2004,  Repression

Pressekonferenz Gummischrotverletzungen

Inhalt:
1. Dossier Gummischrot


1. Dossier Gummischrot (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2004/03/20199.shtml)

Dossier Gummischrot.pdf
Wie heute in Bern an einer PK bekannt gegeben wurde, verlor am 16. Dezember ’03 in Bern an der Demo gegen die Armee XXI erneut jemand sein Augenlicht durch ein „Gummigeschoss“. Der Betroffene erlitt eine Netzhautablösung und hat z.Zt. einen Sehverlust von 80%.
Gleichzeitig wurden neue Fälle von Gummigeschoss-Verletzungen vom 7.1.04 aus Burgdorf BE bekannt, die Zahl der bisher bekannten Opfer mit z.T. schweren Verletzungen (u.a. Nasenbein- und Wangenknochenbrüche) erhöht sich damit auf 9.
Leider war die PK anscheinend nur für die lokalen Berner Medien ein Thema.

Fall #11: Netzhautablösung 16.12.03
(Meldung an PigBrother)
Der Verletzte wurde in Bern aus einer Distanz von 3-4 Metern getroffen. Netzhautablösung, z.Zt. 80% Sehverlust, zusätzlich blutende Wunde unterhalb des Auges. Wurde am 8. Januar operiert, weitere Operationen erforderlich. Hat Anzeige eingereicht.

Sein an der PK vom 18.3.04 veröffentlichtes Gedächtnisprotokoll:
«16. Dezember, Guisanplatz, Bern, 16.30 Uhr: Rund 10’000 Armeefans strömen ins Eisstadion, um der Geburtstunde der Armee XXI beizuwohnen. Gleichzeitig besammeln sich 200 ArmeekrritikerInnen beim Bea-Messeglände um die Armeefans mit einer satirischen Protestparade zu empfangen und gegen den zunehmenden Einsatz von Armeeangehörigen als Hilfssheriffs bei Demonstrationen und den Mitlitarismus im allegemeinen zu demonstrieren.
Und natürlich ist auch die Berner Stadtpolizei mit einem Grossaufgebot anwesend. Diejenigen die vor dem angekündigten Zeitpunkt beim Besammlungsort der Kundgebung eintreffen und aufgrund ihres Äusseren im Verdacht stehen armeekritisch eingestellt zu sein, werden von der Polizei kontrolliert und verhaftet. Erst als eine Gruppe von rund 25 DemonstrantInnen mit rosa Panzern und Kartongewehren und einer eigenen Kavallerie beim Guisanplatz ankommen und zahlreiche Medienschaffende begannen zu filmen und fotografieren, hört die Polizei auf, die eintreffenden DemonstrantInnen zu verhaften.

Nachdem die TeilnehmerInnen der Armeefeier alle unbeschadet ins Eisstadion gelangten, beginnt die Polizei die angehaltenen mit Handschellen gefesselten ArmeeekritikerInnen in einen bereitstehenden Kastenwagen zu verfrachten. Die DemoteilnehmerInnen eilen zu Hilfe und versuchen den Kastenwagen mit einer Sitzblockade am Wegfahren zu hindern, was von den Polizeigrenadieren mit einem brutalen Knüppeleinsatz unterbunden wird. Ein Kundgebungsteilnehmer muss sich darauf mit einer blutenden Kopfwunde zur Behandlung ins Spital begeben.
Die KundgebungteilnehmerInnen bleiben vor Ort und warten bis das einstündige 140’000 Franken teure Armeespektakel in der Eishalle beendet ist, um die patriotischen Zuschauer beim nach Hause gehen zu verabschieden.

Zwischenzeitlich formieren sich die DemonstrantInnen zur Protetparade auf einen nahegelgenen Parkplatz. Den Eingang zu den Bea Hallen hat die Polizei mit einem Gitterzaun abgesperrt, dahinter befinden sich eine Hand voll Polizeigrenadiere, was die Aufmerksamkeit einiger DemonstrantInnen auf sie zieht. Sie beginnen am Gittterzaun zu rütteln und einige bleiben noch beim Zaun als der Grossteil der DemonstrantInnen schon weitergezogen ist. Aus einiger Entferrnung beobachte ich wie rund 30 Polizeigrenadiere im Laufschritt vom Guisanplatz her kommend der Bea Halle entlang rennen, auf die wenigen am Gitterzaun verbleibenden KundgebungsteilnehmerInnen zu. Um diese vor der heraneilenden Gefahr in Blau zu warnen, begebe ich mich in deren Richtung. Ich rufe den Leuten am Zaun zu, sie sollen doch besser weiter gehen, als ich plötzlich einen starken Schlag am Kopf verspüre und einen lauten Knall höre. Ich gehe zu Boden und spüre das Blut aus meinem Auge in meine Hände tropfen. Was ich immer als Möglichkeit verdrängt hatte ist eingetroffen: ich wurde von einem Gummigeschoss im Auge getroffen, abgefeuert aus einer Distanz von 3 – 4 metern von einem Berner Stadtpolizisten.

Ein durch die Demo blockierter Autofahrer bringt mich ins Inselspital, wo mir eine Wunde unterhab des linken Auges zugenäht wird. Meine Sehkraft im linken Auge bleibt stark eingeschränkt. Aufgrund des Schlages des Gummigschoss löst sich die Netzhaut ab, was mit einer Operation anfangs Januar versucht wird rückgängig zu machen, was auch gelingt. Die Sehstärke meines inken Auges bleibt jedoch auf 20% beschränkt und eine längerfristige Prognose können die Ärzte erst Mitte April, nach der nächsten Konsultation, stellen. Sicher ist jedoch, dass ich bleibende Schäden davontragen werde und mir wahrscheinlich noch weitere Operationen bevorstehen.
Am 15. März habe ich Anzeige gegen die Stadtpolizei wegen schwerer Körperverletzung, Amtsmissbrauch und Nötigung eingereicht.»

–> Obwohl in den letzten 20 Jahren zahlreiche Anzeigen gegen Polizeibeamte wegen Unterschreiten des „Gummigeschoss“-Mindestabstands von 20 Metern sowie Körperverletzung eingereicht wurden, kam es bisher noch nie zu einem Prozess — oder nur schon zu einem Disziplinarverfahren. Allein in Zürich sind in den letzten 3 Jahren 3 Anzeigen im Zusammenhang mit Augenverlusten eingereicht worden — bis auf den heutigen Tag wie üblich ohne Resultat