2018,  Antikapitalismus,  Besetzung,  Freiraum

Besetzung Grosse Halle

Inhalt:
1. Communiqué
2. Squatter Rundfunk
3. Medienbericht
4. Solidarität mit der Besetzung Revolutionäre Jugend Gruppe Bern

1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/Medienmitteilung-der-Wohlstandsverwahrlosten-973)
Am Dienstag dem 27. März haben wir, „Die Wohlstandsverwahrlosten“, das Gebäude der Grossen Halle (wieder)besetzt.

Das Gebäude gehört, so wie der restliche Teil der Reitschule, der Stadt Bern. Anders als der restliche Teil der Reitschule wird der Raum nicht von der basisdemokratischen Organisation der Reitschülerinnen betrieben, sondern vom Trägerverein Grosse Halle. Dieser hat heute ausser seiner geografischen Nähe und einigen persönlichen Überschneidungen wenig bis gar nichts mit der Reitschule zu tun.

Dies erscheint absurd, vor allem wenn man die Geschichte des Ortes in Betracht zieht. Im Herbst 1987 wurde das Tor zur Grossen Halle in Folge einer Jugendbewegung, welche nach mehr Freiräumen verlangte, aufgebrochen. Es war der Beginn der zweiten Besetzung der Reitschule. Zwei Jahre lang gehörte die grosse Halle ganz selbstverständlich zur ganzen Reitschule.

Heute 30 Jahre später veranstaltet die Trägerschaft nebst dem allmonatlichen Flohmarkt verschiedene Events, so wie in diesem März das „WeLoveTechno“, bei welchem ein Eintrittspreis von 50 Franken verlangt wurde! Meistens aber sind die Tore der grossen Halle geschlossen und der Raum ist ungenützt. Manchmal wird er als, Zitat, „ Entwicklungsort, Werkstatt und Proberaum“ genutzt, welcher dann aber nicht öffentlich frei zugänglich ist.

Grundsätzlich finden wir, dass die Grosse Halle heute mit dem Geist der Besetzung nichts mehr zu tun hat. Es werden keine Utopien gelebt, keine revolutionären Ideen gewagt. Der Raum ist kapitalistischen Logiken unterstellt (hohe Eintrittspreise), die Organisation entzieht sich der basisdemokratischen Strukturen der Reitschule und häufig ist die grosse Halle schlichtweg geschlossen. Kurzum die grosse Halle ist heute alles andere als ein Freiraum.

Die Kritik an der grosse Halle ist also so weit verständlich. Aber was ihr wollt, existiert ja bereits in der Reitschule, denkt ihr euch vielleicht. Das stimmt für uns eben nicht so ganz.

Als allererstes ist zu sagen, dass die Reitschule der wichtigste Vernetzungsort in ganz Bern ist. Ohne ihn hätten sich unsere KollektivmitgliederInnen vermutlich nie kennengelernt. Wir wollen mit der Besetzung der Grossen Halle keineswegs die Reitschule spalten oder sie gar angreifen. Wir wollen lediglich einen Gedankenanstoss für die heutigen ReischulbetreiberInnen sein, eine Alternative zum Bestehenden bilden. Jedoch hegen wir einige klare Kritiken gegenüber der Reitschule:

Zum einen kritisieren wir den Fakt, dass in der Reitschule Lohnarbeit herrscht. Dadurch haben sich viele ReitschülerInnen finanziell abhängig von ihrem Schaffensort gemacht. Das heisst, die Aufrechterhaltung des Betriebs wird manchmal über ideologische Beweggründe gestellt. Ausserdem mussten durch die Lohnarbeit Eintritts und Konsumpreise eingeführt werden, welche in anderen Kulturlokalen nicht anders sind (Gin Tonic: 12.- Konzert: 25.-). Eine Konsequenz davon ist der (auch medial) viel besprochene Vorplatz. Gewalt, Schlägereien, Diebstahl und Deal sind immer wieder Thema. Es sind vor allem die Menschen, die sich dort rumtreiben, welche sich die hohen Preise innerhalb der Reitschule nicht leisten können.

Und ja, die Reitschule bietet so einiges mehr, als nur Restaurant, Bar und Konzertlokal. Zum Beispiel das Kino und der Infoladen. Diese sind jedoch durch ihre Lage für die Menschen auf dem Vorplatz kaum sichtbar. Nein, Hauptteil der Reitschule sind diejenigen Betriebe, welche durch ihre Konsumangebote es möglich machen, den MitarbeiterInnen ihre Löhne auszubezahlen. Die Reitschule ist dadurch ein stückweit zu einem Konsumtempel geworden, der ganz klar zwischen KonsumentInnen und ProduzentInnen unterscheidet.

In den letzten Jahren wurden im Raum Bern einige Freiräume erkämpft und besetzt. Einige wurden geräumt (Effy 29/WIFAG), anderen ist der Zwischennutzungsvertrag ausgelaufen und das Gebäude wurde dem Erdboden gleich gemacht (Murtenstrasse/Moserstrasse), wieder andere bestehen heute noch (Fam. Osterhase/Café Toujour/Fabrikool/Denkmal/Steigi 69). Klar ist aber, dass auch diese, in absehbarer Zeit verschwinden werden und deren Bemühungen und Energien dem Bulldozer weichen müssen werden.

Wir verlangen einen unbefristeten Freiraum. Einer der nicht auf Zeit steht und sich nicht städtischen Verträgen unterordnen muss, denn das Bedürfnis danach ist gross und real!

Wir wollen Lebensraum und Treffpunkt schaffen für alle Menschen, unabhängig deren finanziellen Mittel oder deren Herkunft. Deshalb werden Eintritts und Fixpreise durch Richtpreise ersetzt. Das bedeutet, dass alle so viel für eine Dienstleistung oder ein Gut bezahlen, wie sie wollen oder können. Das bedeutet auch, dass weder Lohnarbeit noch sonstige Selbstbereicherung Platz in diesem Raum Platz haben werden. Zudem soll der Raum ein Ort sein, indem sich Menschen politisieren, bilden, informieren, engagieren und vernetzen. Wir wollen all den Jugendlichen, all den MigrantInnen, all den Menschen, welche sich Wochenende für Wochenende auf dem Vorplatz tummeln niederschwellige Partizipationsmöglichkeiten bieten.

In der ersten Woche findet ein vielschichtiges Programm statt, das von uns auf die Beine gestellt wurde. Wir sehen uns jedoch überhaupt nicht als BesitzerInnen des Freiraumes, die jetzt sagen wo es lang geht. Wir sehen uns viel mehr als IntiatorInnen dieses Projekts. Wir sind offen für gute Ideen und Energien und freuen uns auf alle Menschen, welche das Projekt unterstützen und sich einbringen wollen, in welcher Form auch immer.

Jeder Generation ihre Zeit. 1987 hatten unsere Eltern die Ihre und jetzt haben wir die Unsere. Wir sind der Generation von 1987 sehr dankbar dafür, für was sie geleistet hat und es verdient grossen Respekt. Es ist jedoch an der Zeit diesem Gebäude neues Leben einzuhauchen und wieder von Utopien und einem selbstbestimmten Leben zu träumen.

 


2. Squatter Rundfunk(Originalquelle: https://www.youtube.com/watch?v=Mn2K9-kybkA)


3. Medienbericht (Originalquelle: https://barrikade.info/Grosse-Halle-Besetzer-innen-im-megafon-Interview-974, http://www.journal-b.ch/de/082013/alltag/3036/%C2%ABWir-wollen-nicht-fragen-sondern-machen%C2%BB.htm & https://www.derbund.ch/bern/stadt/grosse-halle-bei-der-reitschule-besetzt/story/24618607)
-Megafon
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-Journal B «Wir wollen nicht fragen, sondern machen»
Gestern Nacht wurde die Grosse Halle vom Kollektiv «Die Wohlstandsverwahrlosten» besetzt. Journal B hat die Mediengruppe des Kollektivs letzte Woche zum Gespräch getroffen.

Wer seid ihr und wie seid ihr organisiert?

Dimitri*: Wir sind das Kollektiv «Die Wohlstandverwahrlosten», ein Zusammenschluss aus 30 bis 50 Personen. Die meisten sind zwischen 18 und 30 Jahre alt – also ein eher jüngeres Kollektiv. Es hat auch Leute unter uns, die das erste Mal bei sowas dabei sind und einfach den Traum haben, etwas zu verändern.

Renato*: Organisiert sind wir basisdemokratisch.
Wie habt ihr zusammengefunden?

Dimitri: Man kannte sich unter anderem über die Reitschule.

Renato: Viele Leute haben aber auch von ausserhalb dazu gefunden.

Marta*: Ja, sogar ziemlich viele. Es ist schön zu sehen, dass Leute aus verschiedenen Umfeldern zusammen die Energie für so ein Projekt bereitstellen können.
Das heisst es gibt aber auch Leute unter euch, die schon Erfahrungen mit Hausbesetzungen haben?

Marta: Ja
Mit der Grossen Halle habt ihr euch ein eher ungewöhnliches Ziel für eine Hausbesetzung gesucht. Wie seid ihr auf die Idee gekommen?

Renato: Die Besetzung ist sicher aussergewöhnlich. Die Idee bzw. der Unmut gegenüber der Grossen Halle sind aber schon lange da – auch in der Reitschule. Es wurde auch schon mehrfach probiert die Grosse Halle für kurze Zeit zu besetzen, dies aber nicht durch uns, bzw. unser Kollektiv.
Weshalb dieser Unmut?

Renato: Wenn ich als Reitschulbesucher auf den Vorplatz komme, dann kommt mir die Grosse Halle immer vor wie eine Burg, eine Festung, die immer geschlossen ist. Manchmal ist das Tor einen spaltweit offen und es findet eine Bandprobe oder so statt. Und ab und zu findet eine grosse, teure Veranstaltung statt, ab und zu gibt es auch Veranstaltungen, die offen sind für alle, wie das UNA-Festival. Grundsätzlich ist mir dieser Ort, obwohl ich langjähriger Besucher der Reitschule bin, einfach fremd.

Marta: Wichtig für unser Kollektiv ist, dass die Grosse Halle zu einem offenen Raum wird. Es gab in den letzten Jahren selten Anlässe, die wirklich offen waren, bei dem jeder und jede einfach reinspazieren konnte. Die Grosse Halle soll zu einem Freiraum werden, den alle nutzen können, die wollen.
Eine Besetzung ist doch ein relativ radikales und auch kompromissloses Mittel. Sind dem Entscheid, die Grosse Halle zu besetzen, auch Vermittlungsversuche vorgegangen? Hat man mit dem Trägerverein das Gespräch gesucht?

Renato: Ja, es gab Gespräche. Zwar nicht durch unser Kollektiv, aber vorgängig. Der Trägerverein war jedoch nicht kompromissbereit, es gab sogar Anfeindungen durch einzelne Mitglieder. Zwar befindet sich der Trägerverein momentan in einer Umstrukturierung…
…es kommt zu einem Wechsel in der Leitung des Vereins – nach 18 Jahren. Warum gebt ihr der neuen Leitung keine Chance, es besser zu machen als die alte?

Marta: Es ist einfach zu viel zu lange schiefgelaufen. 18 Jahre nur zuschauen geht nicht. Wenn die neue Leitung aber bereit ist zu unseren Bedingungen bei der Sache mitanzupacken, sind wir grundsätzlich offen.

Renato: Es geht auch darum, dass wir den ganzen Freiraum an sich thematisieren wollen. Wir wollen nicht nur einmal die Woche eine Bar organisieren oder ein Sportturnier. Wir stellen die Frage nach alternativen Organisationsmöglichkeiten. Wir wollen einen ganz neuen Prozess dort reinbringen. Dazu ist eine Besetzung eines der besten Mittel. Wir wollen nicht fragen, sondern machen.

Dimitri: Wenn man nur das Gespräch sucht, ist die Gefahr auch gross, dass man sich schlussendlich einfach den schon bestehenden Strukturen unterordnet. Und dann bleibt alles wie es ist.
Ist das nicht auch sehr exklusiv? Ihr habt ein fixes Vorgehen, fixe Prinzipien. Wer das nicht akzeptiert, kann gehen.

Renato: Natürlich, wir nehmen uns eine gewisse Exklusivität im ersten Moment, indem wir sagen: «Wir machen das jetzt einfach». Sofort danach öffnen wir die Tore aber für alle.

Marta: Genau das ist unser Ziel, möglichst viel Menschen in dieses Projekt einzubinden und aus «unserem» Projekt ein Projekt für alle zu schaffen.
Werdet ihr auch den Trägerverein in die weitere Planung einbinden?

Renato: Wir werden den Trägerverein sicher sofort nach der Besetzung informieren.

Marta: Wir haben ja vor allem etwas gegen die Grossveranstaltungen, die sehr kommerzialisiert sind, wie zum Beispiel das «We Love Techno». Man darf nicht vergessen, dass in der Grossen Halle auch immer wieder coole Veranstaltungen stattfinden. Wir können uns gut vorstellen, dass die Veranstaltungen des Trägervereins immer noch einen Platz in der Grossen Halle haben können, jedoch nach unseren Grundsätzen, beispielsweise sollen keine Eintritte mehr verlangt werden usw.

Renato: Es können auch gerne Leute aus dem Trägerverein, die unsere Grundsätze akzeptieren, bei uns mitwirken.
Euer Kollektiv ist also grundsätzlich für alle offen?

Renato: Ja. Das beinhaltet zwar ein gewisses Risiko. Wir haben aber von Anfang an gesagt, dass uns bei diesem Projekt die grosse Mobilisierung im Mittelpunkt steht und wir bereit sind, das Risiko einzugehen.
Seht ihr auch die Gefahr einer reitschulinternen Spaltung durch die Besetzung? Die Meinungen gehen wohl auseinander…

Marta: Uns ist diese Problematik sicher bewusst. Es ist aber schwierig sie komplett zu vermeiden.

Renato: Es ist aber nicht nur eine Problematik, denn die Besetzung geht auch mit einer gewissen Reitschulkritik einher.
Die Besetzung der Grossen Halle als Reitschulkritik?

Renato: Es gibt Dinge in der Reitschule, mit denen sind wir nicht einverstanden und wollen deshalb eine Alternative bieten. Wir haben keinesfalls die Absicht, die Reitschule zu spalten. Wir möchten nur einen Denkanstoss liefern.
Wofür?

Renato: Auch die Reitschule wurde einmal besetzt. Durch die Besetzung der Grossen Halle müssen sich die Leute in der Reitschule wieder neu positionieren. In unserer Kritik geht es uns zum Beispiel um Lohnarbeit und die damit einhergehende Professionalisierung, hohe Eintrittspreise oder fixe Konsumpreise. Die am besten besuchten Orte in der Reitschule, sprich Rössli, Dachstock, Sous le Pont, sind alle auf Konsum ausgerichtet. Orte wie der Infoladen, Kino oder Tojo sind hingegen im Hintergrund. Das hängt schlussendlich mit der Lohnarbeit zusammen, denn ohne Einnahmen lassen sich keine Löhne ausbezahlen. Aus dem heraus hat sich diese Orientierung am Konsum entwickelt, die wir kritisieren.
Menschen müssen ihren Unterhalt bestreiten, Clubs wie der Dachstock ab und an Investitionen tätigen, zum Beispiel mit dem Kauf einer neuen Musikanlage. Deshalb braucht es Einnahmen. Habt ihr dafür kein Verständnis?

Renato: Das kommt ganz darauf an, was für einen Anspruch man hat. In besetzten Häusern werden auch regelmässig Anlässe organisiert, ohne dass Löhne ausbezahlt werden.

Marta: Ich habe auf jeden Fall Verständnis für die aktuelle Situation. Durch ihr starkes Wachstum ist die Reitschule schlussendlich auch etwas überfordert. Ein linkes Kulturzentrum mit Eintrittspreisen ist völlig legitim. Diese sollten aber für alle erschwinglich sein.
Reitschulkritik scheint ein wichtiger Grund für die Besetzung zu sein.

Marta: Ja, auf jeden Fall. Es soll aber jetzt nicht so rüberkommen, als hätten wir alle eine Riesenwut auf die Reitschule. Viele von uns haben sich im Reitschulumfeld kennengelernt und schätzen den Ort immer noch sehr.

Dimitri: Wir wollen das Projekt auch gemeinsam mit der Reitschule realisieren und bauen auf ihre Solidarität.
Die Grosse Halle ist nicht leer. Gemäss den Angaben des Trägervereins war sie 2015 zu 90% ausglastet und 2016 immerhin zu über 80%.

Renato: In diesen hohen Prozentzahlen sind sehr viele exklusive Anlässe enthalten, zum Beispiel Band-oder Chorproben und Proben von Tanz-oder Theatergruppen. An einigen Tagen sind dort vielleicht zehn Leute in dieser riesigen Halle. Und das kann einfach nicht sein.
Trotzdem, diese Bedürfnisse werden nicht einfach verschwinden. Wie geht ihr damit um?

Renato: Ich nehme mal an – die Grosse Halle ist ja riesig –, dass solche Gruppen nicht den ganzen Platz brauchen. Wir fänden es toll, wenn dieser Raum weiterhin durch solche kleinen Gruppen genutzt wird und wollen diese Leute nicht vertreiben. Ich bin mir sicher, wir können da etwas einrichten.
Wie geht ihr mit allfälligen Kollisionen um, die zwischen eurem Programm und dem schon bestehenden Programm des Trägervereins entstehen werden? Am 1. April wird zum Beispiel der «Flohmi» stattfinden. Vom 6. bis 28. April gibt es eine Kunstausstellung.

Marta: Bisher haben wir nur ein Programm für eine Woche. Das heisst, es gibt zwar eine Kollision mit dem Flohmi, sonst ist aber noch keine weitere Veranstaltung betroffen. Der Flohmi hat intern zu vielen Diskussionen geführt, weil eine Menge Leute von uns beteiligt sind. Deshalb werden wir den Flohmi am selben Tag zur selben Zeit zu unseren Bedingungen durchführen, das heisst wir werden zum Beispiel keine Standmieten verlangen. Der Platz ist aber begrenzt, weil wir zu diesem Zeitpunkt schon Dinge gebaut haben werden.

Dimitri: Betreffend der weiteren geplanten Anlässe des Trägervereins kann ich sagen, dass wir ein offenes Kollektiv sind. Wer etwas durchführen will, kann das grundsätzlich auch tun, halt einfach zu unseren Bedingungen.
Was werdet ihr unmittelbar nach der Besetzung tun?

Dimitri: Bauen. Wir haben vor eine Bühne, eine Küche, ein Sportfeld, eine Spielecke und vieles mehr zu bauen. Alles Weitere werden wir an der Vollversammlung besprechen, die im Verlauf der ersten Woche stattfindet.
Ein paar abschliessende Worte.
Marta: Kommt vorbei, helft mit und gestaltet. Wir freuen uns!

-DerBund Grosse Halle besetzt von «Wohlstandsverwahrlosten»
Für Aktivisten ist der Raum um die Reitschule zu kommerziell.
Seit gestern hängt an der Grossen Halle ein Transparent: «Besetzt». Nur, vor Ort wies gestern wenig auf die Besetzung hin. Aus der Halle waren am Nachmittag dumpfe Bässe zu hören – die grossen Türen aber blieben verschlossen. Einzig ein Flyer wies neben dem Banner darauf hin, dass ein Kollektiv, das sich «die Wohlstandsverwahrlosten» nennt, die Halle besetzt hat. «Ebendiese Halle haben wir der Stadt Bern enteignet und geöffnet für uns. Uns: alle Menschen, die in diesem Raum ihre Kraft, ihre Zeit und Ideen einbringen wollen», hiess es auf einem an der Tür angebrachten Flyer.

Die Aktion scheint schon länger geplant: Das «Megafon», die Zeitschrift der Reitschule, gab zum Anlass extra ein «Extrablatt» heraus. Darin dürfen die «Besetzer» ein Interview geben und erläutern, dass ihnen die Grosse Halle zu kommerziell genutzt werde. Mit den Technopartys spreche sie den «Massengeschmack an, statt als Freiraum zu dienen», sagte eine Besetzerin im Gespräch. Auch das Onlinemagazin «Journal B» traf die Besetzer zum Interview, bevor jene die Halle überhaupt in Beschlag genommen hatten.

Die Grosse Halle und die Reitschule gehören zum selben Gebäudekomplex, sind aber unabhängig voneinander. Die Halle wird von einem Trägerverein verwaltet, in der Vertreter der Stadt Bern, der Interessensgemeinschaft Kulturraum Reitschule (Ikur) und Einzelpersonen sitzen. Die Stadt Bern als Eigentümerin der Räumlichkeiten wurde über die Besetzung nicht informiert.

Der Vorstand der Grossen Halle kritisiert die Besetzung gestern in einer Stellungnahme. Mit ihnen hätte vorgängig niemand das Gespräch gesucht. Zudem teile man die Haltung der Besetzer nicht, dass Kultur gratis sein solle. Man sei nun aber im Gespräch mit dem Besetzerkollektiv, um eine konstruktive Lösung zu finden, heisst es in der Mitteilung.

Besetzer auf SVP-Linie
Auch die geplante Sanierung der Grossen Halle kritisieren Mitglieder des Kollektivs «die Wohlstandsverwahrlosten». Der Stadtrat verabschiedete letzten Frühling einen Kredit von 3 Millionen Franken für Bauarbeiten an der Reitschule – mit dem grössten Teil des Geldes soll die Grosse Halle saniert werden. Die SVP ergriff aber erfolgreich das Referendum gegen den Sanierungskredit, weshalb nun das Berner Stimmvolk am 10. Juni das letzte Wort hat. Bei der Frage um die Renovation scheinen die SVP und die reitschulnahen Besetzer sich sogar einig. Im Interview mit dem «Megafon» sagt eine Besetzerin, dass sie der Sanierung kritisch gegenüberstehe, da die Grosse Halle durch die Bauarbeiten «aufgewertet» und «luxussaniert» werde. Auch Erich Hess (SVP) twitterte gestern, dass die Stadt Bern die Reitschule mit einem Baukredit «vergolden» wolle.

Programm wie bisher
Die besetzte Halle solle ab heute vorerst für fünf Tage mit Bar, Bühne, Küche und Sportfeld für alle nutzbar werden, heisst es im «Megafon». Paradox daran: Die Besetzer bieten fast dasselbe Programm an, das die eigentlichen Betreiber der Halle mit dem Restaurant Blinde Kuh, Konzerten und den Sportanlässen für Jugendliche bereits ermöglichen. Sogar der bekannte Flohmarkt soll wie geplant abgehalten werden, mit der Ausnahme, dass die Besetzer keine Standgebühr verlangen wollen.

Bereits mehrmals ernteten die Betreiber der Grossen Halle aus linksautonomen Kreisen Kritik: Die Partys mit hohen Eintrittspreisen, die in der Halle veranstaltet worden sind, wurden als Kommerzialisierung des Freiraums Reitschule bezeichnet. In diesem Konflikt ist es auch schon zu gewaltsamen Auseinandersetzungen gekommen. 2012 hat eine Gruppe mit Eisenstangen, Gittern und Pfefferspray bewaffneter Jugendlicher eine Elektroparty in der Grossen Halle gestürmt. Zwei Jahre später drangen erneut vermummte Aktivisten in die Halle ein, um einen Technoabend zu stören und die Türen für alle zu öffnen. Kurz davor hatten sie ein Transparent mit der Aufschrift «Heute gratis, bald für immer?» angebracht.


4. Solidarität mit der Besetzung Revolutionäre Jugend Gruppe Bern (Originalquelle: https://revolutionär.ch/?p=3569)
Die Grosse Halle der Reitschule Bern ist seit Mittwoch besetzt! Wir solidarisieren uns mit den Besetzer*innen und ihren Forderungen.

Als politisch aktive Gruppe organisieren wir uns bereits seit rund 10 Jahren in der Reitschule. Wir freuen uns sehr über die Grosse Halle-Besetzung und möchten den Besetzer*innen unsere Unterstützung und Solidarität aussprechen. Die Reitschule als widerständischer, politischer und kultureller Treffpunkt der Stadt Bern bietet viel Fläche für Konflikte und Probleme. Die basisdemokratische Strukturierung der Reitschule macht genau diese Reitschule ausserordentlich spannend. Die Grosse Halle war seit Jahren nicht mehr Teil dieser basisdemoktratischen Strukturen und wurde mehr oder weniger extern verwaltet. Die nun durch die Praxis einer Besetzung geäusserte Kritik an der Nutzung der fest in städtischer Hand stehenden Grossen Halle ist nicht neu. Viel Leerstand, unflexible Nutzung, Kommerzveranstaltungen, schlechte Kommunikation und keine Beteiligung an den basisdemokratischen Strukturen sind einige wesentliche Kritikpunkte an der Grossen Halle. Dies heisst aber auf keinen Fall, dass es in der Grossen Halle nicht auch einige sehr interessante und wichtige Veranstaltungen gab.

Nun haben sich viele, vorwiegend junge Menschen zusammengetan, um selber in der Reitschule aktiv zu werden. So wie dies viele Reitschüler*innen immer wieder fordern. Wir, welche uns schon länger in der Reitschule befinden und mit den Strukturen und Abläufen bestens vertraut sind, sollten diese Aktion, diese Besetzung als Weckruf sehen. Ein Weckruf, dass wir uns nicht auf den in 80er und 90er Jahren erkämpften Loorbeeren ausruhen dürfen. Ein Weckruf, dass wir es uns in Anbetracht der herrschenden Verhältnisse von Krieg und Ausbeutung nicht bequem einrichten und darin einschlafen dürfen! Ein Weckruf, dass Staat und Gewalt unsere Feinde sind und wir uns nicht bequem mit ihnen arrangieren dürfen.

Ein rebellischer Weckruf, ausgelöst durch die Besetzung der Grossen Halle kann in der gesamten Reitschule positive Einflüsse nehmen und neue Prozesse in Gang setzen. Nehmen wir die Chance an und überdenken wir unsere Rolle, unsere Privilegien und unsere Standards! Erkämpfen wir uns neue Räume und verwalten wir sie basisdemokratisch. Die Grosse Halle, die Schützenmatte, das Bollwerk, die Stadt Bern… es liegt in unseren Händen aktiv zu werden!

In diesem Sinne, viel Kraft und Erfolg allen Besetzer*innen – in der Reitschule und überall!