2014,  Freiraum,  Gentrifizierung,  Repression

Besetzung & Räumung Raumraub Container

Inhalt:
1. Communiqué
2. Programm
3. Räumung
4. Interviews


1. Communiqué (Originalquelle: https://www.facebook.com/raumraub/posts/1485209648362977)
RAUMRAUB
Wir sind Menschen, die diesen Platz lebendig machen wollen. Diese sogenannte „Problemzone“ Schützenmatte, auf der sich die krassesten Gesellschaftlichen Gegensätze relativ offen zeigen (Kapitel, viv-à-vis der Drogenabgabestelle, Reitschule gegenüber Regionalgefängnis, zwischen Aareufer und Railcity. An diesem Ort, wo Drogenabhängige und Partyvolk ihre Dosis Freiheit konsumieren, genau diesen Ort den wir alle uns angeeignet haben. Diesen Raum haben wir uns genommen. Wir haben RaumRaub begangen. Nun sind wir alle da und haben nicht vor zu gehen. Deshalb wurde als erste Tat ein Container auf den Platz gestellt.
Was passt besser an diesen Platz als ein Schiffscontainer? Er steht in seiner widersprüchlichen Umgebung und Zeit für Mobilität sowie Standhaftigkeit, für Transport und Delivery!
Dieser Raum soll uns als gemeinsamer Ort des Austausches dienen, als gemeinsamer Raum der Idee, der selbstbestimmten Tätigkeit. Denn der Platz in der Stadt wird knapp! Plätze und Räume ohne vorbestimmten Zweck, wo kein Zwang herrscht, genau das Vorgeschriebene tun zu müssen (konsumieren, arbeiten, warten etc.), existieren kaum.
Raumraub heisst, genau das zu verändern.
Alle können Raumrauben!
Auf diesem Stück Stadt gab es bis jetzt nicht mehr als Parkplätze. Nun gibt es einen 40 Fuss Schiffscontainer, einen Raum, der plötzlich da ist und auf den niemand Besitzansprüche erhebt, einen Raum, der kollektiv von allen Interessierten genutzt, verändert und gestaltet werden kann.

Raumraub heisst, mit den herrschenden Verhältnissen zu brechen. Heisst also auch, es wird versucht, ohne Unterdrückung die z.B. durch Sexismus, Rassismus, Homophobie, Xenophobie usw. entstehen, diesen Raum zu gestalten.

Raumraub erledigt sich ohne Unterdrückung und Ausbeutung- Raumraub heisst sich Raum zurück zu nehmen und zu gestalten.


2. Programm (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2014/07/92768.shtml)
Seit letzten Freitag 11.7. besetzen wir den Platz unter der SBB_Brücke und vor der Reitschule Bern.
Wir haben dort einen 12×2.5m grossen Schiffscontainer hingestellt, den wir als gemeinsamen Raum nutzen und gestalten. Wir nehmen die Schützenmattplanung in die eigenen Hände!

vorläufiges Programm:
Montag, 14.7: ab 20 Uhr Filmabend mit anschliessender Diskussion. Gezeigt wird der Film „La haine“
Dienstag, 15.7: ab 20 Uhr HipHop-Jazz-Jam. Bringt eure eigenen Instrumente mit!
Mittwoch, 16.7: ab 18 Uhr Vokü und Diskussion zum Thema Freiräume/Gentrifikation
Donnerstag, 17.7: ab ca. 12 Uhr Containergestaltung (basteln, dekorieren, etc.)
Jeden Tag: Fussballspielen neben dem Container (überdacht) & Gestaltung des Containers (Tische Bauen, Wände anmalen usw.)!
Kommt vorbei & bringt euch eine, wir freuen uns. Zusammen holen wir uns zurück, was uns gehört! Squat the World!


2. Räumung (Originalquelle: https://www.facebook.com/raumraub/posts/1487536041463671)
Heute Morgen in aller Früh kam der Staat mit seiner Polizei und dem Tiefbauamt und riss unseren Container aus der Verankerung. Wie nicht anders zu erwarten, wollte die SBB nicht auf ihr Eigentum verzichten, das heisst sie wollen lieber Parkplätze statt Leben. Der Container hauchte in den letzten Tagen diesem Betonplatz neues Leben ein, ein gemischter Haufen von Leuten verbrachte dort seine Freizeit ohne Konsumzwang und beteiligte sich kreativ an der Gestaltung dieses neuen Platzes.
Wir versuchten seit dem Anfang dieser Besetzung mit der SBB Kontakt aufzunehmen, diese ignorierte uns und unseren Wunsch nach einer konfliktfreien Lösung. Sie liess nun den Platz kommentarlos räumen.
Wir geben nicht auf! Wir machen weiter! RaumRaub heisst RAUBEN und nicht TRÄUMEN!
SPONTANDEMO gegen die Räumung des Containers um 19:00 auf dem Vorplatz! Die VoKü ab 17:00 findet trotzdem statt.


4. Interviews (Originalquelle: http://www.journal-b.ch/de/082013/alltag/1754/Eigentum-macht-d%C3%BCmmer-als-man-glaubt.htm & https://raumraub.wordpress.com/2014/10/17/eigentum-macht-dummer-als-man-glaubt/)
Journal B: Eigentum macht dümmer als man glaubt
«Raumraub» ist ein offenes Kollektiv im Umfeld der Reitschule. Es erfindet eine alte Idee neu: Ungenutztes Eigentum soll besetzt und belebt werden. Eine Container-Aktion auf der Schützenmatte war sein erster Denkanstoss.
Sechs junge Leute auf einer Veranda im Spitalacker-Quartier, drei Frauen und drei Männer. Namen spielen keine Rolle, auf einzeln ausgewiesene Zitate wird kein Wert gelegt.

Ihr gemeinsames Projekt: «Raumraub», halb Gruppe, halb Bewegung, keine formelle Struktur. Die Anwesenden wehren sich dagegen, als «harter Kern» oder gar als Sprecher und Sprecherinnen des Kollektivs bezeichnet zu werden. Man vertrete vor allem eine Idee: «Raum rauben kann man überall, als Gruppe oder allein.» Das Verhältnis zur Reitschule? Man versteht sich als eines der Kollektive in ihrem Umfeld. Die Frage sei nicht: Ist die Reitschule cool oder nicht?, sondern: Was wollen wir machen?
Vor Gesprächsbeginn die Gegenfrage: «Was machst du genau mit der Tonaufnahme?» – Die diene ausschliesslich als Gedankenstütze. – Na dann.

Ein Schiffscontainer wird zum sozialen Ort
In der Reitschule herrscht Raumknappheit. Nach 27 Jahren Betrieb ist die Funktion der einzelnen Räume seit Menschengedenken festgelegt. Die Interessen der Alteingesessenen und die Tatsache, dass heute nicht wenige Leute hier ihren Lebensunterhalt verdienen, verfestigten allmählich die Strukturen. Wer heute neu aktiv wird, ist gebeten, den Raum für das eigene Projekt ausserhalb der Reitschule zu suchen. Ein loser Zusammenhang von Jugendlichen, der «einen wirklich offenen Bezug» wünschte, entschied deshalb im letzten Winter, aus der Bittstellerposition auszubrechen und sich den benötigten Raum zu nehmen. So wurde «Raumraub» geboren.

«Raumraub»-Kollekiv
Im Frühling tat das Kollektiv, was auf der Hand lag. Sie plante den Raub jenes Bodens, der direkt an den Vorplatz der Reitschule angrenzt: die leere Fläche unter der Eisenbahnbrücke, die selten zum Parkieren verwendet wird, und wenn, dann meist ohne Parkkarte, also illegal. Die SBB wurde informiert, man raube ihr jenen Raum, den sie ja sowieso nicht brauche. Ein über Nacht am Boden festgeschraubter Schiffscontainer markierte am 12. Juni die Dimensionierung des geraubten Raums, und das Kollektiv twitterte: «Der neue Raum wird gestaltet!»

Ein offenes Projekt: Alle diskutieren in einer Art permanenter Vollversammlung mit allen. Wer eine gute Idee hat, realisiert sie: Die Containerwände werden bemalt, das Containerdach wird zur Dachterrasse. Zwei Tage später grenzt an den Container ein kleines Fussballfeld mit Kunstrasen: «Selber spielen, statt Nationen zelebrieren!» Am gleichen Abend finden sich sechzig Leute zu einer Filmvorführung ein. Tags darauf ist abends ein «Jazz-Hiphop Jam» angesagt.

Am Morgen des 16. Juni wird geräumt. Die Polizei eskortiert Mitarbeiter des städtischen Tiefbauamts aufs Areal, die das Eigentumsrecht der SBB auf leeren Raum unter der Eisenbahnbrücke durchsetzen.
Rationierte Apero-Häppchen gegen vegane Crèpes
Vom 4. bis zum 7. September führt die Stadt auf dem Areal ein «Labor Schützenmatte» durch. Eröffnet wird es am Abend des 3. Septembers in der Grossen Halle mit Reden und Cüpli-Prominenz. «Raumraub» kündigt die Teilnahme per Tweet wie folgt an: «Ihr verschlingt Freiräume, wir euren Apero!» Wen wundert’s, dass die Veranstalter die Häppchen schnell für die graumelierten Anzug-Eigentümer inkl. Anhang rationieren?

«Raumraub»-Tweet zum «Forum Schützenmatte»
Tags darauf ist «Raumraub» mit einem Infostand präsent: Gegen Kollekte gibt’s selbst gemachten Sirup, vegane Crèpes und Infobroschüren. Gezeigt wird, dass es hier bereits Leute gibt, die diesen Raum nutzen und wiederbeleben wollen. Und dass das Forum eine Farce sei, weil ja niemand im Ernst Interesse habe, mit jenen zusammenzuarbeiten, die jetzt hier etwas tun wollten.

Das städtische «Labor» wird ein sehr mässiger Erfolg. Der siebzig Meter lange Tisch, an dem die herzuströmende stadtplanerisch interessierte Bürgerschaft gemeinsam das Selbstmitgebrachte verzehren soll, bleibt trotz gutem Wetter halbleer. Auch am «Raumraub»-Stand läuft nicht viel. Man wird den Verdacht nicht los, das sei den Zuständigen egal, weil alle sowieso wüssten, dass hier eine Partizipations-Alibiübung stattfinde. Und dass allen längst klar sei, dass die Planung in Richtung Kommerzialisierung der Schützenmatte gehen werde, in Richtung Hochhaus oder Containerdorf mit profitorientiertem Gastro-Gewerbe. Schon wieder Container? «Wenn wir’s machen, wird geräumt – wenn sie’s machen, ist’s ok.»

Immerhin hat der folkloristische Teil des Labors geklappt: Die Polizei hat fleissig junge Leute kontrolliert und aus einem Kastenwagen heraus gefilmt. Dafür sind die Zettel, auf die Interessierte ihre Visionen für die Schützenmatte notieren konnten, bloss rationiert an reifere StaatsbürgerInnen abgegeben worden.
Eigentum ist keine Lösung, sondern ein Problem
Auf der Veranda redet man unterdessen über den Begriff «Eigentum»: Eigentum ist nicht das gleiche wie Besitz. Wer auf einem Stuhl sitzt, be-sitzt ihn. Wer sich von seinem Stuhl erhebt, sich auf einen anderen Stuhl setzt, aber den Anspruch hat, der erste Stuhl gehöre weiterhin ihm, macht ihn vom Besitz zum Eigentum.

«Raumraub»-Kollektiv
Persönlicher Besitz ist in Ordnung, weil lebensnotwendig. Eigentum jedoch an Dingen, an Wissen und an Status ist dazu da, Nichteigentümer auszuschliessen. Es geht um Machtausübung über andere. Eigentum muss vom nicht hinterfragbaren Rechtstitel zum Problem werden, über das man nachdenkt: Wieso soll Eigentum gut sein, wenn es eine Mehrheit der Menschen unterdrückt?

Bei ungenutztem Raum – ob Häuser und leere Brachen – geht es heute darum, ihn zum Freiraum zu machen, der gemeinschaftlich sinnvoll genutzt werden kann. Raumraub heisst: Geschützt werden soll nicht das tote Eigentum, sondern das gemeinschaftliche Engagement für seine sinnvolle Nutzung.
Wie es läuft, wenn Eigentümer geraubten Raum zurückholen, hat die Generation der 20- bis 25-jährigen am 21. Juni 2011 bei der Räumung des Anti-AKW-Camps am Viktoriaplatz gelernt. Gegen das festgeschriebene Recht der Eigentümer steht die schiere Vernunft: Wenn Raum, der immer jemandes Eigentum ist, leer steht, muss es doch möglich sein, ihn für «etwas Schlaues» zu nutzen.
Falls die Burgergemeinde eine Hektare übrig hat

Klar müssen nach einer Anzeige «die Bullen» das Recht auf Eigentum durchsetzen. Darum ist es wichtig, mit der Eigeninitiative zu überzeugen; auf Eigentümerseite so viel Verständnis zu wecken, dass eine Duldung diskutabel wird. Denn immerhin ist es so: Wohnen, essen, die ganze menschliche Reproduktion erzeugt Interessen, die jeder Mensch gleichermassen hat und die er deshalb am besten gemeinsam wahrnimmt. Fünf Stunden pro Woche gemeinsamer Anstrengung sind genug, um die Reproduktion bei heutigem Lebensstandard (ohne übertriebenen Luxus) zu sichern. Weshalb sollte man – so gesehen – jede Woche 40 Stunden Lebenszeit aufwenden, um die Mittel für den eigenen Lebensstandard zusammenzukratzen und im übrigen Mehrwert für andere zu produzieren?

Angenommen, die Burgergemeinde Bern würde «Raumraub» eine Hektare Boden zur Verfügung stellen: Was dann? Grundsätzlich beantworte sich eine solche Frage in der konkreten Situation, wenn man auf dem Areal stehe und darüber rede, was hier und jetzt sinnvoll sei. Allerdings, Ideen hätte man schon: eine offene Werkstatt, ein grosser Gemüsegarten, eine Küche als Zentrum eines sozialen Treffpunkts, wie er im Juni unter der Eisenbahnbrücke von einem Tag auf den anderen entstanden ist. Und klar, nur ohne Hierarchien und Herrschaft sei ein solidarisches, bedürfnisorientiertes Zusammenleben ohne Unterdrückung möglich. Und nötig sei, sich immer selber zu hinterfragen. Denn niemand sei davor gefeit, andere zu unterdrücken.

Was man sich viel zu selten fragt: Wieso eigentlich sollen junge Leute die Ordnung akzeptieren, die sich die Mächtigen früherer Generationen zur bequemen Eigentumswahrung und -mehrung gegeben haben? Und warum staunt man, wenn Jugendliche, die mit Vernunft geschlagen sind, das jahrelange Bemühen der herrschenden Pädagogik, das Unabänderliche als das Wahre darzustellen, als das durchschauen, was es halt einfach auch ist: die Einübung in ein Zwangssystem und ideologische Gehirnwäsche?
Höflich reichen die sechs jungen Leute an der Türe die Hand. Namen fallen auch jetzt keine. «Tschau» genügt. Journal B bedankt sich für das Gespräch.

-Vorwärts: RaumRaub – ein Projekt für alle!
Vor zwei Monaten besetzten wir vom Kollektiv RaumRaub einen Platz, um mit der Aktion das Eigentum, die profitorientierte Stadtaufwertung und die drohende Verdrängung zu thematisieren. Auf unser Bedürfnis nach Freiraum wurde mit Repression und Einbindungsversuchen geantwortet.

Ein warmer, angenehmer Sommerabend in Bern
Anja hat gerade ihre 8-Stunden Schicht im Hauptbahnhof zu Ende. Den ganzen Tag lang musste sie am SBB-Schalter stehen und Tickets an Leute verkaufen, welche gerade auf dem Weg in die Ferien sind, während dem sie selbst erst wieder im tristen November ein paar Tage frei hat. Sie will jetzt nur noch nach Hause, ist ausgelaugt und müde. Sie läuft der Strasse entlang runter in Richtung Bollwerk, vorbei an Baustellen und Betonklötzen. Neben ihr rauschen die Autos vorbei, es riecht stark nach Abgasen. Ein Bettler sitzt mit seinem Hund am Boden, fragt nach Kleingeld für Hundefutter. Weiter vorne sieht sie ein paar Polizisten, welche gerade einen dunkelhäutigen Mann zusammenschlagen. Auf der Schützenmatte verteilen Politessen Bussen an die herumstehenden Autos. Sie sieht hässlich aus, diese Schütz, eine Wüste aus Asphalt und Karosserien. Plötzlich fällt ihr etwas auf, etwas ist anders. Unter der grossen SBB-Brücke steht ein Schiffscontainer! Viele junge Leute stehen rund herum, diskutieren, basteln, malen und machen einen lebhaften Eindruck. Interessiert schaut Anja dem Treiben zu und geht etwas näher heran. Sofort kommt eine junge, aufgestellte, rothaarige Frau auf sie zu und drückt ihr einen Flyer in die Hand. Sie stellt sich als Ronja vor. Anja überfliegt den Text. Etwas von „RaumRaub“ und „Besetzung“ steht da. Es werden die Gegensätze erwähnt, welche auf der Schützenmatte zusammentreffen. Stirn runzelnd wendet sich Anja an Ronja, welche mittlerweile mit einem gelben Farbtopf hantiert.

„Was ist das hier genau, was tut ihr da?“ Ronja taucht einen Pinsel in den Farbtopf und antwortet: „Genau das was auf dem Flyer steht, wir besetzen und beleben diesen Ort hier!“
„ Seit ihr denn von der SBB?“ Ronja lacht, legt Pinsel und Farbe zur Seite.
„Nein, natürlich nicht. Wir sind Leute denen nicht gefällt, dass ein solch grosser Platz nur als Abstellplatz für Autos eingesetzt wird, wo er doch so viel besser genutzt werden könnte.“

Raum rauben!
Etwa diese Szenerie bot sich den Passanten anfangs Juli, als wir vom Kollektiv RaumRaub einen leeren und ungenutzten SBB-Parkplatz auf der Schützenmatte in Bern besetzten. Zur Platzbesetzung holten wir einen grossen Schiffscontainer, den wir unter der Eisenbahnbrücke festschraubten. Dieser neue Raum, der sich dadurch eröffnete wurde sofort zum Anziehungspunkt. Die Nutzung des Containers war von uns her völlig offen und nicht vorbestimmt. So konnten sich alle die Lust hatten an den täglich stattfindenden Vollversammlungen über die Gestaltung des neuen Raumes und über dessen Nutzung einbringen. Bald wurde ein Kunstrasen neben dem Container ausgelegt und es fanden erste Fussballspiele statt. Die Wände wurden bepinselt und das Dach als Terrasse genutzt, an der Seitenwand wurde eine Leinwand installiert, auf dem Filme gezeigt werden konnten. Es entstand innert kürzester Zeit ein lebendiger Ort, der die Leute dazu brachte eigene Ideen und Vorstellungen einzubringen, miteinander zu diskutieren und selber tätig zu werden.

Nicht sonderlich überrascht, dennoch etwas traurig mussten wir nach fünf lebhaften Tagen zusehen, wie die SBB ihr Eigentumsrecht durchsetzen liess. Der RaumRaub-Container und das Fussballfeld, Banden, Sitzgelegenheiten, Feuerschale und der Essenstisch wurden vom Tiefbauamt unter Polizeischutz geräumt. Wie uns im Nachhinein mitgeteilt wurde, geschah dies um die „vereinbarte Ordnung“ wieder herzustellen.
Wir haben das Eigentumsrecht von Beginn an abgelehnt und mit der Besetzung bekämpft. Die Antwort auf einen, wenn auch sehr kleinen, Angriff auf das Eigentum kam sehr schnell. Der Stadt Bern und der SBB ist es lieber einen stinkenden, tristen und nicht genutzten Platz zu wahren, als uns diesen Platz zu überlassen. Das Kollektiv RaumRaub besteht aber auch ohne Container weiter und hat diverse weitere Aktionen durchgeführt, wie zuletzt am viertägigen Forum Schützenmatte, an dem es um die Neugestaltung der Schützenmatte ging.

Forum Schützenmatte – Profitstreben statt Freiraum
Die Schützenmatte ist ein Ort an dem Gegensätze aufeinander prallen. Sie liegt zwischen dem Kultur- und Politzentrum Reitschule auf der einen und dem Regionalgefängnis, trendigen Bars und der Drogenabgabestelle auf der anderen Seite. Über dem von uns besetzten Teil der Schützenmatte führt ausserdem das Eisenbahnviadukt mit fast dem gesamten Schienenverkehr des Bahnhof Berns und rund um den Platz führen stark befahrene Strassen. Genau dieser Ort ist seit längerem auf dem Radar vieler Architekt_innen und Stadtplaner_innen weltweit. An mehreren internationalen Ausschreibungen wurde über die Schützenmatte debattiert, geplant und geforscht. Nur selten bietet sich den Stadtplaner_innen ein solch zentraler, leerer Platz in unmittelbarer Nähe zum Zentrum und zum Bahnhof. Die Vorschläge gehen von Messestandort über Campus bis hin zu einem Hochhaus mit Büros und Gewerbe. Die Richtung ist also klar, die Schützenmatte soll aufgewertet werden.
Damit in diesem Spannungsfeld nichts schief läuft wurde der Planungsablauf mithilfe einer „Prozessarchitektur“ aufgegleist. In dieser Prozessarchitektur hat das Stadtplanungsamt die Schritte bis zur Umsetzung des konkreten Projekts sorgfältig ausgearbeitet. Dazu gehört auch, die Bevölkerung und Interessentengruppen mit einzubeziehen, wie dies am viertägigen „Forum Schützenmatte“ getan wurde.

Das Forum stellt einen der ersten Schritte in der Aufwertung dieses Raumes dar, deshalb weigerten wir uns daran teilzunehmen. Mit zwei Protestaktionen und einem Infostand brachten wir unsere Kritik an der profitorientierten Stadtaufwertung und somit auch am Forum ein. Die Schützenmatte soll für Investoren fit gemacht werden. Die profitorientierte Aufwertung der Schützenmatte geht mit der Vertreibung der unteren sozialen Schichten einher. So wie in der restlichen Stadt Bern werden „Alkoholiker_innen“, „Arbeitslose“, „Alte“, „Alleinerziehende“ durch – wie es der SP-Stadtpräsident einmal sagte: „Anwälte“, „Anleger“, „Ärzte“ und „reiche Ausländer“ ersetzt. Diese Stadtentwicklung, die seit Jahren vor sich geht, gilt es im Raum Schützenmatte entschlossen zu bekämpfen und dabei den Kampf auf die ganze Stadt zu erweitern. Unser Ziel ist es selbstbestimmt Freiräume zu erschaffen, welche nicht durch ein Konzept der Machthabenden beschränkt werden!