahl für Tee, Kaffee etc. Bettflasche V. Darm- und Nasendusche aus den Effekten erst nach ärztlicher Erlaubnis, Homöopathie- und Fitotherapiemedikamente alle erhalten.
Essen: vegetarisch ohne Probleme und OK. Ausschliesslich leichtes Wegwerfgeschirr aus Plastik. Glas V. Erhielt anstandslos eigene Hygieneartikel aber Bademantel V, Dusch- und Massagehandschuh V.
Kleidung: ausser 1 Pyjama und einer leichten Trainerhose nichts eigenes. Anstaltskleider teilweise in sehr schlechtem Zustand, Unterwäsche im Überfluss, bei Kälte ungenügend, vor allem die leichten Kunstfasersocken und die einzig verfüglichen Stofftennisschuhe. Anfragen nach eigenen Socken aus Wolle und eigenen Schuhen trotz Hinweis auch beim Arzt auf meine durch Schussverletzungen stark kälte- und berührungsempfindlichen Füsse erfolglos. Auch bei Eis, Regen u. Kälte keine Mäntel od. Jacken verfüglich (bis anhin).
Arzt: hat bis jetzt noch kein Dossier (z.B. von Pfäffikon) zur Verfügung. Arztvisiten in Handschellen aber immerhin ohne nicht medizinisches Personal dabei. Fühlt sich für nichts verantwortlich bzw. Lichtverhältnisse, Kälte, Isolationsfolter und weist auf eine gute Führung u. die Verbote des Hauses u. die Verantwortung der Direktion hin. Beantwortet meine Frage, ob er dem Arztkittel od. der Wärteruniform verpflichtet sei, nicht eindeutig. Gemäss Hausordnung ist Urin-, Blut- (und Rektal-)kontrolle auf Anordnung des Wachpersonals od. Arztes obligatorisch. Ich verweigerte die unverzüglich beim Eintritt geforderte Urinprobe unter Hinweis auf Verfassungs- und deontologische Rechte.
Dusche: 3 x/Woche, immer Morgens früh vor einem Arbeitstag (oder vor einer allerdings utopischen körperlichen Betätigung), u. auch schon unmittelbar nach der Reingabe des Frühstücks „angeboten“). Nicht obligatorisch. Dusche OK.
Hofgang: Morgens früh noch bei Nacht/Morgengrauen. Zelle, Umkleideraum, nackt ausziehen und vollständig andere Kleider u. zu grosse zerschlissene Tennisstoffschuhe anziehen, Handschellen um 1 Stockwerk höher zum Dachkäfig zu gehen, werden im Hof durch einen Schalter abgenommen. Bei Nieselregen, Kälte und Wind war ich trotz emsig marschieren brutal durchfroren. Beim Rückweg dasselbe Prozedere umgekehrt. Leibchen, leichter Pullover u. Hausjacke, leichte Arbeitshosen und Hochsommerclochardbeschuhung als völlig ungenügender Kälte- u. Wetterschutz, die teilweise Dunkelheit, der erniedrigende Striptease und die Handschellen kommt einer Verweigerung genügender Voraussetzungen zum Hofgang gleich, also praktisch einem Entzug des Hofganges, den ich bis jetzt so nur einmal machte.
Arbeit: Sofern verfüglich, findet sie in einer Nachbarzelle statt, monoton-stupide Montage od. ähnliches, Entlöhnung unklar, zum „Verdienstanteil“ erhielt ich bis jetzt ein Punkteformular, maximal 16/Tag. 4 P. je vier „Qualifikationen“ (Leistung, Verhalten / Einsatz, Absenzen / Pünktlichkeit, innerer Dienst). 0 = unbrauchbar, 1 = ungenügend, 2 = genügend, 3 = gut, 4 = sehr gut. Dieses perfide Punktesystem, das der Willkür u. der Schikane Tür und Tor öffnet, scheint einem scheinbar besonders reaktionären Knast völlig gerecht zu werden. Auch falls ich auf weiterhin die „besten Noten“ erhalten sollte…
„Freizeit“: Ausser 4 Wörterbüchern und 2 Büchern (Yoga, Eigenurintherapie) keine aus den Effekten erhalten. Gemäss Hausordnung kann die Anstalt nach Gutdünken Drucksachen u. BesucherInnen zurückweisen („bei schlechter Beeinflussung des Gef.“). Es liegt keine HS-spezifische „Hausordnung“ auf, ich muss aber annehmen, dass keine ausserhalb der Zelle u. des Dachkäfigs mögliche Betätigung erlaubt wäre.
Gesprächskultur: rudimental. Zur Zeit hat sich, ausser dem Direktor in einem Zellenbesuch zur Information des Minitodtentscheides und einer Mitarbeiterin des Sozialdienstes (.a. zur Postkontrolle zuständig, falls nicht anderweitig ausgeführt, also eine Art Anstaltsinterne CIA, teilte mir mit, dass ev. weitere Gespräche mit ihr mit Trennscheibe stattfinden!) kein Mensch vom Personal als Ansprechpartner / Verantwortlicher vorgestellt, auch auf Anfrage hin nicht. Mehr oder weniger klar wurde mitgeteilt (Arzt!, Direktor, Personal), dass die Dauer der HS-Haft von der „Führung“ abhänge.
Anwaltspost: Wird bei Erhalt gegen Quittung geschlossen übergeben, muss eigenhändig geöffnet werden und dann einem Wärter zur eingehenden Kontrolle auf „verbotene Gegenstände“ ausgeliehen werden.

Selbstverständlich ist diese Erklärung an die GenossInnen und FreundInnen des radikalen Widerstandes und an die Öffentlichkeit allgemein gerichtet und als öffentliche Schrift auch den verantwortlichen Stellen und Behörden zugänglich, von denen ich hier für eventuell als notwendig erachtete Stellungsnahmen die Anschriften bekannt gebe. Für die hier gemachten Angaben u. Wertungen zeichne ich u. ausschliesslich ich als verantwortlich. Dasselbe gilt für eine grösstmögliche Verbreitung.

Adr. Thorberg: Anstalten Thorberg
Dir. Hans Zoss
3326 Krauchthal

BAZ ZH: BAZ / A-1
Molkenstr. 15/17, Postfach
8026 Zürich

BG Pfäffikon: Bezirksgefängnis
8336 Pfäffikon (ZH)

Bau-, Verkehrs- etc.: Bau-, Verkehrs- u. Forstdep. GR
Stadtgartenweg 11
7000 Chur

Straf- u. Massnahmevollzug: Bau-, Verkehrs- u. Forstdep.
Straf- u. Massnahmevollzug
Hofgraben 5
7000 Chur

Meine Adr.: Marco Camenisch
C/o BAZ / A-1
Molkenstr. 15/17, Postfach, 8026 Zürich

Thorberg, den 1. Januar 2003

Marco Camenisch