2015,  Repression

Zwei Polizisten wegen Amtsmissbrauchs verurteilt

Inhalt:
1. Medienbericht


1. Medienbericht (Originalquelle: https://www.derbund.ch/bern/nachrichten/Gericht-verurteilt-Polizisten-wegen-Amtsmissbrauchs/story/12002869)
Gericht verurteilt Polizisten wegen Amtsmissbrauchs
Zwei Kantonspolizisten drückten einen Mann zu Boden und zwangen ihn, seinen Urin aufzulecken. Sie wurden am Mittwoch verurteilt.

Gerichtspräsidentin Bettina Bochsler machte am Mittwoch bei der Urteilsverkündung die Situation deutlich: «Es ist nicht einfach, zwei gestandene Polizisten zu verurteilen.» Nach Ansicht des Gerichts gingen die beiden Angeklagten aber deutlich zu weit. Amtsmissbrauch und Sachbeschädigung, befand die Richterin daher und auferlegte ihnen bedingte Geldstrafen. Von weiteren Anklagepunkten wurden sie freigesprochen.

Misshandelt und gequält
Zum Vorfall kam es vor eineinhalb Jahren bei einer Personenkontrolle auf der Wache im Berner Hauptbahnhof. Ein polizeilich bekannter Mann urinierte auf dem Posten in den Warteraum, nachdem er dort eingesperrt worden war. Die Polizisten forderten ihn daraufhin auf, den Boden zu reinigen. Als er sich widersetzte, drückten sie ihn zu Boden. Bochsler schilderte den aus Sicht des Gerichts bewiesenen Vorgang: Einer der Polizisten hat den Kopf des Mannes in den Urin gedrückt und ihn zum Auflecken aufgefordert. Der andere Polizist hielt ihn derweil an den Beinen fest. Der Mann war wehrlos. Als er mit Tüchern mit dem Aufwischen begann, riss einem der Polizisten der Geduldsfaden und er schleifte ihn schliesslich mehrmals durch den Urin. Der zweite Verurteilte warf die Lederfelljacke des Mannes in den Urin, womit er sich eine Verurteilung wegen geringfügiger Sachbeschädigung einhandelte.

Hätte nur der Mann gegen die Polizisten geklagt, wäre es wohl nie zu einer Verurteilung gekommen, das machte Bochsler klar: Die Aussagen des Mannes, der unter Drogen stand, seien zum Teil widersprüchlich und mit viel Fantasie angereichert gewesen. Doch eine Polizeipraktikantin beobachtete das Geschehen auf dem Posten und belastete die beiden Beamten. Obwohl sie frisch von der Polizeischule als Unerfahrene den ersten Tag an der Front erlebte, glaubte ihr das Gericht zu weiten Teilen. Die Aspirantin möge unerfahren sein und Dinge falsch eingeschätzt haben, an der Schilderung des Tathergangs ändere dies aber nichts, so Bochsler. Was das Gericht hauptsächlich überzeugte: Die Aussagen der Praktikantin waren auch nach eineinhalb Jahren detailreich und weitgehend widerspruchsfrei. Und vor allem deckten sich ihre Aussagen mit jenen des Mannes, obwohl die Praktikantin keine Akteneinsicht hatte und somit nicht wusste, welche Vorwürfe gegen die Polizisten erhoben wurden. «Sie wollte ihren Kollegen nicht einfach eins auswischen», so Bochsler. Beide Polizisten hätten ihre Emotionen nicht im Griff gehabt. Der Vorfall sei als Misshandlung und als Quälen zu qualifizieren. Die auferlegten bedingten Geldstrafen belaufen sich auf 80 respektive 40 Tagessätze zu 110 Franken.

Kniekick: Freispruch
Bei einem weiteren Vorfall auf der Wache hatte einer der Polizisten dem Mann mit einem Kniekick Rippen- und Milzprellungen zugefügt. Das Gericht erachtete das Verhalten des Polizisten aber als verhältnismässig, weil er sich bedroht gefühlt habe. Das Gericht legte ihm keine Körperverletzung zur Last. Auch vom Vorwurf der unterlassenen Nothilfe wurde der Polizist freigesprochen. Ob die Polizisten vom Dienst suspendiert werden, lässt Polizeisprecherin Corinne Müller offen: Über das weitere Vorgehen werde das Gespräch mit den beiden Polizisten gesucht, sagte sie. Der misshandelte Mann wurde von der Polizei mit einer Gegenanzeige bedacht wegen Drohung gegen Beamte. Er wurde vom Gericht freigesprochen.