2016,  Repression

Reitschule-Razzia verhärtete Fronten

Inhalt:
1. Medienmitteilung
2. Medienbericht


1. Medienmitteilung (Originalquelle: https://www.facebook.com/CopwatchBern/posts/845211508945389)
Medienmitteilung 23. Juni 2016
POLIZEI-RAZZIA REITSCHULE BERN: EIN SCHRITT NACH »VORNE«, ZWEI SCHRITTE ZURÜCK
23. Juni 2016, Donnerstagnachmittag, 15.00 Uhr, sonniges Wetter, vier Reitschüler_innen treffen sich im Hof der Reitschule mit dem ehemaligen Bundesrichter Hans Wyprächtiger zum gemeinsamen Gespräch. Hintergrund des Treffens ist die von Alexander Tschäppät initiierte und vom Stadtrat befürwortete Mediation zwischen den Betreiber_innen der Reitschule und der Kantonspolizei Bern.

Szenenwechsel:
23.Juni 2016, Donnerstagabend, 19.45 Uhr, sonniges Wetter, in der Reitschule halten sich viele Gäste auf. Das Kino öffnet gerade seine Türen, die vielen Gäste des Restaurants Sous le Pont essen gemütlich im Durchgang und im Hof der Reitschule Bern – als gegen 50 Polizist_innen eine Gruppe Menschen ins Innere der Reitschule hetzt. Die Polizist_innen, alle in zivil, wirken bedrohlich, überrennen Gäste, es kommt zu Verfolgungsszenen im Durchgang und Hof;Leute werden zu Boden gedrückt. Es dauert eine Weile, bis klar ist, dass es sich bei den Verfolgern um Polizist_Innen handelt. Bei den Notausgängen rund um die Reitschule sind mehrere Dutzend Polizist_innen in Demomontur und Einsatzfahrzeugen postiert. Und wieder einmal fällt auf: Die Polizei nimmt nur Menschen dunkler Hautfarbe ins Visier. So wird beim »Rückzug« auch gleich noch ein dunkelhäutiger Gast von einem Tisch des Sous le Pont weg verhaftet. Zuvor waren zwei Personen bis in den Infoladen (Bibliothek der Reitschule) verfolgt und festgenommen worden. Einer davon wurde wegen des brutalen Vorgehens der Beamten verletzt, wovon Blutflecken zeugen, welche Reitschüler_innen nach dem Abzug der Polizei vom Boden aufgewischt haben. Weiter wurden sich im Infoladen befindliche Schränke geöffnet und damit die Grenze – des im Rahmen der so genannten »Nacheile« Legalen – klar überschritten. Auch wollten sich Einzelne Zugang zu im Zeitpunkt der Razzia nicht öffentlich zugänglichen Räumen verschaffen – auch dies an sich unzulässig. Wozu?

Solche Grosseinsätze schaden dem organisierten Drogenhandel auf dem Vorplatz, der auch von Seiten der Reitschule verurteilt wird, entgegen anders lautender Meldungen der Polizei nicht einmal kurzfristig.
Und doch bleibt der heutige Einsatz nicht ganz ohne Wirkung: Der Betrieb im Sous le Pont wurde lahmgelegt und Unbeteiligte verängstigt. Letztlich verstehen die Betreiber_innen der Reitschule den regelrechten Überfall als klare Absage seitens der Kantonspolizei an die angelaufenen Mediationsbemühungen. Wir hoffen, dass die – wieder einmal – plump inszenierte Provokation kurz vor dem Wochenende keine weiteren Folgen haben wird.

Videos:


Freundliche Grüsse,
Mediengruppe Reitschule Bern


2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/erneute-razzia-bei-der-reitschule/story/16124940)
Verhärtete Fronten nach Razzia in der Reitschule
Am Donnerstagabend führte die Polizei bei der Reitschule eine Razzia durch. Einen «regelrechten Überfall» nennen es die einen, eine«gezielte Aktion gegen den Drogenhandel» die anderen. Das Verhältnis zwischen Kapo und Reitschule ist angespannt.

Die Zeichen standen auf Gewitter. Gemeint ist nicht das Wetter, sondern das Verhältnis zwischen der Reitschule und der Kantonspolizei. Die ersten Wolken zogen bereits letzten Samstag auf. Es ging um die Deutungshoheit, wo genau sich die beiden Männer ­befanden, die durch Stichwaffen verletzt wurden (wir berichteten). Die Reitschüler sagten: «auf dem Vorplatz der Reitschule».

Die Polizei sagte: «im Dachstock der Reitschule». Zwei unterschiedliche Versionen des Vorfalls. Die Reitschüler verlangten von der Polizei eine Richtigstellung. Diese lehnte aber ab und holte zum Gegenschlag aus. Sie kritisierte «einmal mehr» die mangelnde Zusammenarbeit der Reitschüler.Am Donnerstag nun entlud sich die Gewitterwolke. Die Polizei führte am Abend bei der Reitschule eine Razzia durch. Wie die Kapo sagt, handelte es sich um einen Einsatz gegen den Drogenhandel. Noch in der gleichen Nacht verschickte die Mediengruppe der Reitschule ihre Version zu den Vorkommnissen, inklusive Videos mit Nahaufnahmen beteiligter Polizisten.

Die Razzia sei ein «regelrechter Überfall» gewesen. Laut der Mediengruppe «hetzten» rund 50 Polizisten eine Gruppe ins Innere der Reitschule. Es habe eine Weile gedauert, bis klar gewesen sei, dass es sich bei den Verfolgern um Polizisten handelte, weil sie in ­Zivil gewesen seien. Sie hätten bedrohlich gewirkt, es sei zu Verfolgungsszenen im Durchgang und im Hof der Reitschule gekommen. Gäste seien überrannt, Leute zu Boden gedrückt worden.

Rassismusvorwurf im Raum
Die Reitschüler werfen der Polizei sogenanntes Racial Profiling vor. Die Kapo habe bei der Razzia nur Menschen mit dunkler Hautfarbe im Visier gehabt. Ein dunkelhäutiger Gast des Restaurants sowie 2 Personen im Infoladen seien festgenommen worden. Eine Person sei durch das «brutale Vorgehen» der Polizei verletzt worden. Zudem hätten Polizisten versucht, sich Zugang zu nicht ­öffentlichen Räumen zu verschaffen.

Etwa seien im Infoladen die Schränke geöffnet worden, was die Grenzen der Legalität klar überschreite. Dem organisierten Drogenhandel auf dem Vorplatz schade ein solcher Grosseinsatz indes nicht einmal kurzfristig, so die Mediengruppe.

14 Personen angehalten
«Vom Rassismusvorwurf distanzieren wir uns ganz klar», sagt Polizeisprecher Christoph Gnägi. Die Kontrolle sei auch nicht gegen die Institution Reitschule gerichtet gewesen, sondern ge­gen den Drogenhandel. Dies würden die Zahlen der Kontrollen belegen: Im Raum Schützenmatte, Reitschule, Grosse Schanze und Bahnhof seien 14 Personen angehalten und auf die Polizeiwache geführt worden. 5 Personen seien in Haft genommen worden. Bei der Reitschule wurden laut Gnägi 10 Personen gezielt angehalten, darunter ein Mann, welcher national zur Verhaftung ausgeschrieben war.

8 Personen seien angezeigt worden, etwa wegen Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz, Verstössen gegen das Ausländergesetz sowie Widerhandlungen gegen das Strafgesetz. 13 Gramm Kokain, kleine Mengen Marihuana sowie rund 2000 Franken Bargeld hat die Polizei sichergestellt. Die angehaltenen Personen hätten sich teils durch Flucht – etwa in den Innenhof oder Räume der Reitschule – sowie durch körperliche Gegenwehr zu widersetzen versucht.

Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) sagt zur Aktion: «Wir haben bei der Reitschule und auf der Schütz ein Problem mit dem Drogenhandel und können nicht tatenlos zuschauen. Der Handel dort muss ein­gedämmt und konsequent bekämpft werden.» Diesem Zweck und nichts anderem habe die Aktion gedient. Dazu, welche Folgen die Aktion auf die Sicherheitslage rund um die Reitschule haben könnte, äussert er sich nicht. «Wir beobachten die Lage laufend», heisst es bei der Polizei.

Die Reitschüler wiederum sehen den Einsatz als «klare Absage seitens der Kantonspolizei an die angelaufenen Mediations­bemühungen». Und weiter: «Wir hoffen, dass die plump inszenierte Provokation kurz vor dem ­Wochenende folgenlos bleiben wird.»