2019,  Asyl/Migration,  Demo

Demo Asylcamps sind keine Lösung

Inhalt:
1. Aufruf
2. Bericht Anarchistische Gruppe Bern
3. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: https://barrikade.info/article/2677)
Probleme mit Foltercamps in Libyen
Krieg, Verfolgung, (staatliche) Gewalt, aber auch Armut, Klimakrise und andere Gründe können dazu führen, das bisherige Zuhause aufzugeben. Auf der Suche nach Sicherheit und einer Perspektive müssen sich (flüchtende) Migrant*innen teilweise in noch grössere Gefahr begeben. In Libyen werden flüchtende Menschen in Camps gefangen gehalten, gefoltert, vergewaltigt und versklavt. Europa und auch die Schweiz tolerieren diese Camps und finanzieren sie über die IOM und Frontex sogar mit.
Probleme mit Camps in Transitstaaten

Auf Druck von Europa und der Schweiz beteiligen sich immer mehr Transitstaaten an der Abschottung Europas. In der Türkei, Tunesien oder Marokko werden (flüchtende) Migrant*innen aktiv an der Durchreise nach Europa gehindert und in Camps blockiert. Wenn sich die Regierungen oder Regimes dieser Länder bereit erklären, bei der Abschottung Europas mitzumachen, erhalten sie Geld und politische Anerkennung. Sie sprechen von Migrationsabkommen, wir von schmutzigen Deals.
Probleme mit Hotspot-Camps an der EU-Aussengrenze

Weil die Fluchtrouten über das Mittelmeer wegen der europäischen Politik mörderisch gefährlich sind, versuchen derzeit viele Menschen über das ägäische Meer nach Europa zu gelangen. Auf den griechischen Inseln werden sie in sogenannte Hotspot-Camps gesteckt. Weil die griechische Regierung und Europa es so wollen, sind die Hotspotcamps ständig überfüllt. Die Menschen leben in Zelten, die im Sommer zu heiss und im Winter zu kalt sind. Es gibt Hygieneprobleme und es herrscht oft Wasser- und Nahrungsmangel. Weil die Lager heillos überfüllt sind, kam es zB. in Moria zu einem Brand bei dem Menschen starben. Auch der Zugang zu einem formell korrekten Asylverfahren ist in den Hotspots nicht gesichert.
Probleme mit Bundesasylcamps

Geflüchtete, die es bis in die Schweiz schaffen, werden als erstes in grossen Bundesasylcamps isoliert. Dort müssen sie auf einen Asylentscheid oder auf ihre Ausschaffung warten. Die Camps befinden sich meist an abgelegen Orten in ehemaligen Kasernen, Spitälern oder anderen Gebäuden, die bei der Bevölkerung Unsicherheitsgefühle auslösen. Die Bundesasylcamps sind wie Gefängnisse organisiert. Hunderte Menschen leben auf engem Raum ohne Privatsphäre. Es gibt einen freiheitsberaubenden Anwesenheitszwang. Das Leben wird gefilmt, kontrolliert und überwacht. Die Polizei kann jederzeit Menschen verhaften. Freund*innen oder Menschenrechtsorganisationen haben keinen oder kaum Zugang zu diesen Camps. Wer sich nicht an die strengen Regeln hält, wird streng bestraft.
Probleme mit den Camps in den Kantonen

Wer nach 140 Tagen im Bundesasylcamp noch keinen Asylentscheid hat oder nicht abgeschoben wurde, wird zum Weiterwarten in ein kantonales Camp transferiert. Aktuell verschärfen viele Kantone die Bedingungen in ihren Asylcamps. Besonders die Nothilfecamps, wo abgewiesene Geflüchtete leben müssen, werden immer menschenverachtender. Der Kanton Bern wollte zB. alle abgewiesenen Geflüchteten in einem ehemaligen Jugendgefängnis unterbringen. Nur dank Widerstand konnten die Behörden gestoppt werden. Im Kanton Zürich dürfen die abgewiesenen Geflüchteten gewisse Zonen nicht betreten (Ausgrenzung) oder verlassen (Eingrenzung). Im Kanton Schwyz müssen die abgewiesenen Geflüchteten drei Mal pro Tag im Camp ihre Anwesenheit mit Unterschrift bezeugen. Gleichzeitig dürfen sie von 9-17 Uhr das Camp nicht betreten. Viele (geflüchtete) Migrant*innen müssen jahrelang in solchen Camps leben. Das macht psychisch und physisch krank. Viele sind frustriert, traumatisiert oder werden aggressiv.
(Geflüchtete) Migrant*innen brauchen:

– Keine Folter, keinen Tod und Vergewaltigung, sondern sichere Flucht- und Migrationsrouten.
– Keine Abschottung wegen Deals mit Transitstaaten, sondern sichere Flucht- und Migrationsrouten für alle.
– Keine Entrechtung und katastrophalen Bedingungen in den europäischen Hotspotcamps, sondern ein Bleiberecht und Niederlassungsfreiheit für alle.
– Keine Diskriminierung, sondern gleiche Rechte, Respekt und Würde für alle.
– Keine Isolation und keine Ausschaffungen, sondern gleicher Zugang zu Wohnen, Arbeit, Bildung und Gesundheit für alle.

Darum: Gehen wir am 9. November gemeinsam auf die Strasse und kämpfen für eine Welt ohne Einsperrung, Isolation und Diskriminierung von (geflüchteten) Migrant*innen.


2. Bericht Anarchistische Gruppe Bern (Originalquelle: https://www.facebook.com/InfoAGB/posts/1446977575450594)
Rund 2000 Menschen schlossen sich heute in Bern dem Aufruf vom Migrant-Solidarity-Network an. Die Demo wurde von zahlreichen migrantischen Communities getragen und richtete sich gegen Asylcamps. Hier findet ihr die zahlreichen spannenden Reden, welche heute gehalten wurden: https://bit.ly/2NuzM8S
Bild könnte enthalten: eine oder mehrere Personen, Menschenmasse, Himmel, Baum und im Freien


3. Medienbericht (Originalquelle: https://www.derbund.ch/bern/fluechtlinge-und-unterstuetzer-demonstrieren-gegen-asylcamps/story/17884105)
Flüchtlinge demonstrieren «gegen Asylcamps»

Am Samstagnachmittag haben gemäss Organisatoren auf dem Berner Bundesplatz rund 2000 Personen für eine bessere Situation von Flüchtlingen in Schweizer Asylzentren und internationalen Camps demonstriert.

Auf dem Berner Bundesplatz hat am frühen Samstagnachmittag eine nationale Kundgebung «gegen Asylcamps» begonnen. Laut den Organisatoren haben über 2000 Flüchtlinge und Unterstützer daran teilgenommen.

Aufgerufen zur Kundgebung hat das Migrant Solidarity Network. Das ist eine Aktivistennetzwerk, das nach eigenen Angaben die Stimme von Flüchtlingen auf politischer Ebene besser zur Geltung bringen will. Es hat seinen Sitz in Bern. Die Kundgebung richtet sich gegen die Zustände in libyschen und griechischen Flüchtlingslagern und gegen die «Abschottung Europas», wie das Migrant Solidarity Networt in einer Mitteilung schreibt.

Gewalt, Krankheit und Tod in Libyen

«Wir wollen, dass die libyschen Camps geschlossen werden», sagt der Aktivist Negasi Sereke. Die Schweiz dürfe nicht wegschauen und Libyen gar finanziell unterstützen. Der Eritreer lebt heute mit seiner Familie in Ittigen und macht eine Ausbildung zum Pfleger. Via Facebook steht er mit Flüchtlingen in Libyen in Kontakt. Er erzählt Schlimmes: In libyschen Camps werden sie sexuell missbraucht und mit dem HI-Virus oder Tuberkulose infiziert. «Frauen müssen auf dem Boden gebären und viele sterben bei der Geburt ihrer Kinder», sagt Sereke. Zum Teil würden den Flüchtlingen Organe geraubt.

Er selber sei 2006 via Libyen in die Schweiz geflüchtet. Unter dem Regime von Gaddafi sei die Situation von Flüchtlingen noch viel besser gewesen. «Wir waren frei und konnten uns in der Stadt bewegen», sagt Sereke.

Isolation in der Schweiz
Einer, der die prekären Zustände in Libyen selbst erlebt hat, ist der 25-jährige Taha Yahia. Als Kind war er mit seinen Eltern vom Sudan in den Tschad geflüchtet und wuchs dort in einem Camp auf. Vor vier Jahren flüchtete er via Libyen und Italien in die Schweiz. Er sei verdächtigt worden, bei den Rebellen mitzumachen. In Libyen wurde er gekidnappt und musste drei Monate als Sklave in einem Stall arbeiten, bevor er wieder freigelassen wurde, weil er mittellos war, wie er erzählt.

Doch auch die Verhältnisse in der Schweiz kritisierten die Flüchtlinge auf dem Bundesplatz. Yahia verbrachte zwei Jahre im Asylzentrum in der Region Biel. Fern der Stadt habe er sich isoliert gefühlt. «Es gab nur Bauernhöfe.» Weil er seine Anwesenheit täglich mit einer Unterschrift bestätigen musste, konnte er nie bei Freunden übernachten. «Aber ich will auch Teil der Gesellschaft sein», sagt er. Heute wohnt er in der Stadt Bern in einer grossen Wohngemeinschaft und macht bei der Spitex eine Ausbildung.

Kritik an der Nothilfe
Auf dem Platz demonstrierten nicht nur geflüchtete Menschen, sondern auch zahlreiche solidarische. Etwa Gabrielle Progin. Sie engagiert sich in Freiburg im Kollektiv Bleiberecht und fordert die Abschaffung der Nothilfe. Diese sei «entwürdigend». Stattdessen brauche es ein Bleiberecht und Niederlassungsfreiheit für alle. Abgewiesene Asylsuchende sollten wie die anderen von der Sozialhilfe betreut werden, sagt sie.

Nach einem Umzug durch die Berner Innenstadt soll die Kundgebung am späteren Nachmittag auf der Berner Schützenmatte enden. Die Demonstration ist von der Stadt Bern bewilligt worden.