2016,  Repression

Freispruch Demo-Organisatoren Regionalgericht

Inhalt:
1. Medienmitteilung


1. Medienmitteilung (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/05/97348.shtml)
Medienmitteilung AntiRep Bern & Betroffene 06. Mai 2016
Erfolgreiches Urteil gegen Political Profiling in Bern
Das Regionalgericht Bern-Mittelland sprach am 4. Mai 2016 vier linke Aktivist_innen frei. Das Polizeiinspektorat der Stadt Bern und die Staatsanwaltschaft Bern-Mittelland warfen ihnen die Organisation einer unbewilligten Demonstration gegen die kantonale Sparpolitik vor.
Im Prozess ging es um eine Spontandemonstration, die am 13. März 2015 stattfand1. Damals erkannte der zum Prozess als Zeuge vorgeladener Polizist vier Personen. „Da ich diese von vielen Demos her kenne, war für mich klar, dass es sich bei ihnen um Führungspersonen handelt“, sagte dieser vor Gericht. „Ein klassischer Fall von Political Profiling“, kritisieren die freigesprochenen Aktivist_innen. Aufgrund ihrer systemkritischen Haltung und Praxis sind linke Aktivist_innen Polizei und Behörden ein Dorn im Auge. Entsprechend werden sie von der Polizei und Behörden vorurteilsbelastet behandelt und durch die Staatsanwaltschaft kriminalisiert.
Die Teilnahme an einer Demonstration – auch an einer unbewilligten – ist ein verfassungsmässig garantiertes Recht und wird durch das Kundgebungsreglement der Stadt Bern nicht sanktioniert. Hingegen wird die Organisation einer unbewilligten Demonstration gebüsst. Obwohl im Polizeirapport von „Führungspersonen“ und nicht von „Organisator_innen“ die Rede war, nutzten das Polizeiinspektorat2 und die bernischen Staatsanwaltschaft den Rapport, um die Aktivist_innen ohne weitere Hin‑ oder Beweise als Organisator_innen der Demo zu betrachten und zu büssen.

Der Polizei bekannte Personen = Führungspersonen = Organisatoren?
Hätten die vier Aktivist_innen gegen den Strafbefehl der Staatsanwaltschaft nicht Einsprache erhoben, wäre die Gleichung des Polizeiinspektorats und der Staatsanwaltschaft rechtskräftig geworden. Doch vor Gericht hielten die tendenziösen Schlussfolgerungen nicht stand, sondern erstaunten den Gerichtspräsidenten: „Wenn Bundeskanzlerin Merkel in Paris an der Spitze einer Antiterrordemo mitmarschiert, macht sie das noch lange nicht zu einer Organisatorin des Anlass“. Die Teilnahme – auch eine aktive – sei kein Beweis dafür, dass eine Person eine Demonstration auch organisiert habe. Selbst Personen, die von der Polizei als Führungspersonen wahrgenommen werden, seien nicht automatisch Organisator_innen. „Das ist höchstens ein Hinweis“, sagte der Gerichtspräsident. „Wir wollen den Erfolg nutzen, um verstärkt gegen Political Profiling und staatliche Repression zu kämpfen“ sagen die freigesprochenen Aktivist_innen. Nebst flächendeckenden DNA‑Probeentnahmen, gewaltvollen Razzien, herabsetzenden gezielten Personenkontrollen oder namentliches Ansprechen durch Polizeibeamt_innen im öffentlichen Raum ist auch die Kriminalisierung von Demonstrationsteilnehmenden ein Mittel, um linke Aktivist_innen einzuschüchtern und zu schikanieren. Das Urteil pfeift die Polizei und die Staatsanwaltschaft zurück und das ist nötig.

1 http://www.derbund.ch/bern/stadt/Spontane-Demonstration-gegen-das-Sparpaket-in-Bern/story/15390106
2 Offenbar liefert die Kantonspolizei dem Stadtberner Polizeiinspektorat regelmässig die Namen der von ihnen erkannten Teilnehmenden von (unbewilligten) Demonstrationen und Kundgebungen. Es stellt sich die Frage auf welcher Rechtsgrundlage dies geschieht, ob und wie lange die Daten aufbewahrt werden und ob allenfalls neue Fichen über linke Aktivist_innen angelegt werden.