2007,  Repression

Räumung Gassenküche

Inhalt:
1. Communqiué
2. Bilder
3. Medienbericht

1. Communqiué (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2007/05/49638.shtml)
Medienmitteilung der Gassenküche (SiKB) zur gewaltsamen Räumung vom letzten Sonntag 27.5.2007
Die Gassenküche, welche seit 16 Jahren, getragen durch Freiwilligenarbeit, gratis Essen an alle hungrigen Menschen verteilt und dafür vom Gemeinderat für illegal erklärt wurde, begann nichts desto trotz um 18:15 mit der Essensausgabe auf der Kleinen Schanze. Trotz der für uns überraschend massiven Repression (mindestens 10 volle Kastenwägen standen seit 17:00 im Einsatz) gesellten sich dennoch einige mit uns solidarische Menschen von der Gasse zu uns. Es konnten zwar einige Portionen unseres Essen verteilt werden, jedoch wurden nach 10min. die Leute vom völlig unverhältnismässigen Eingreifen der Stadtpolizei effektiv am Essen gehindert. Dieser vom Gemeinderat veranlasste martialische Polizeieinsatz mit Tränengas führte zum gewaltsamen Ende der Essensausgabe. Dabei wurden die Gaspetarden mitten in die Menge geworfen, währenddem die Gassenküche am Essen verteilen war. Teigwarensalat gewürzt mit Tränengas schmeckt wohl höchstens dem Gemeinderat.

Trotzdem bezeugten unsere BesucherInnen, dass die Gassenküche für viele Menschen auf der Gasse sehr wichtig ist. Dies erstaunt umso mehr, da Polizei, Securitas sowie Pinto den ganzen Nachmittag damit beschäftigt waren, allen glaubhaft zu machen, die Gassenküche finde an der Hodlerstrasse statt. Dort fanden sie jedoch nur ein paar von der Stadt aufgewärmte Dosenravioli vor. Obwohl der zynische Unterton unüberhörbar ist, freuen wir uns natürlich, dass die Stadt endlich eingesehen hat, dass die Anlaufstelle auch Sonntags geöffnet werden muss. Leider wurde der Deal am Sonntag im Innenhof der Anlaufstelle nicht geduldet und somit wurde das Angebot schlecht genutzt. Die Trennung Deal/Konsum ist scheinheilig oder naiv, denn wo konsumiert werden soll, muss Stoff vorhanden sein.

Übrigens, der Injektionsraum der Hodlerstrasse wurde nicht vom Anlaufstellenteam betreut, sonder von der Sanitätspolizei. Das Anlaufstellenpersonal wollte sich nicht für das Politspiel des Berner Gemeinderates einspannen lassen. Für diese Solidaritätsbekundung danken wir. Auch ansonsten bekundeten viele ihre Solidarität mit uns, wir wurden z.B. unterwegs immer wieder mit Applaus begleitet.

Was der ganze Polizeizirkus am Sonntag gekostet hat wissen wir nicht. Wir wissen nur, dass unsere Essenausgabe die Stadt noch keinen Franken gekostet hat. Statt während der Gassenküche ein drei Stunden Miniangebot aufzuziehen, begrüssten wir es, wenn die Stadt endlich 24 Stunden für ALLE zugängliche Anlaufstellen zur Verfügung stellen würde.

Am Tag der Räumung standen wir noch immer mit dem Gemeinderat in Kontakt. Leider kam dabei nie ein richtiger Dialog zu Stande, da der Gemeinderat stur seine Forderungen wiederholte: die Gassenküche habe dafür zu sorgen, dass kein Deal stattfinde und es würden nur zwei Standorte rund ums Bollwerk toleriert, nämlich den Innenhof der Anlaufstelle oder den Hirschenpark. Wie unserer Antwort an Frau Olibeth von gestern Sonntag Mittag zu entnehmen ist, sind diese Orte für die Gassenküche nicht akzeptierbar. Die Gassenküche fordert vom Gemeinderat nach wie vor einen für alle unsere BesucherInnen akzeptierbaren Platz im öffentlichen Raum.

Der öffentliche Raum ist für ALLE da!
Mit Messer und Gabel gegen die Repression!
Wir lassen uns nicht weichkochen.


2. Bilder (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2007/05/49624.shtml & http://ch.indymedia.org/de/2007/05/49632.shtml)


3. Medienbericht (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2007/05/49623.shtml)
Streit um Standort der Gassenküche geht weiter
Im Streit um den Standort der Berner Gassenküche ist die Stadt am Sonntag hart geblieben. Die Stadtpolizei löste eine friedliche Kundgebung von Gassenküche-Sympathisanten auf. Eine Lösung ist weiterhin nicht in Sicht.

Essensabgabe bei der Gassenküche
Über 50 Personen zogen kurz nach 18 Uhr durch die Innenstadt zur Kleinen Schanze. Die Stadtpolizei Bern sprach in einem Communiqué von rund 70 Demonstranten. Dem Zug folgten die Beamten der Stadtpolizei mit mehreren Einsatzwagen. Auf der Kleinen Schanze hielt der Kundgebungszug an, wurde daraufhin von den Polizeikräften aber zum Verlassen des Platzes aufgefordert.
Als die Demonstranten dieser Aufforderung nicht Folge leisteten, und schweigend stehen blieben, feuerte die Polizei zweimal Tränengaspetarden ab. Wenig später zogen die Kundgebungsteilnehmer wieder friedlich durch die Stadt Richtung Reitschule. Unterwegs verteilten sie das mitgebrachte Essen an Randständige, Symathisanten und Passanten.
Der städtische Polizeidirektor Stefan Hügli (FDP) sprach auf Anfrage von einem moderaten Polizeieinsatz.

Stadt will Standorte vorgeben
Ende April hatte die Berner Stadtregierung angekündigt, die sonntägliche Gassenküche nur noch an den von ihr genehmigten Standorten zu dulden, darunter die Drogenanlaufstelle an der Hodlerstrasse. Die Stadt kritisierte, dass bei der Essensabgabe der Gassenküche jeweils auch Drogen gedealt und konsumiert würden.
Die Organisatoren der Gassenküche hingegen lehnten die vorgeschlagenen Alternativstandorte ab. Die SchülerInnenkoordination Bern, die hinter der Gassenküche steht, verfolgt nach eigenen Angaben mit der Essensabgabe auch politische Ziele.
Sie will die Gassenküche nicht an einen dezentralen Ort verschieben, weil damit die «Säuberungspolitik» des Gemeinderates unterstützt würde. Die Gassenküche verstehe sich als «akzeptierendes und niederschwelliges Angebot» für alle. Nebst Essen biete man den Menschen auf der Gasse «wenigstens eine Stunde repressionsfreien Raum».
Trotzdem Essen an der Hodlerstrasse
Die von der Stadt vorgeschlagenen Alternativstandorte befänden sich auch zu nahe bei der Reitschule. Damit verschärfe die Stadt «die dort von ihr produzierte Drogenszene», bekräftigten die Gassenküche-Verantwortlichen am Sonntag erneut ihre Haltung.
Die Stadt ihrerseits organisierte laut Hügli am Sonntag an dem von der Gassenküche nicht akzeptierten Standort an der Hodlerstrasse eine Essens- und Spritzenabgabe.

Schraube angezogen
Am vergangenen Sonntag hatte die Polizei die Gassenküche am ursprünglich geplanten Standort verhindert, tolerierte sie aber auf der Kleinen Schanze noch. Gleichzeitig machte die Stadt aber klar, dass dies in einer Woche nicht mehr der Fall sein werde und man dann eine entsprechende Aktion notfalls mit polizeilichen Mitteln auflöse.
«Wir haben die Schraube nun jedes mal ein wenig mehr angezogen», bilanzierte Hügli. Weil die Organisatoren der Gassenküche nie einlenkten und auch nicht mit der Stadt reden wollten, habe man nun die nächsten Schritte unternommen.
Die Stadt werde ihre Vorgaben auch künftig mit soviel Polizeieinsatz wie nötig und so wenig wie möglich durchsetzen, betonte Hügli.