2017,  Antikapitalismus,  Demo

Demo gegen Sozialabbau

Inhalt:
1. Aufruf
2. Bericht Anarchistische Gruppe Bern
3. Bericht KriPo Bern

1. Aufruf (Originalquelle: https://www.facebook.com/events/1305006532925745/)
Am Dienstag, 6. Juni 2017 um 16 Uhr wollen wir gemeinsam gegen die angekündigten neuen Verschärfungen des Sozialhilfegesetzes SHG des Kantons Bern auf dem Rathausplatz Bern unseren Unmut kundtun. Am ersten Tag der Junisession 2017 sollen die Grossräte und Grossrätinnen, welche über die Revision des Sozialhilfegesetzes debattieren, mit Transparenten empfangen werden.
WIR SCHAUEN NICHT LÄNGER ZU!
Die reichsten 10% der Schweizer Bevölkerung besitzen 85% des gesamten Vermögens. Und wir sollen bei den ärmsten 3.2% in der Sozialhilfe sparen? Da läuft etwas VERKEHRT!
Erscheinen wir zahlreich und setzen ein Zeichen.
#eslaeuftverkehrt


2. Bericht Anarchistische Gruppe Bern (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/845285922286432)
Heute versammelten sich rund 1000 Menschen auf dem Rathausplatz, um gegen den geplanten Sozialabbau von 10 bis 30 Prozent zu demonstrieren. Unter den Teilnehmer*innen waren viele Direktbetroffene dabei. Damit der Protest auch in der Innenstadt sichtbar gemacht werden konnte, formierten sich rund 60 Menschen zu einer Spontandemo. Diese zog vom Rathausplatz über den Bundes- und Bahnhofplatz Richtung Schützenmatte. Für die nächsten Wochen und Monate haben sich bereits weitere Protestaktionen angekündigt.

Unser Flyer zur heutigen Demo:
Solidarisch handeln – Sozialabbau bekämpfen
Erneut wird gespart und erneut geschieht dies auf dem Buckel der ärmeren Menschen der Gesellschaft. Dieser Satz scheint mittlerweile so häufig zu gelten, dass schon fast vergessen geht, was dies bedeutet.
Selbstbewusst wird die Schweiz als eines der reichsten Länder der Welt genannt, in dem niemand arm sein müsste. Doch die Schweiz war nie und ist kein Schlaraffenland. Vielmehr werden solche Bilder gerne verwendet, um den nationalistischen Epos zu verstärken.
Und wenn die Schweiz angeblich so reich ist, wie kommt es dann, dass mehr als eine halbe Million Menschen in der Schweiz von Armut betroffen sind und rund die Hälfte davon auf Sozialhilfe angewiesen ist?
Die Marktwirtschaft hat nicht zum Ziel, dass es allen Menschen gut geht und alle ihre Bedürfnisse befriedigen können. Grundlegend zieht sich ein Graben durch die Gesellschaft zwischen Arbeitnehmenden und Arbeitgebenden. Letztere verfügen über wirtschaftliches Eigentum, welches sie für ihren Profit nutzen können. Wer, wie die meisten Menschen, über kein wirtschaftliches Eigentum verfügt, muss sich damit rumschlagen, die eigene Arbeitskraft für einen Lohn zu verkaufen. Wir arbeiten folglich im Normalfall nicht primär für das Wohlergehen der Gesellschaft, sondern für das wirtschaftliche Wohl der Eigentümer*Innen der Betriebe. Um uns selbst ein angenehmes Leben zu bescheren, sind wir gezwungen, bei diesem Spiel mitzumachen und begeben uns in eine gegenseitige Konkurrenz. Wer in dieser Konkurrenz nicht bestehen kann, wird ausgemustert.
Der Staat nimmt dabei eine tragende Rolle ein. Er schützt das wirtschaftliche Eigentum mit aller Gewalt und sorgt damit dafür, dass dieser gesellschaftliche Graben aufrechterhalten wird. Zusätzlich sorgt der Staat für möglichst optimale Bedingungen für Firmen und Konzerne, damit diese ihren Profit erhalten und maximieren können. Steuersenkungen für Reiche, Deregulierungen und Privatisierungen sind einige beliebte Mittel dafür.
Weiter ist es für Arbeitgebende von Vorteil, wenn nicht alle Menschen eine Arbeitsstelle besitzen. Denn dadurch wird die Konkurrenz zwischen den Arbeitsnehmenden verstärkt und Arbeitskämpfe erschwert, mit dem Verweis darauf, dass auch jemand anderes die Stelle einnehmen könne.
Hinzu kommt, dass die Konkurrenz zwischen den Arbeitnehmenden dafür sorgt, dass die Solidarität mit Menschen, die nicht bestehen konnten abnimmt und der eigene berufliche Erfolg mehr gewichtet wird, als der gemeinsame Kampf für ein schöneres Leben.
Kein Wunder also, wenn wieder einmal bei den ärmeren Menschen gespart wird. In der Junisession 2017 diskutiert der Grosse Rat über eine weitere Einsparung im sozialen Bereich. Faktisch bedeutet dies eine Kürzung der Sozialhilfe um 10 Prozent. Dabei ignoriert der Kanton Bern die Mindestempfehlung der Schweizerischen Konferenz für Sozialhilfe und bezahlt schon jetzt weniger. Nun soll sogar dieser Betrag gekürzt werden.
Auch wenn wir heute nicht mehr von einer Klassengesellschaft sprechen können, wie sie im letzten Jahrhundert ein Fakt war, müssen wir einsehen, dass so etwas wie Klassenkampf weiterhin existiert. Nur ist es ein Klassenkampf von oben. Es ist ein Angriff auf unsere Lebensbedingungen, den wir abwenden müssen! Wie auch Mindestlöhne oder der 8-Stunden-Tag erkämpft werden mussten, müssen wir auch heute wieder zusammenstehen und solidarisch handeln.
Vergessen wir aber auch nicht die Systematik hinter der Misere. Nennen wir das Problem beim Namen: Staat und Kapital!


3. Bericht KriPo Bern (Originalquelle: https://barrikade.info/Sozialabbau-bekampfen-Kapitalismus-uberwinden-228)
Sozialabbau bekämpfen – Kapitalismus überwinden
Rund 1000 Menschen kamen am 6. Juni auf dem Rathausplatz in Bern zusammen, um ihren Unmut über die Kürzungen in der Sozialhilfe und die Hetze gegen Armutsbetroffene auszudrücken. Es wurden emotionale Reden gehalten, Musik gespielt und den aus dem Rathaus kommenden Grossrät*innen einen zornigen Empfang bereitet. Die Wut und der Widerstand gegen die Kürzungen waren sehr sicht- und hörbar.

Kämpfe gegen Sozialabbau enden aber nicht am heutigen Tag. Wie eine der Organisator*innen treffend bemerkt hat, ist es vielmehr der Beginn eines aufkeimenden Widerstandes. So steht mit dem neuen Sparpaket des Kt. Berns schon eine nächste Sparvorlage vor der Tür und auch unser Widerstand bezüglich dem neuen Sozialhilfegesetz wird weiterhin notwendig sein.
Dabei sollen auch verschiedene Ausdrucksformen nebeneinander Platz haben. So entschieden sich etwa 80 Menschen nach Ende der Kundgebung unbewilligt durch die Berner Strassen zur Reitschule zu ziehen. Es wurde gezeigt, dass es wichtig ist den Widerstand nicht «nur» auf Platzkundgebungen beschränken zu lassen.
Die kriPo Bern war bei beiden Demos mit einem Transparent und Flyern unterwegs. Letzteres ist unten angehängt.

Flyer
Das neue Sozialhilfegesetz des Kanton Berns verschärft die Lebensumstände von Armutsbetroffenen und Sozialhilfebezüger*innen massiv. So soll der Grundbedarf im Allgemeinen um 10 % und bei Menschen zwischen 18 und 25 Jahren sogar um bis zu 30 % gekürzt werden. Auch sollen die Sozialdienste ihre Möglichkeiten zurückhaltender nutzen, wie bspw. bei Beiträgen für die Integration.

Wir wehren uns gegen diese Sparvorlage! Sie löst keine Probleme, sondern schafft nur neue.
Die Gründe für die Misere liegen aber tiefer. Sie sind unter anderem in den Logiken von kapitalistischen Wirtschaftssystemen, wie dem unseren, zu suchen. In diesen orientiert sich die wirtschaftliche Produktion an der Profitmaximierung. Die Vermehrung von Geld steht also im Fokus, die Bedürfnisse der Menschen sind zweitrangig und das Wettbewerbsprinzip dominiert. Dieses produziert permanent Gewinner*innen und Verlierer*innen. Letztere sind zum Beispiel

Menschen, die aufgrund körperlicher oder psychischer Einschränkungen unterstützungsbedürftig sind
Menschen, die lebenslang in prekären Arbeitsverhältnissen schuften müssen
Menschen, die, oft wegen starken Arbeitsbelastungen, krank werden

Derjenige Teil der Verlierer*innen, der seine Arbeitskraft nicht auf dem Markt verkaufen kann oder will, wird gesellschaftlich oft ausgegrenzt. Sie seien nicht nützlich, tragen nichts zum gesellschaftlichen Wohlstand bei und konsumieren auf Kosten der Steuerzahler*innen, sind die gängigen Vorurteile. Diese Ausgrenzung wird mit dem Aktivierungsparadigma verstärkt, welches beim neuen Sozialhilfegesetz zur Anwendung kommt. Dieses sieht den Menschen von Grund auf als passiv an; ohne «Aktivierung», kein Handeln. Damit sich Sozialhilfebezüger*innen überhaupt auf die Suche nach Lohnarbeit machen würden, müssten sie also über «Anreize» motiviert werden. Solche «Anreize» sind dann bspw. drohende Sanktionen oder prekärere Lebensbedingungen, die die Kürzungen im Grundbedarf nach sich ziehen.

Abgesehen vom reaktionären Menschenbild, ist die Aktivierungspolitik auch aus politischen Gründen zurückzuweisen. Denn das Prinzip des «Förderns und Forderns» führt unter anderem dazu, dass Armutsbetroffene vermehrt in prekärere Arbeitsverhältnisse gedrängt werden. Die sogenannte Sozialpolitik wird also verstärkt auf kapitalistische Bedürfnisse, wie billige Arbeitskräfte, ausgerichtet.
Wenn wir uns gegen Armut und Ausgrenzung einsetzen möchten, ist es unserer Meinung nach also wichtig, das vorherrschende kapitalistische System zu analysieren, es zu kritisieren und uns für Perspektiven jenseits davon einzusetzen. Denn solange der Kapitalismus wütet, wird Armut nicht zu überwinden sein.