2020,  Antirassismus,  Farbanschlag

Rassistisches ABC übermalt

Inhalt:
1. Communiqué
2. Medienbericht


1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3604)
Im Schulhaus Wyler steht ein Wandbild mit dem ABC, bestehend aus Bildern von Pflanzen, Tieren und Menschen. Beim Buchstaben N, I und C sind drei Menschen stereotypisiert, rassistisch und fremdbezeichnend dargestellt. Der Gebrauch vom N- und I-Wort ist rassistisch und nicht akzeptabel, weder in einer Bildungseinrichtung noch für die Bezeichnung einer Süssigkeit.

Das Bild wurde von den zwei Künstlern Eugen Jordi und Emil Zbinden im Jahr 1949 gemalt. Im Frühling 2019 wurde eine öffentliche Debatte über das gesamte Bild angerissen, die Stadt Bern reagierte daraufhin mit einem im August 2019 ausgeschriebenen «Transdisziplinäre[n] Wettbewerb zum Kulturerbe der Kolonialzeit: Das Wandbild Wylergut Bern als Beispiel». Der Wettbewerb hat zum Ziel «das implizit rassistisch geprägte Kunstwerk zeitgenössisch zu verorten und zu diskutieren». Ob das Wandbild verdeckt wird ist unkar, so sagt Annina Zimmermann der Stadt Bern, dass aus gegenwärtiger Sicht der Jury-Mitglieder (hauptsächlich weisse Personen) dies nicht der angemessene Umgang wäre und dass es sich schliesslich um ein authentisches Zeugnis aus jener Zeit handle (Bund-Artikel vom 4.9.2019). Das sind heuchlerische Aussagen und eine Schein-Auseinandersetzung mit der rassistischen und kolonialen Vergangenheit der schweiz. Betroffene Personen haben das Wort in diesem Zusammenhang ergriffen und wurden nicht gehört. Warum fürchtet sich die Stadt das Wandbild wegzumachen? Historische Relikte und Denkmalschutz werden mehr gewertet als institutionelle und alltägliche Rassismen. Wenn solche Bilder toleriert und geschützt werden, zeigt das wie eurozentrisch und rassistisch der Denkmalschutz, städtische Institutionen und Geschichte sind.

Wir müssen unser Denken, Handeln und Leben dekolonialisieren. Wir leben in einer rassistischen Welt und das bedeutet jeden Tag dagegen anzukämpfen und nicht wegzuschauen. Solche Bilder und Wörter verletzen, reproduzieren und schmerzen. Warum wird das überhaupt von der Denkmalpflege geschützt? Warum ist das Werk von zwei verstorbenen, weissen Künstlern wichtiger als die unzähligen Stimmen von BIPoC (Black, Indigeneous and People of Color) die das Werk kritisieren und ansehen müssen?

Wir haben das N-, I- und das C- Bild übermalt. Wir wünschen den Lehrpersonen und den Schüler*innen Auseinandersetzungen mit den eigenen Privilegien und Unterdrückungen. Vielleicht ist es an der Zeit neue Fächer zu schaffen, die Beteiligung der schweiz an der Kolonialsierung anzuerkennen und sich aktiv damit auseinanderzusetzen.

P.S.
Wir sind eine Gruppe von Menschen, die unterschiedliche Privilegien besitzen und von unterschiedlichen Diskriminierungen betroffen sind. Personen of color und weisse, non-binär, genderfluid oder cis-weiblich. Wohlhabend oder arm aufgewachsen. Wir begehren vielfältig. Uns verbindet der Kampf gegen weisse Vorherrschaft, Rassismus, Kapitalismus, Klasssismus und Patriarchat (diese Aufzählung ist nicht abschliessend).


2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.20min.ch/story/unbekannte-uebermalen-rassistisches-wandbild-976175537710)
Aktivisten bedanken sich bei Berner Wandbild-Übermalern
In der Primarschule Wylergut in Bern hat eine Gruppe Unbekannter ein altes Wandalphabet übermalt. Sie fordern damit die Entfernung des Werkes. Organisatoren der «Black Lives Matter»-Demo bedanken sich für die Tat.

Unbekannte haben Teile eines Wandbildes in einem Berner Schulhaus mit schwarzer Farbe übermalt. Das Wandbild der Künstler Eugen Jordi (1894-1983) und Emil Zbinden (1908-1991) prangt seit 1949 im Schulhaus Wylergut. Es zeigt ein Alphabet, das die Buchstabenfolge mit Tierbildern, einzelnen Pflanzen und Artefakten, aber auch mit drei stereotyp dargestellten Menschen aus Afrika (Buchstabe N), Asien (Buchstabe C) und Amerika (Buchstabe I) illustriert. Das Sgraffito ist denkmalpflegerisch als «erhaltenswert» eingestuft.

«Der Akt geschah am Montagnachmittag während den regulären Öffnungszeiten der Schule, wurde jedoch von niemanden aktiv bemerkt», sagt Schulleiter Jürg Lädrach zu 20 Minuten. Die Schule habe den Vorfall der Stadt gemeldet. Unbekannte hätten die drei Buchstaben N, I und C mit schwarzer Farbe übermalt.

Bekennerschreiben aufgetaucht
Die Täter melden sich in einem Bekennerschreiben zu Wort, das der «Bund» am Dienstag publik machte und auch der Nachrichtenagentur Keystone-sda vorliegt. Mit dem Bild würden «drei Menschen stereotypisiert, rassistisch und fremdbezeichnend dargestellt». Die Gruppe kritisiert damit den «heuchlerischen» Umgang der Stadt Bern mit dem Kulturerbe aus der Kolonialzeit. Sie stört sich daran, dass die Stadt Bern das Wandbild nicht «wegmacht».

Schulleiter Lädrach versteht die Kritik teilweise: «Die Zuordnung der Bilder und Buchstaben ist teilweise problematisch.» Im Schulhaus Wylergut, wo das Bild seit mehreren Jahrzehnten hinge, hätte man aber in den Jahren einen Weg gefunden, mit dem Wandbild umzugehen: «Wir haben jeweils sehr viel mit den Schülerinnen und Schülern über das Bild gesprochen und die einhergehende Problematik von verschiedenen Seiten beleuchtet.»

Stadt suchte Lösungsweg
Die Stadt Bern hatte im Herbst 2019 einen Ideenwettbewerb lanciert, die das Kulturerbe aus der Kolonialzeit «kritisch und zeitgemäss» einordnen solle. Das Siegerprojekt sollte dieses Jahr realisiert werden. «Mit dem Akt, der nun verübt wurde, ist die Zielsetzung des Projekts teilweise torpertidert worden», so Lädrach. Das empfindet der Schulleiter als Schade – er hielt viel von diesem Weg: «Das Team, das sich damit auseinandersetzte war ausgewogen aufgestellt.» So sei die Kunst-Seite, welche das Bild als erhaltenswert einstufe, genauso vertreten, wie der Bereich Antirassimus, welcher findet, dass das Bild entfernt werden müsse.

Die bekennenden Täter wussten von diesem Wettbewerb. In ihren Augen war dies jedoch eine «Schein-Auseinandersetzung» mit der «rassistischen und kolonialen Vergangenheit der Schweiz». Historische Relikte und Denkmalschutz würden höher gewertet als «institutionelle und alltägliche Rassismen», heisst es im Bekennerschreiben dazu.
BLM-Aktivisten bedanken sich

Bei den Berner Organisatoren der «Black Live Matter»-Demo, welche am Samstag auf dem Bundesplatz stattfand und mehrere Tausend Demonstranten anzog, kommt die Aktion gut an: «Wir möchten uns bei denjenigen bedanken, die die Übermalung tätigten», teilen die Organisatoren 20 Minuten über ihren Insta-Account Black Panther Party Reloaded mit. Sie seien erfreut darüber, wie sich das kollektive Bewusstsein der Schweiz entwickle: «Menschen beginnen zu hinterfragen, Menschen beginnen zu handeln».