2020,  Antikapitalismus,  Ausschreitungen,  Demo,  Freiraum,  Gender,  Repression

Carnaval des Rues

Inhalt:
1. Aufruf
2. Communiqué
3. Ein R`Ausblick
4. Medienberichte


1. Aufruf (Originalquelle: https://carnavaldesrues.noblogs.org/post/2020/09/01/was-ware-wenn/)
Was wäre wenn..
Du läufst die Strasse entlang, die du jeden Tag entlang läufst. Da das neue Café, in welches du nie gehen würdest. Dort der Coop, indem du dir manchmal einen Zvieri und ein Süssgetränk holst, um wieder zu etwas Energie zu sammeln. Du zählst die Schritte von der einen Strassenecke bis zur nächsten, du möchtest dich ablenken, die Aufforderungen übersehen, die von den Plakatwänden herunterschreien, dich vom Arbeitsalltag trennen, dem Wirrwarr deiner Gedanken Klarheit verschaffen. Die Stimmen im Kopf kommen dir manchmal fremd vor. Sind das deine eigenen Gedanken? Oder spielt das übehaupt eine Rolle?
Jeden Tag dasselbe. Jeden Tag aufstehen, Kaffee trinken, Schuhe binden. Die grauen Strassen, die immer gleichen Fassaden, die sich ständig verändern.

Sogar die Veränderung bleibt gleich.

Doch heute ist irgendetwas anders. Du weisst noch nicht genau, was deine Aufmerksamkeit gefangen hat. Ein Geruch? Ein Geräusch? Du biegst um die Ecke und plötzlich fangen die Menschen immer schneller ans Ende der Strasse zu laufen. Was geschieht dort? Dich packt eine ungekannte Nervosität, ein Schimmer von Hoffnung ergreift dein Herz und, deine Blutgefässe verengen sich und dein Herz spürst du in deiner Kehle. Hoffnung?
Auf was?

Du hast keine Antwort, du möchtest es gar nicht wissen.
Doch da ist die Ungewissheit auf einmal völlig klar.

Da gibt es noch mehr.

Mehr zwischen diesen Strassen.
Mehr zwischen diesen Synapsen.
Mehr zwischen diesen Zeilen.

Was du bis jetzt gekannt hast, das ist nicht die einzige Realität. Welten eröffnen sich vor deinem inneren Auge. Die Häuser um dich verbiegen sich in ungeahnte Winkel, der Boden unter dir hebt dich empor und du erblickst am Ende der Strasse auf einmal helle Lichter. Die Lichter bewegen sich, sie blenden dich – formen eine Gestalt aus hunderten Gestalten, wie ein Glücksdrache, mit Schuppen aus kleinen Zwerggalaxien. Der Drache wächst und wächst und lacht dich von weitem her an – «Ich sehe dich».

Die Schönheit des Anblickes überwältigt dich, dir schiessen heisse Tränen in die Augen. Du hast vergessen, wie man weint, doch das macht nichts, deine Seele weint für dich.

Du spürst die Hoffnung, einen Raum gefunden zu haben, wo du dich hin wünschst.
Eine Idee, wo du sein kannst was du sein möchtest. Nicht, was du zu sein hast.
Da gibt es noch mehr.

Du lässt dich treiben, vom Wind, von den Menschen um dich, die das selbe spüren. Jemand nimmt dich an der Hand und ihr springt hoch und die Zwerggalaxien verschlingen euch.

Wilkommen im Carnaval de Rues
Du bist Zuhause

2. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3845)
Heute Nacht, am 12.9. auf den 13.9.2020 sollten die Strassen und Quartiere von Bern Zeug*in eines unvergesslichen Anlasses werden . Ein lautes Fest, eine hörbare Stimme für Veränderung in schweizer Städten. Wir haben die Stadtenwicklung und ihre diskriminierende Verdrängung satt. Gemeinsam sollte der Kreativität und der Träumerei freien lauf gelassen werden. Der Carnaval des Rues will uns allen zeigen, dass es auch anders geht!

Doch die Polizei als Marionetten eines unterdrückerischen Systems empfand unseren geplanten Carnaval als Bedrohung und stoppte den Umzug bereits kurz nach dem Start.

Musik und Kunst, Farbe und Lärm, hätten die Strassen erhellt, um ein erneutes Mal dem Thema Stadtentwicklung Raum zu ermöglichen. Spass machen für die Menschen die dabei sind, Gedanken ins Rollen bringen bei allen Beteiligten. Vor allem aber dem Wunsch nach urbaner Umgestaltung eine öffentliche Plattform bieten. Das Kollektiv hinter der Organisation des CdR setzt sich aus Menschen aus verschiedensten Städten zusammen. Bern ist daher auch eher zufällig gewählter Schauplatz des Geschehens. Symbolisch für viele andere Städte, die mit gleichen oder ähnlichen Problemen konfrontiert sind. Eine einheitliche politische Ausrichtung gibt es in diesem interstädtischen Vernetzungskollektiv nicht. So divers die Probleme und Themen des urbanen Raumes sind, so unterschiedlich die Menschen des Kollektivs, die davon betroffen sind. Sei es der Konsumzwang, die Gentrifizierung von Quartieren, die leerstehenden Häuser, die steigenden Mieten, das Racial Profiling oder die Kommerzialisierung von öffentichem Raum, Gründe gibt es genug um unzufrieden zu sein.
Das Kollektiv wünscht sich dabei vor allem Eines: Nämlich eine Veränderung der Maximen, nach denen Städte sich entwickeln.
Weg von Verdrängung, Kommerzialisierung und menschenfeindlicher Aufwertung, hin zu einer solidarischen und selbstbestimmten kreativen Idee des Zusammenlebens.

Die Entwicklung dieser Gesellschaft lässt uns keine Ruhe mehr. Wir mussten ausbrechen aus der Lethargie, der Gleichgültigkeit. Genug davon, wie unser Leben immer mehr von Kommerz, Konsum, Arbeit, Vereinzelung und Überwachung dominiert wird. Wir möchten, dass sich die Welt in eine andere Richtung dreht.
Wir glauben nicht daran, dass die existierenden Systeme wie Neoliberalismus, Nationalstaaten oder Grenzen eine Lösung für all die Probleme bieten können mit denen wir konfrontiert sind. Wir denken sie sind die direkte Ursache dieser Probleme!

Wie sich unsere Städte entwickeln ist ein offensichtlicher Auswuchs davon, wie der Kapitalismus sich immer neue Geldquellen krallt und unser Zuhause verschlingt.
Die Innenstädte werden immer exklusiver. Dort wo Menschen wohnen könnten, reihen sich Konsumtempel an Konsumtempel. Der Boden ist so teuer geworden, dass ihn sich nur eine kleine, meist weisse Oberschicht überhaupt noch leisten kann.

Die Folge der Aufwertung des städtischen Bodens ist, dass die meisten Menschen sich das Leben in der Stadt nicht mehr leisten können. Es bedeutet, dass der Grossteil des Lebens statt für soziale Kontakte und Aufgaben, für träumerische Gedanken und für politische Veränderung der Arbeit zum Opfer fallen. Das, was dennoch absolut notwendig ist, die Haus- und Care-Arbeit, bleibt meistens an FLINT*-Personen hängen und führt dort zu einer enormen Mehrbelastung.
Die miese Entlohnung für sowieso schon schlechter gestellte Menschen und der erschwerte Zugang zu sozialen Leistungen und Teilhabe, machen den Teufelskreis perfekt.

Wer bestimmt, wo wir wohnen dürfen?
Wer bestimmt, wie wir leben dürfen?

Der Carnaval des Rues steht ein für eine anderen Welt. Unser Leben gehört uns. Wir sind überzeugt, dass ein anderes Leben möglich ist.
Viele von uns haben Projekten kennengelernt oder in ihnen gelebt, die direkte Solidarität lebbar gemacht haben, die nachhaltige Lebensmittelproduktion, gegenseitige Hilfe oder Wissensaustausch über Wettbewerbstreiben und Missgunst stellen. Wo Wände so angemalt und Wohnräume so gebaut werden, wie die Menschen, die sie bewohnen es möchten. Räume, die versuchen Diskriminierung zu verunmöglichen.

Der Carnaval des Rues fand heute nicht in geplanter Form statt. Doch dies ist nicht das Ende. Die Welten, Galaxien, Träume und Pläne wurden eröffnet. Der Carnaval des Rues kommt wieder!
Als nächstes nehmen wir uns die Milchstrasse!

Unser Leben gehört uns!

Was ist mit Corona?
Der Carnaval des Rues findet während der Covid19-Pandemie statt. Dadurch dass der Carnaval des Rues im Freien stattfindet wurde das Risiko für annehmbar empfunden. Dennoch soll darauf hingewiesen werden, zu deinem eigenen und vor Allem zum Schutz Anderer, eine Maske zu tragen, deine Hände regelmässig zu waschen oder zu desinfizieren und dem Anlass fernzubleiben, falls du Fieber- oder andere Krankheitssymptome hast.

*FLINT*: Frauen-Lesben-Inter-Nonbinär-Trans*

Awareness:
Hilf uns mit, den Carnaval des Rues zu einem Raum zu machen, wo sich alle Teilnehmenden möglichst wohl und sicher fühlen können. Der Carnaval toleriert keine Diskriminierung, egal welcher Art!

Hilf mit, Menschen zu schützen, die stärker von Repression oder Gewalt betroffen sind als du.

Falls du rassistische, sexistische oder andere diskriminierende Vorfälle beobachtest, toleriere diese nicht. Melde dich am Awareness-Infopoint oder bei einem anderen Wagen. Frage die betroffene Person, was sie braucht und hilf ihr, das zu ermöglichen.


3. Ein R`Ausblick (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3868)
Der Carnaval des Rues meldet sich zurück, denn es muss einiges klar gestellt werden. Medien, Polizei und Politik versuchen den CdR als ausufernden Partyumzug darzustellen und versuchen dem Protestumzug jeglichen Inhalt abzusprechen. Sie verdrehen und verändern nach Lust und Laune alles, um eine masslose Repression gut zu heissen, die keine Rechtfertigung hat!

Wir möchten den am CdR beteiligten Menschen Mut zusprechen, es war nicht alles für Nichts! Die Begegnungen und Erlebnisse, die Erkenntnisse und Erfahrungen bleiben. Es wurde versucht, auf kreative Art und Weise eine Botschaft zu überbringen. Es läuft nicht alles rund in schweizer Städten eue Ideen und deren Umsetzungen sind dringend notwendig!
In einer Welt, in der neoliberalistische Ökonomie Politik massgebend bestimmt, ist ausserparlamentarisches Engagement sinnvoll und dringend notwendig. Wir denken neue Visionen müssen her! Auf dass wir die alten, patriarchisch entstandenen Werte und Moral hinter uns lassen und neue Wege gehen.
Unser Ziel war nicht eine möglichst fette und verantwortungslose Party zu feiern. Es sollte ein Anlass entstehen, an dem wir unsere Vorstellung von einer anderen Welt, unserer Wut über die momentane Stadtenwicklung und die weltweite Unterdrückung, auf kreative Art und Weise ausdrücken können. Dies wurde mit viel positiver und erschaffender Energie in diveresesten Reden, Theaterperformances und fahrenden Gebilden gezeigt. Unterschiedlichste Stadtentwicklungs- und Gesellschaftsthemen wurden aufgegriffen; Wohn-Utopie-Pirat*innen im Ocean der Immobilienspekulationen, eine kämpferisch Queer-feministische Faust, ein Prinzessinenschloss welches sich von patriarchistischen Denk- und Verhaltensmustern lossagt, ein Polizei und Repressionskritischer Wagen, eine Credit-Suisse auf Rädern als Symbol der schändlichen Banken, ein Hightech und der damit einhergehender Überwachung hinterfragendes Brainfuck-Hirn und vieles mehr… alles andere als Streetparade, finden wir!
Das Musik und Tanz das Ganze begleitet, vermindert den politischen Inhalt dadurch nicht im Geringsten. Denn wir finden, Spass und Freude zu vermitteln ist wichtig, in einer Welt in der eine schöne Zukunft und Hoffnung schwer zu finden sind. Freund*Innen, es sind wir, wir die etwas dagegen tun, was andere anderen antun.

Wir sagen, Pausenstand: Repression 1, Carnaval des Rues 0! Die Notwendigkeit des Protests und des politischen Engagements ist grösser als zuvor!


4. Medienberichte (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/polizei-verhindert-umzug-mit-wasserwerfer-und-gummischrot-366683035730 & https://www.bernerzeitung.ch/polizei-setzte-bei-illegaler-party-drohne-ein-635741155115)
-BernerZeitung: Illegale Party in Bern
Polizei verhindert Umzug mit Wasserwerfer und Gummischrot
Als am Samstagabend hunderte Teilnehmer einer illegalen Party von der Kleinen Allmend in die Innenstadt ziehen wollten, schritt die Polizei ein – mit Gummischrot und Wasserwerfer.
Auf der Kleinen Allmend in Bern haben in der Nacht auf Sonntag vorwiegend Jugendliche eine unbewilligte Strassenparty veranstaltet. Die Kleine Allmend liegt an der Stadtgrenze zu Ostermundigen, südlich der Autobahnausfahrt Bern Wankdorf. Mehrere hundert Personen feierten rund um ein Holzfeuer. Sie hörten gemäss einem Augenzeugen dumpfe, nicht allzu laute Musik. Die Polizei war mit mehreren Kastenwagen und mehreren Dutzend Polizisten im Einsatz.

Die Stimmung sei zunächst sehr entspannt gewesen, berichtete eine Leserreporterin. Die Menschen hätten friedlich zur Musik getanzt, nur wenige Teilnehmende seien vermummt gewesen. Einige hätten sich verkleidet, alle hätten Mund- und Nasenmasken getragen.
Pyros wurden gezündet, Strassenbarrikaden errichtet, Container abgefackelt: Die Polizei schritt mit Wasserwerfern und Gummischrot ein.
Die Jugendlichen hätten sich um 21.45 Uhr bei der Kleinen Allmend eingefunden. Dann seien immer mehr Musikwagen dazugekommen. Nach 22.15 Uhr habe sich der Tross dann langsam Richtung Berner Innenstadt bewegt. Auf einzelnen Wagen seien Transparente mit politischen Botschaften zu sehen gewesen.

Während des Umzugs kippte die Stimmung
Die zunächst friedliche Stimmung kippte, als Partygänger die Polizei mit Steinen und Flaschen bewarfen, Barrikaden errichteten und diese anzündeten. Es sei zu grossen Sachbeschädigungen unter anderem an einem Gebäude gekommen. Dabei handelt es sich offenbar um die Tesla-Garage, die sich unweit der Kleinen Allmend an der Ecke Bolligenstrasse/Zentweg befindet.
Die Polizei setzte «nach mehrmaliger Abmahnung» zur Verhinderung des Umzugs Wasserwerfer, Gummischrot und Reizstoff ein, wie es in einem in der Nacht auf Sonntag verschickten Communiqué heisst.

Der Wasserwerfer wurde auch zum Löschen eines brennenden Containers und brennender Strassenbarrikaden eingesetzt. Die Polizei wurde dabei durch die Berufsfeuerwehr von Schutz und Rettung Bern unterstützt. Mehrere Strassen wurden während längerer Zeit gesperrt. Um 22.44 Uhr meldete Bernmobil, dass die Tramlinie 9 zwischen Bern Bahnhof und Bern Wankdorf unterbrochen sei.
Gegen Mitternacht waren die Jugendlichen wieder auf der Kleinen Allmend um ein Holzfeuer versammelt. Aus einer Musikanlage ertönte Musik. Die Polizei sperrte die Bolligenstrasse ab und postierte ihre Einsatzwagen rund um die Kleine Allmend. Sie beobachtete die Situation.

Nach Mitternacht kam es zu keinen Gewalttätigkeiten mehr. Etwa um 0.45 Uhr war der Knall von drei Petarden zu hören, welche die Jugendlichen in das Feuer warfen. Nach und nach verliessen erste Anwesende die Kleine Allmend. Gegen 1 Uhr zog eine Gruppe von mehreren Dutzend Jugendlichen mit der Musikanlage in Richtung Bahnhof Ostermundigen weg. Die Party auf der Kleinen Allmend war zu Ende.
Um 1 Uhr fährt der Wasserwerfer von der Kleinen Allmend weg.
Gemäss Polizei wurden insgesamt 44 Personen angehalten, kontrolliert und weggewiesen. Zudem wurden Fahrzeuge – unter anderem mit Musikanlagen – sichergestellt.

Brennender Container auch bei der Reitschule
In der gleichen Nacht kam es auch im Umfeld der Reitschule zu einem Zwischenfall und einem Polizeieinsatz. Um etwa 1.40 Uhr musste die Polizei wegen eines brennenden Containers auf der Schützenmattstrasse ausrücken. Dieser wurde schliesslich von der Feuerwehr gelöscht. Ob es sich bei den Randalierern auf der Schützenmatte um dieselben Personen handelt wie an der Party im Wankdorf, kann die Polizei nicht sagen.

Nachdem der Umzug in Richtung Innenstadt aufgelöst worden sei, hätten sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer in kleinen Gruppen entfernt. Zu sagen, es handle sich bei jenen Leuten, die auf der Schützenmatte einen Container anzündeten um Personen, die zuvor an der Party teilgenommen hätten, wäre Spekulation, so eine Polizei-Sprecherin.

-BernerZeitung: Einsatz auf der Kleinen Allmend
Polizei setzte bei illegaler Party Drohne ein
Die Kantonspolizei Bern hat in den vergangenen Jahren aufgerüstet und arbeitet heute mit 25 Drohnen. Diese werden auch bei Krawallen wie letzten Samstag in Bern eingesetzt.

Eine explosive Stimmung herrschte am Samstagabend auf der Kleinen Allmend in Bern: Mehrere Hundert Jugendliche feierten am Stadtrand eine illegale Party. Ein Kollektiv namens «Carnaval des Rues» hatte die Fete organisiert – mit dem Ziel, auf politische Missstände (Konsumzwang, Kommerzialisierung des öffentlichen Raumes, Gentrifizierung der Quartiere) aufmerksam zu machen.

Die zunächst friedliche Stimmung kippte, als sich der Tross Richtung Innenstadt aufgemacht hatte und von der Polizei gestoppt wurde. Eine von Berns Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) als «gewaltextremistische Linke» bezeichnete Gruppe warf Steine und Flaschen gegen die Polizeibeamten. Auch wurden Barrikaden erstellt und angezündet. Die Polizei reagierte mit Gummischrot, Reizgas und Wasserwerfer.

Nicht laufend aufgezeichnet
Das stattliche Aufgebot zeigt, dass die Polizei im Vorfeld offenbar von einem gewissen Krawallpotenzial ausgegangen war und sich entsprechend vorbereitet hatte. Ein Reporter vor Ort machte am Nachthimmel gar eine Drohne aus, die während des Einsatzes über der Kleinen Allmend kreiste und einer kleineren Gruppe folgte, welche mit einer Musikanlage das Areal verliess. Die Berner Kantonspolizei bestätigt gegenüber dieser Zeitung den Einsatz einer Drohne an jenem Abend.
Die Drohne mit Nachtsichtfunktion sei erst eingesetzt worden, nachdem es zu Sachbeschädigungen und Angriffen auf die Einsatzkräfte gekommen war, sagt Kapo-Mediensprecher Christoph Gnägi. Die Polizei wollte sich so einen besseren Überblick «über den weitläufigen und unübersichtlichen Einsatzraum in der Nacht verschaffen». Auch sollte das kleine Fluggerät mit Kamera dazu dienen, weitere Sachbeschädigungen zu erkennen, wie die Polizei festhält.

Nutzt die Polizei die Drohnen also, um Randalierer bei einem solchen Umzug zu filmen und zu identifizieren? «Die Identifikation von Personen ist nicht der primäre Einsatzzweck, und die Bilder werden auch nicht laufend aufgezeichnet», meint Gnägi dazu. Doch hält er fest, dass Drohnen sehr wohl – soweit es die gesetzlichen Bestimmungen denn zulassen – auch zur Dokumentation von Straftaten und zu deren Klärung eingesetzt werden können.

Ursprünglich andere Zwecke
Derlei Drohneneinsätze sind relativ neu in Bern. Zwar schaffte die Berner Polizei laut eigenen Angaben bereits 2006 erste Drohnen an, doch eingesetzt wurden diese zu Beginn einzig zur Vermessung oder Dokumentation von Unfallstellen oder Schadensplätzen. «Nach einer Pilotphase sowie der Ausbildung von Drohnenpiloten wurden die Einsatzbereiche ausgeweitet», sagt Polizeisprecher Gnägi. So würden die Drohnen seither etwa auch bei der Suche nach Vermissten helfen.

«Seit kürzerem» kämen die Drohnen auch bei Einsätzen wie jenem am Samstagabend zum Einsatz – im Sinne des «Crowdmanagements», wie es die Polizei nennt. Sprich, um einen besseren Blick über grosse Personenströme zu erhalten sowie um Straftaten zu dokumentieren und aus der Luft die Suche nach Tätern zu unterstützen. Wie häufig Drohnen zu diesen Zwecken eingesetzt werden, darüber gibt die Polizei keine Auskunft. Solche Entscheide würden situationsbedingt gefällt, heisst es.

Letzten Herbst war dies etwa der Fall. Damals marschierte die Polizei mit einem Grossaufgebot in Zollikofen auf, um ein besetztes ehemaliges Betagtenheim zu räumen. Weil die Polizei offenbar mit gewalttätigem Widerstand rechnete, kreiste während der Räumung eine Drohne über dem Gebiet, wie ein Reporter dieser Zeitung festhielt. Bislang nicht zum Einsatz gekommen seien Drohnen bei unbewilligten Demos mit Krawallpotenzial, wie Polizeisprecher Gnägi festhält.

Nicht über Menschen fliegen
Man halte sich an die gesetzlichen Bestimmungen, heisst es bei der Kantonspolizei Bern. Diese seien im Polizeigesetz geregelt. «Auch halten wir uns wenn immer möglich an die gleichen Bestimmungen, wie sie für private Piloten gelten», sagt Gnägi. Dazu gehört etwa auch, keine Drohnen unmittelbar über Menschenansammlungen zu fliegen. Das sei auch am Samstagabend so gehandhabt worden.

Nicht nur in Bern setzt die Polizei Drohnen ein. In der gesamten Schweiz rüsten die Kantonspolizeien in dieser Hinsicht auf – nicht zuletzt auf Empfehlung der Konferenz der kantonalen Polizeikommandanten. Während 2014 die kleinen Flugkörper lediglich bei drei Kantonspolizeien zum Einsatz kamen, waren es vor zwei Jahren bereits zehn, wie die «SonntagsZeitung» berichtete. Laut dem Artikel war damals die Kantonspolizei Zürich mit zehn Drohnen landesweiter Spitzenreiter. Mittlerweile hat Bern jedoch Zürich überholt. Laut der Kantonspolizei Bern besitzt diese heute 25 Drohnen. Die Preise bewegen sich je nach Modell zwischen 1500 und 20’000 Franken.