2016,  Antikapitalismus,  Antinationalismus,  Asyl/Migration,  Ausschreitungen,  Freiraum,  Gender,  Repression

Angriff auf Polizei

Inhalt:
1. Communiqué
2. Waffensammlung der Polizei
3. Medienberichte
4. Statement Reitschule
5. Interview Polizeichef

1. Communiqué (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/03/96950.shtml)
In der Nacht auf Sonntag sind wir in einem selbstbestimmten und entschlossenen Schritt in die offene Konfrontation mit den herrschenden Zwängen gegangen. Mit den bescheidenen Mitteln, die uns zur Verfügung stehen, haben wir mit all dem gebrochen, was uns tagtäglich einschränkt. Wir haben gezielt die bewaffneten und menschenfeindlichen Autoritäten angegriffen, dass Feuerwehrmänner zwischen die Fronten geritten, lag jedoch nicht in unserem Interesse. Unser Angriff steht nur bedingt im Zusammenhang mit den von den Bullen getätigten Provokationen in letzter Zeit, sondern versteht sich vielmehr als Teil der weltweiten Auflehnung gegen jegliche Form der Herrschaft.
Wir leben in einer Gesellschaft, die geprägt ist von Konkurrenz, Gehorsam und Zwang, statt auf solidarischem Zusammenleben und bedürfnisorientierter Wirtschaft. Schon wenn wir geboren werden, werden wir unterteilt in Inländer*innen und Ausländer*innen. In der Schule werden die Menschen nach der wirtschaftlichen Verwertbarkeit sortiert. Die Menschen werden mit Wohlstand geködert, währrend dieser Wohlstand auf duzender millionen Toter weltweit basiert. Frauen müssen sich nicht nur wie alle anderen für Lohnarbeit verkaufen, sondern werden zusätzlich patriarchal unterdrückt und ausgebeutet. Weiter werden gezielt egoistische und narzistische Verhaltensweisen gefördert und gefordert, um Menschen gegeneinander auszuspielen, zu vereinzeln und schlussendlich zu isolieren.
Am Samstag haben sich viele solidarisch gezeigt mit unseren Aktionen. Viele sind wütend gegenüber der alltäglichen Kontrolle und der Tristese, die uns dieses System bringt. Uns ist bewusst, dass militante Aktionen gut durchdacht werden müssen, um zu verhindern, dass wir der Herrschaft und ihren Autoritäten in die Händen spielen.
Militanz ist für uns ein Ausbruch aus der alltäglichen Zermürbung und einer der Wege, um sich wieder selber zu ermächtigen und über das eigene Leben zu entscheiden.
Wir wollen uns jedoch nicht in der Konfrontation verlieren und mit den Autoritäten darum kämpfen müssen, wer die besseren Soldat*innen sind.
Wir wollen gleichzeitig Alternativen schaffen und unsere Bedürfnisse für eine herrschaftsfreie Gesellschaft organiseren. Die Reitschule ist ein mögliches Beispiel dafür, dass militante Verteidigung einher geht mit autonomen Freiräumen, in der sich verschiedene Bedürfnise organiseren.
Wir rufen alle dazu auf, die sich mit den bestialischen Verhältnissen der Herrschaft nicht in Frieden wägen wollen, weitere Angriffe und Aktionen zu wagen.
Gruppe Leon Czolgosz



2. Waffensammlung der Polizei (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/03/96982.shtml)
In der Nacht auf Sonntag, dem 6.3.2016, verübten unbekannte Schlägertrupps im Staatsauftrag bewaffnete Übergriffe in unmittelbarer Nähe zur Polizeiwache Weisenhausplatz, wo sich die Täter nach der Tat unerkannt verstecken konnte.
In der Nacht auf Sonntag, dem 6.3.2016, verübten unbekannte Schlägertrupps im Staatsauftrag bewaffnete Übergriffe in unmittelbarer Nähe zum Weisenhausplatz, wo sich die Täter nach der Tat unerkannt verstecken konnte.
Insbesondere die Bewaffnung der Täter*Innen erschreckt, obgleich diese Form der Bewaffnung keine Dimension der Gewalt darstellt.
„Da wurden schwere Verletzungen billigend in Kauf genommen.“, wie Aktivistin P. Flasterstein mitteilt.


3. Medienberichte (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/krawalle-vor-reitschule-vermummte-fackeln-barrikaden-ab/story/27073785 & https://www.derbund.ch/bern/stadt/polizisten-bei-auseinandersetzung-mit-autonomen-verletzt/story/19473293)
BernerzeitungElf Polizisten bei Krawallen vor der Reitschule verletzt
In der Nacht auf Sonntag kam es vor der Berner Reitschule erneut zu Ausschreitungen. Vermummte haben Strassenbarrikaden errichtet und diese angezündet. Es wurde Gummischrot eingesetzt. Elf Polizisten wurden verletzt.

Bereits in der Nacht auf Samstag war es auf der Schützenmatte zu Scharmützeln zwischen der Polizei und Demonstranten gekommen. Die Polizei hatte Gummischrot eingesetzt.

In der Nacht auf Sonntag kam es rund um die Berner Reitschule erneut zur Eskalation. Kurz nach Mitternacht errichteten Vermummte Strassenbarrikaden und zündeten diese an. Die Schützenmattstrasse war durch die brennenden Barrikaden blockiert. Die Polizei rückte daraufhin aus. Gemäss Medienmitteilung der Kantonspolizei Bern wurden Polizisten «umgehend massiv mit Steinen, Flaschen und Feuerwerkskörpern angegriffen».

Die Polizei setzte als Reaktion auf die Angriffe «gezielt Gummischrot und Reizstoff» ein, wie es im Communiqué weiter heisst. Dies sei sowohl zum Eigenschutz als auch um die Randalierer zurückzuhalten nötig gewesen.

Darauf reagierten Unbekannte wiederum, indem sie gemäss Kapo Bern gezielt Feuerwerksbatterien in Richtung der Einsatzkräfte abfeuerten. Dadurch wurde eine rasche Freigabe der Strasse verunmöglicht.

Polizei vom Dach aus mit Steinen beworfen
Bei den Vorfällen wurden nicht nur Polizisten, sondern auch die Einsatzkräfte der beigezogenen Berufsfeuerwehr Bern «in grossem Ausmass» mit Steinen beworfen. Dies unter anderem von Personen, die sich auf dem Dach der Reitschule positioniert hatten.

Die Feuerwehr konnte die Brände schliesslich unter polizeilichem Schutz löschen und zog sich daraufhin zurück. Die Polizei hielt derweil weiter die Stellung, um danach den Angestellten des Strasseninspektorats der Stadt Bern den Weg für die Säuberung freizuhalten. Als diese ihre Arbeit schliesslich abgeschlossen hatten und die Situation ruhiger wurde, zogen sich die Polizisten zurück.

Bei den Angriffen wurden gemäss aktuellen Erkenntnissen elf Polizisten verletzt. Dies vorwiegend durch Steinwürfe und gezündete Feuerwerkskörper. Die Kantonspolizei Bern hat unter anderem Ermittlungen wegen Gefährdung des Lebens, Landfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung aufgenommen. Bei den Ereignissen wurden mehrere Fahrzeuge beschädigt.

Polizeiverband fordert härtere Gangart
Der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter (VSPB) tat am Sonntagnachmittag in einer Medienmitteilung seinen Unmut kund. «Falls irgendein Politiker jetzt noch denkt, der VSPB würde übertreiben, dann sollen sie doch beim nächsten Vorfall die erste Patrouille bilden und die Gewaltbereitschaft am eigenen Leib erfahren», lässt sich VSPB-Generalsekretär Max Hofmann im Communiqué zitieren.

Er appelliert an die zuständigen Politiker: «Wacht endlich auf! Wir Polizistinnen und Polizisten haben genug von diesem rechtsfreien Raum, der toleriert und zudem mit öffentlichen Geldern der Steuerzahler finanziell unterstützt wird.» Hofmann bezeichnet die Angriffe auf die Polizisten als «vorsätzliche Tötungsversuche» und fordert eine härtere Gangart: «Wenn die Politikerinnen und Politiker das nicht selber einsehen, dann muss der Druck aus der Bevölkerung kommen.»

Reitschule nimmt Stellung
Ebenfalls am Sonntagnachmittag hat die Mediengruppe der Reitschule auf Facebook Stellung zu den Vorfällen genommen. In der Stellungnahme wird betont, dass es aus Sicht der Reitschüler seit vergangenem Sommer zu «keinen Vorfällen gekommen sei, die nicht auch an einem anderen Veranstaltungsort mit mehreren Hundert oder Tausend Anwesenden passiert sind oder hätten passieren können».

Auffällig sei, dass eine polizeiliche Aktion just ein paar Tage nach der Veröffentlichung des Sicherheitsberichts des Kantons Bern gestartet worden sei.

Die Mediengruppe stellt in Frage, inwiefern eine erhöhte Polizeipräsenz auf der Schützenmatte sinnvoll sei: «Wir fragen uns: Möchten eine grössere Anzahl Mitglieder des Polizeikorps auf dem Vorplatz und der Schützenmatte positioniert eher präventive Sicherheit oder Provokation vermitteln?»

Zu den Angriffen durch Steine, Flaschen und Feuerwerkskörper steht im Post: «Wir halten nichts davon, Feuerwehrleute anzugreifen. Wir mögen die Feuerwehr, wenn sie hilft, Brände zu löschen und waren auch schon auf ihre Hilfe angewiesen.» Die Mediengruppe distanziert sich aber nicht explizit von der Gewalt gegen die Blaulichtorganisationen – insbesondere wird zur Gewalt gegen Polizisten nichts erwähnt.

Ganz grundsätzlich appelliere die Reitschule immer wieder an die Vernunft aller Akteure und fordere den Respekt gegenüber der körperlichen und physischen Integrität unserer Mitmenschen, ist im Text abschliessend zu lesen.

-DerBund Elf Polizisten bei Krawallen verletzt
Rund um die Reitschule kam zu heftigen Auseinandersetzungen. Dabei gab es elf Verletzte. Der Berufsverband spricht von versuchter vorsätzlicher Tötung.

Am Wochenende kam es in der Nähe der Reitschule zweimal zu Krawallen zwischen Linksautonomen und Polizeikräften. Nachdem das Aufeinandertreffen von Polizei und Vermummten in der Nacht auf Samstag einigermassen folgenlos verlaufen war, war die Auseinandersetzung in der Nacht auf Sonntag heftig: Die Polizei spricht von elf verletzten Einsatzkräften.

Gegen 00.15 setzten Unbekannte auf der Schützenmattstrasse zwei improvisierte Strassensperren in Brand. Die Bilder eines anwesenden Reporters zeigen daneben vermummte Personen, die ein Transparent mit antirassistischer Parole in die Höhe halten.

Täter griffen vom Dach aus an
Wie die Polizei am Nachmittag mitteilt, kam es daraufhin zu einem schweren Krawall zwischen eingerückten Polizisten und unbekannten Tätern. Diese hätten die Polizei mit Steinen und Feuerwehrkskörpern angegriffen, heisst es im Communiqué. Dabei seien Polizisten verletzt worden, die Kantonspolizei Bern spricht von elf Betroffenen. Zur Schwere der Verletzungen gab die Kantonspolizei vorerst auf Anfrage keine Auskunft. Weitere Informationen werden für den Verlauf des Tages in Aussicht gestellt.

Auch die später eingerückte Feuerwehr ist gemäss Polizeicommuniqué von den Linksautonomen angegriffen worden. Manche hätten die Einsatzkräfte vom Dach der Reitschule aus angegriffen. Die Polizei setzte Tränengas und Gummischrot ein.

Die Strasse war während der Dauer der Auseinandersetzungen blockiert. Der Betrieb in der Reitschule dagegen wurde offenbar kaum in Mitleidenschaft gezogen: Gemäss dem Bericht eines Dachstock-Besuchers verlief der Auftritt von DJ Krush ohne Unterbruch.

Keine Verurteilung von Gewalt
Bereits am Freitag hatten sich linksautonome Aktivisten zur Spontandemo eingefunden, um gegen die Anwesenheit der Polizei auf dem Parkplatz vor der Reitschule zu demonstrieren. Es kam zum Einsatz von Gummischrot, danach beruhigte sich die Situation aber wieder. Die Aktivisten hatten auf der Plattform Indymedia.org geltend gemacht, sie protestierten gegen «rassistische Kontrollen» von Drogendealern durch die Polizei.

In einem Facebook-Beitrag nehmen die Reitschulverantwortlichen Stellung zu den Vorfällen vom Wochenende. Dabei werfen Sie die Frage nach Sinn und Zweck der polizeilichen Präventivaktion auf: «Möchte eine grössere Anzahl Mitglieder des Polizeikorps […] eher präventive Sicherheit oder Provokation vermitteln?», heisst es dort. Sie distanzieren sich überdies von Angriffen auf die Feuerwehr, die Gewalt gegen die Polizei hingegen wird nicht explizit verurteilt. «Ganz grundsätzlich appelliert die Reitschule immer wieder an die Vernunft aller Akteure und fordert den Respekt gegenüber der körperlichen und physischen Integrität unserer Mitmenschen», schliessen sie den Post.

Die Kantonspolizei Bern hat unter anderem Ermittlungen wegen Gefährdung des Lebens, Landfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung aufgenommen. Sie sucht nach Zeugen.

Wütende Reaktion schweizerischer Polizisten
Das Wochenende bleibt nicht unkommentiert. So gab SVP-Nationalrat Erich Hess bekannt, dass er kommenden Freitag die Unterschriften für die Initiative der JSVP «Keine Steuergelder für die Berner Reithalle» einreichen wird. Er will die Schliessung der Reithalle erreichen. «Das aktuelle Wochenende hat wieder gezeigt, dass die Stadt Bern die Sicherheit rund um die Reitschule nicht im Griff hat», sagt er auf Anfrage.

Ebenfalls entrüstet über die Angriffe auf Polizeibeamte zeigt sich der Verband Schweizerischer Polizei-Beamter VSPB in einem Communiqué. «Das waren vorsätzliche Tötungsversuche!», wird darin VSPB-Generalsekretär Max Hofmann zitiert. Und: «Wacht endlich auf! Wir Polizistinnen und Polizisten haben genug von diesem rechtsfreien Raum, der toleriert und zudem mit öffentlichen Geldern der Steuerzahler finanziell unterstützt wird.»


4. Statement Reitschule (Originalquelle: https://www.facebook.com/Reitschule/posts/10153782225285660)
Es gab wieder einiges zu lesen zu Vorfällen rund um die Reitschule.
Hier nur kurz betreffend Freitag und Samstag-Nacht:
Vorab möchten wir festhalten, dass es seit letzten Sommer zu keinen Vorfällen gekommen ist, die nicht auch an einem anderen Veranstaltungsort mit mehreren Hundert oder Tausend Anwesenden, passiert sind oder hätten passieren können. Auch wenn der diese Woche veröffentlichte Sicherheitsbericht der Berner Kapo etwas anderes suggeriert.

Besonders auffällig für uns ist, dass eine polizeiliche «präventive Aktion» just ein paar Tage nach der Veröffentlichung dieses Sicherheitsberichts gestartet wurde.

Wir fragen uns darum:
Möchten eine grössere Anzahl Mitglieder des Polizeikorps…
– just zwei Tage nach dem Erscheinen des polizeilichen Sicherheitsberichts, der Handlungsbedarf bei der Reitschule ortet,
– zwar mit oranger «Sicherheits» (sic!)-weste, jedoch in «Vollmontur»,
– auf dem Vorplatz und der Schützenmatte positioniert…
… eher präventive Sicherheit oder Provokation vermitteln?

Wir halten übrigens nichts davon, Feuerwehrleute anzugreifen. Wir mögen die Feuerwehr, wenn sie hilft, Brände zu löschen und waren auch schon auf ihre Hilfe angewiesen.
Ganz grundsätzlich appelliert die Reitschule immer wieder an die Vernunft aller Akteure und forderten den Respekt gegenüber der körperlichen und physischen Integrität unserer Mitmenschen.
Peace & Love


5. Interview Polizeichef (Originalquelle: https://www.derbund.ch/bern/stadt/steine-gegen-polizisten-wir-wurden-in-den-hinterhalt-gelockt/story/26726533 & https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/polizeichef-willi-das-haette-toedlich-ausgehen-koennen/story/13990772)
DerBund Steine gegen Polizisten: «Wir wurden in einen Hinterhalt gelockt»
Polizeichef Manuel Willi nimmt Stellung zu den Ausschreitungen rund um die Reitschule am Wochenende. Mehrere Polizisten hätten ins Spital gebracht werden müssen.

Herr Willi, Vermummte haben Polizisten vom Dach der Reitschule mit Steinen beworfen, 11 Polizeibeamte wurden verletzt. Was genau ist passiert?
Aufmerksame Bürger haben uns wegen der brennenden Strassensperren alarmiert. Als die Polizei bei der Reitschule eintraf, wurden die Einsatzkräfte mit einem regelrechten Steinhagel eingedeckt und mit Feuerwerk beschossen. In einer zweiten Phase kam es zu einem Angriff vom Dach der Reitschule: Vermummte warfen aus mehreren Metern Höhe Steine gegen Polizisten. Wenn einen so ein Brocken am Kopf trifft, ist man ohne Helm tot, das überlebt man nicht. Das ist kein Lausbubenstreich mehr, ernsthafte Verletzungen werden einfach so in Kauf genommen. Das besorgt mich sehr.

Selten hatte die Polizei so viele Verletzte zu beklagen. Wie gravierend sind die Verletzungen?
Etliche Beamte wurden von Steinen getroffen, einige haben schwere Hämatome davongetragen. Dazu kommen Brand- und Gehörverletzungen wegen der abgefeuerten Feuerwerkskörper. Mehrere Polizisten mussten zur Kontrolle ins Spital. Alle konnten aber zum Glück wieder nach Hause gehen. Für sie sind aber solche Einsätze wegen des grossen Verletzungsrisikos eine auch grosse Belastung.

Haben Sie Krawallmacher identifizieren können?
Während des Angriffs geht es in der der ersten Phase darum, diesen abzuwehren und die Sicherheit wiederherstellen zu können, in der zweiten Phase um die Ermittlungen. Wir verfügen über Bildmaterial, das wir nun auswerten. Die vermummten Täter sind aber nur sehr schwer zu identifizieren. Die Leitung der Ermittlungen liegt nun bei der Staatsanwaltschaft, zurzeit wird wegen Gefährdung des Lebens ermittelt. Zeugen sollen sich bei der Polizei melden.

Bei der Reitschule gibt es immer wieder Krawalle. Wie gravierend schätzen Sie den jüngsten Vorfall ein?
Es ging den Vermummten dem Anschein nach darum, mit der Strassensperre die Polizisten in einen Hinterhalt zu locken und zu verletzen. Die Täter hatten so viele Steine und Flaschen gesammelt und sich gezielt positioniert, dass von einer akribisch vorbereiteten Aktion gesprochen werden kann. An einen so massiven Angriff, bei dem die Reitschule so klar als Tatort diente, kann ich mich als Polizeichef nicht erinnern.

Wie haben die Reitschulbetreiber auf die Krawalle reagiert?
Unsere Einsatzleitung hat sofort auf das Kontakttelefon der Reitschule angerufen, und zwar mehrfach. Aber es ist niemand ans Telefon gegangen – wie dies in der Vergangenheit leider öfter der Fall war. Die erneuten Auseinandersetzungen zeigen, das Sicherheitskonzept der Reitschule funktioniert nicht.

Inwiefern?
Die vermummten Täter konnten sich nach dem Angriff auf die Polizisten ungehindert in die Reitschule zurückziehen. Bei normalen Clubs werden die Türen geschlossen, wenn es vor dem Lokal Randale gibt. Bei der Reitschule ist dies nicht der Fall. Für uns ist es aber nicht einfach so möglich, denn Tätern in die Reitschule zu folgen und sie dort zu verhaften. So ein Einsatz wäre wegen der vielen unbeteiligten Besucher extrem heikel, diese würden gefährdet. Denn die Täterschaft würde sich wohl kaum ohne Gegenwehr festnehmen lassen.

Die Reitschule warnte am Freitagabend die Menschen auf der Schützenmatte mit Plakaten vor polizeilichen «Schlägertrupps». Was geht Ihnen da durch den Kopf?
Zuerst einmal möchte ich betonen: Die Polizei hat nichts gegen die Reitschule, es gibt auch dort viele positive Kräfte. Aber wir treten punkto Sicherheit an Ort und Stelle, ich sehe derzeit eher einen Rück- als einen Fortschritt. Die Gewalt und auch die Unterstützung der Gewalt sind einfach nicht tolerierbar. Die Reitschulbetreiber tragen hierbei eine grosse Verantwortung. Die Reitschule verweigert nach wie vor konsequent das Gespräch mit der Polizei. Das kann ich bei allem Verständnis nicht nachvollziehen.

Die Ausschreitungen sind womöglich eine Reaktion auf eine neue Strategie der Polizei: Einsatzkräfte haben am Freitagabend auf der Schützenmatte in oranger Weste und mit Schutzhelm Präsenz markiert. Warum dies?
In der Umgebung der Reitschule gab es in den letzten Wochen verschiedene Gewaltdelikte. Ziel der Aktion war es, Präsenz zu markieren, die Dealerei einzudämmen und Straftaten zu verhindern. Dies haben wir mit gut sichtbaren Fusspatrouillen erreicht. Zahlreiche Passanten haben die Aktion begrüsst.

Ganz im Gegensatz zur Reitschule…
In der Tat ist die Aktion bei den Reitschulbetreibern gar nicht auf fruchtbaren Boden gestossen. Sie haben den Einsatz bekämpft, obschon er ausserhalb des Perimeters der Reitschule stattgefunden hat. Wir haben etwa den Vorplatz nicht betreten.

Plant die Polizei nun regelmässig «präventive Kontrollen» durchzuführen?
In den nächsten Tagen werden wir den Einsatz eingehend analysieren und danach über das weitere Vorgehen entscheiden.

-BernerZeitung Polizeichef Willi: «Das hätte tödlich ausgehen können»
Brennende Barrikaden und elf verletzte Polizisten: Rund um die Reitschule ereigneten sich am Wochenende wüste Szenen. Die Situation sei nicht mehr akzeptabel, so die Polizei, die in einen Hinterhalt geriet.

Bern erlebte ein Wochenende der Gewalt. Zwei Nächte in Folge kam es bei der Reitschule zu Angriffen auf Polizisten. Bereits am Freitag gab es auf der Schützenmatte Scharmützel zwischen Polizei und Extremisten. Die Sicherheitskräfte waren dort sichtbar und in grosser Anzahl präsent, um den Drogenhandel und die Gewaltdelikte zu unterbinden. Was Randalierer zu einer ersten Attacke verleitete.

Richtig brutal wurde es am Samstag. Als Polizei und Feuerwehr wegen brennender Strassenbarrikaden zur Schützenmatte ausrückten, stellten ihnen die Chaoten eine Falle. Kaum angekommen, wurden die Beamten vom Dach der Reitschule aus angegriffen. Es hagelte Flaschen und faustgrosse Steine. Ganze Feuerwerksbatterien wurden gezielt auf Polizisten und Feuerwehrleute abgefeuert.

Die Polizei setzte Gummischrot ein. Elf Polizisten wurden verletzt. Es kam zu Verbrennungen, zu Gehörverletzungen sowie zu Prellungen. Die Polizei ermittelt unter anderem wegen Gefährdung des Lebens, Landfriedensbruch sowie Gewalt und Drohung.

Manuel Willi, Chef der Regionalpolizei Bern, spricht von einem geplanten Angriff: «Ohne unsere Schutzausrüstung hätte es im schlimmsten Fall tödlich ausgehen können.» Manche Leute würden es in Kauf nehmen, dass Polizisten schwer verletzt oder gar getötet werden. Die Situation sei nicht mehr akzeptabel.

«Das Kontakttelefon funktionierte nicht, die Täter konnten in die Reitschule rein, um von dort wieder Gewalt anzuwenden.» Willi kann sich nicht an Fälle erinnern, «bei denen die Reitschule derart sichtbar und klar als Tatort genutzt wurde.»

Warum ging die Polizei nicht rein? «Diese Täter lassen sich nicht einfach verhaften», so Willi. Wenn die Polizei in die Reitschule reingehe, komme es zu einer Auseinandersetzung im Innern: «Dann müssen wir damit rechnen, dass noch viele Unbeteiligte verletzt werden.»

Der Polizeiverband bezeichnet die Angriffe auf die Polizisten als «vorsätzliche Tötungsversuche» und fordert eine härtere Gangart: «Wenn die Politiker das nicht selber einsehen, dann muss der Druck aus der Bevölkerung kommen», teilt der Verband mit.

Hess hat Unterschriften parat

Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) spricht von einem Hinterhalt und fordert nun eine Krisensitzung inklusive des Regierungsstatthalters, der das Sicherheitskonzept der Reitschule bewilligte. Einmal mehr habe dieses nicht funktioniert. «Der Sicherheitsdienst war nicht fähig oder willig, die gewalttätigen und extremistischen Übergriffe zu unterbinden», sagt er. Sein Fazit: «Die Sicherheitssituation hat sich nicht verbessert.»

Die Mediengruppe der Reitschule kritisierte am Sonntag die erhöhte Polizeipräsenz auf der Schützenmatte. Ob diese der ­Sicherheit oder der Provokation diene, sei fraglich. Von der Gewalt distanzieren sich die Reitschüler nur halbherzig: «Wir halten nichts davon, Feuerwehrleute anzugreifen», schreiben sie. Die verletzten Polizisten erwähnen sie mit keinem Wort.

Nach der neusten Gewaltorgie fühlt sich SVP-Nationalrat und Stadtrat Erich Hess in seinem Anliegen bestätigt, via Kanton gegen die Reitschule vorzugehen. Die dafür nötigen 15 000 Unterschriften hat er nun beisammen, wie er am Sonntag mitteilte. Diesen Freitag will er seine JSVP-Initiative «Keine Steuergelder für die Berner Reithalle» einreichen.

«Ab dem Moment, in dem man nicht mehr für unsere Initiative sammeln kann, gibt es wieder Krawalle», sagt Hess. Die Randalierer würden sich wohl bereits wieder auf der sicheren Seite fühlen. Für Hess ist klar: «Alles wurde von der Reitschule aus organisiert. Die Stadt hat die Lage nicht mehr im Griff.»