2021,  Antikapitalismus,  Besetzung,  Freiraum,  Repression

Hausbesetzung & Räumung Wasserwerkgasse

Inhalt:
1. Aufruf
2. Medienbericht


1. Aufruf (Originalquelle: https://barrikade.info/article/4301)
Solidaritätsaufruf Besetzung an der Wasserwerkgasse
Wir haben am Montag das Haus an der Wasserwerkgasse 17 in Bern besetzt. Die Eigentümerin, Energie Wasser Bern, hat es nicht für nötig gehalten, sich unsere Anliegen ernsthaft anzuhören.

Wir haben am Montag das Haus an der Wasserwerkgasse 17 in Bern besetzt. Unsere Existenzen sind aufgrund von akuter Wohnungsnot in hohem Masse bedroht. Des Weiteren leiden in der momentanen Krise die Menschen am meisten, welche sich sonst schon in schwierigen Verhältnissen befinden. Unter den momentanen Umständen sowie den allgemeinen Entwicklungen der städtischen Raumpolitik ist es bedauerlicherweise ein Ding der Unmöglichkeit, mit geringem Einkommen zu den dringend benötigten Räumen in der Stadt zu kommen. Unsere Ideen für die Nutzung des Hauses beinhalten neben Wohn- und Arbeitsräumen auch Integrationsprojekte sowie niederschwellige Begegnungsmöglichkeiten in Form von unkommerziellen Angeboten für ALLE Menschen. Menschen ohne Papiere, Menschen mit kleinen Einkommen, Menschen, welche die Nase voll haben von überteuerten Pop-Ups und coolen Gelaterias, Menschen die Ihr Leben nicht am Kapitalismus orientieren und Menschen, die gemeinsam Ihr Leben und Ihre Umwelt gestalten möchten und sich entscheiden, nicht in Mietwohnungen zu leben. Wir wollen leben, Raum bieten für Menschen welche systematisch ausgegrenzt werden und eine nachhaltige und solidarische Alternative zu der individualisierten und konsumorientierten Wegwerfgesellschaft sein!

Das Gebäude an der Wasserwerkgasse steht seit 2 Jahren leer. Die Eigentümerin, Energie Wasser Bern, hat es nicht für nötig gehalten, sich unsere Anliegen ernsthaft anzuhören und hat uns mit fadenscheinigen Gründen (Denkmalschutz) dazu aufgefordert, das Haus bis am Donnerstagmorgen (17.3.2021) zu verlassen. Es ist eine Schande und charakterisiert einmal mehr das fehlende soziale Bewusstsein, als öffentlich-rechtliches Unternehmen dermassen verantwortungslos mit dringend benötigten Ressourcen umzugehen. Um sich im gleichen Atemzug mit Nachhaltigkeit zu brüsten. Es ist das absolute Gegenteil von nachhaltig, einen Raum der Nutzung zu verwehren und schadet zudem der Bausubstanz. Und das in Zeiten, in denen viele Existenzen gefährdet sind. Noch viel bedenklicher ist es, den Leuten welche auf Ihre Situation aufmerksam machen und Ihre Zeit und Kraft in eine Nutzung des Gebäudes investieren wollen, die Türe auf diese Art und Weise zuzuschlagen. Zumal die EWB bis heute keinen Plan hat, was mit diesem Gebäude passieren soll!

Nach den Vorkommnissen bei den Besetzungen „Fabrikool“ und im Betagtenheim Zollikofen, welche seither immer noch ungenutzt sind, werden wir diesen grossen Raum nicht dem Leerstand überlassen! Unser Bedürfnis und die Respektlosigkeit der EWB im Umgang mit diesem Raum sind zu gross!
Wir sind hier, wir bleiben da! Kommt vorbei und solidarisiert euch!
Kollektiv Zapzarap


2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.derbund.ch/polizei-raeumt-besetztes-haus-in-berner-wasserwerkgasse-385407291447 & https://www.bernerzeitung.ch/polizei-raeumt-besetztes-haus-in-der-matte-861127122432)
-Derbund: Nause rechtfertigt Grossaufgebot der Polizei
Nach der Räumung einer besetzten Liegenschaft im Mattequartier wird über deren Zukunft gestritten. Die Stadt verfolgt bereits Pläne. Die Besetzer nennen den Leerstand «eine Schande».

Am Donnerstagvormittag wurde es plötzlich hektisch in der sonst so ruhigen Matte. Die Berner Kantonspolizei überraschte die Quartierbewohner mit einem Grosseinsatz. «Es war wie in einem Film. Ich fragte mich, ob hier jemand herumgeballert hat», sagt ein Passant. Spezialeinheiten umstellten die Liegenschaft an der Wasserwerkgasse 17. Polizeiboote standen am Aareufer, und Drohnen schwirrten über die Hausdächer. Grund: Das Haus wurde besetzt, die Räumungsfrist ignoriert.
Das Grossaufgebot stiess nicht auf Gegenwehr. Die Räumung verlief friedlich. Laut Angaben der Polizei wurden vier Männer festgenommen, die nun mit einer Anzeige rechnen müssen. Ein filmreifes Polizeiaufgebot für vier Männer? Der städtische Sicherheitsdirektor Reto Nause (CVP) zeigt Verständnis für die Grösse des Aufgebots. «Man weiss nie, was man in einem besetzten Haus antrifft.» Er erinnert an die Räumung der Besetzung an der Effingerstrasse 29 von 2017. Damals kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen zwischen Polizei und Besetzenden.

Verhandlungen gescheitert
Die Liegenschaft an der Wasserwerkstrasse 17 gehört Energie Wasser Bern (EWB). Das Unternehmen stand mit den Besetzenden in Kontakt. Verhandlungen über eine Zwischennutzung des Gebäudes, das seit zwei Jahren leer steht, scheiterten jedoch. Die EWB nennt zwei Gründe für die Absage. Erstens: Das Gebäude gehöre zum denkmalgeschützten Inventar und historischen Erbe der Stadt Bern. Zweitens: Im Haus soll künftig unterrichtet werden. Tatsächlich verhandelt die Stadt zurzeit mit der EWB darüber, in der Liegenschaft Schulräume zu schaffen. Der Zeitraum sei «Corona-bedingt aber schwer einzuschätzen», heisst es bei der EWB.
Anna und Simon bezeichnen dies als «fadenscheinig». Sie gehören zum Kollektiv «Zapzarap», welches das Haus in der Nacht auf Dienstag besetzt hat. Ihre richtigen Namen wollen sie nicht in der Zeitung lesen.«Unsere Absicht war es, ungenutzte Räume zugänglich zu machen, und nicht, diese zu beschädigen», sagen sie. «Es ist eine Schande, dass eine öffentlich-rechtliche Institution ein Gebäude in diesen Krisenzeiten über zwei Jahre leer stehen lässt», sagt Simon.
Die Verhandlungen mit der EWB hätten zunächst auf Augenhöhe stattgefunden. «Diese wurden jedoch abrupt abgebrochen. Plötzlich verliefen alle Gesprächsversuche im Sand und uns wurde ein Ultimatum gesetzt.»

Kampf gegen «hippe Pop-ups»
Laut den beiden Mitgliedern des Besetzerkollektivs hätte an der Wasserwerkgasse 17 ein «niederschwellig zugänglicher Begegnungsort» geschaffen werden sollen. «Uns schwebten integrative Projekte wie Deutschunterricht und offene Werkstätten sowie Räume für Kunst, Tanz und Bewegung vor», sagt Anna. «Wir wollten ein offenes Haus für das ganze Quartier schaffen.» Sie seien sehr frustriert, dass all diese Pläne durch einen Polizeieinsatz begraben worden seien.
Doch wieso hat das Kollektiv nicht zuerst für eine Zwischennutzung angefragt, anstatt gleich zu besetzen? Anna und Simon sehen das nicht als praxistauglich. «Leer stehende Räume werden oft unter der Hand für kommerzielle Nutzungen vergeben», so die Begründung. «Und wir finden, entlang der Aare gibt es bereits genug hippe Pop-ups und Architekturbüros.»

-Bernerzeitung: Polizeiliche Räumung: EWB nimmt Stellung
Am Donnerstag räumte die Polizei ein besetztes Gebäude in der Matte. Den Auftrag dazu gab der Stromversorger Energie Wasser Bern als Hausbesitzer.
Im Berner Mattequartier war am Donnerstagvormittag ein Polizeieinsatz im Gang. Das besetzte Gebäude an der Wasserwerkgasse 17 wurde mit einem Grossaufgebot geräumt. Vor dem Haus standen mehrere Kastenwagen, im Einsatz standen auch eine Drohne und ein Polizeiboot auf der Aare.
Bewaffnete Einsatzkräfte drangen gegen 10.45 Uhr in das Gebäude ein und führten vier Männer ab, die sich im Innern befanden. Laut Polizeiangaben müssen sie alle mit einer Anzeige rechnen.

Die Räumung verlief friedlich. Das eindrückliche Dispositiv sei jedoch nötig gewesen, weil im Vorfeld kein Dialog mit dem Besetzerkollektiv stattgefunden habe und die Polizei nicht gewusst habe, wie viele Personen sich im Gebäude befanden, erklärte Polizeisprecher Patrick Jean auf Anfrage.

Seit eineinhalb Jahren leer
Das Haus, welches Energie Wasser Bern gehört, steht seit eineinhalb Jahren leer. Davor war die Werbeagentur Contexta eingemietet. Seit Montag war das Gebäude nun für kurze Zeit besetzt. Die Eigentümerin hatte dem Besetzerkollektiv bis am Donnerstagmorgen eine Frist gesetzt, das Gebäude zu verlassen. Diese liess es allerdings ungenutzt verstreichen.

In einer Mitteilung bekannte sich am Donnerstagmorgen ein Kollektiv namens Zapzarap zu der Besetzung. Gerade in den aktuellen Krisenzeiten sei es in Bern «ein Ding der Unmöglichkeit, mit geringem Einkommen zu den dringend benötigten Räumen in der Stadt zu kommen». Daher sei ein Leerstand wie an der Wasserwerkgasse nicht tragbar. Neben Wohn- und Arbeitsräumen plante das Kollektiv «Integrationsprojekte sowie niederschwellige Begegnungsmöglichkeiten in Form von unkommerziellen Angeboten». Das Besetzerkollektiv wirft EWB vor, ihre Anliegen seien nicht wirklich angehört worden.

EWB prüft Zwischennutzungen
Am Nachmittag nahm EWB gegenüber dieser Zeitung Stellung zu den Vorwürfen. Man habe Verständnis für die Anliegen des Kollektivs und die schwierige Situation bezüglich preiswertem Wohnraum in der Stadt Bern, sagt EWB-Mediensprecherin Sabine Krähenbühl. Die Ideen des Kollektivs seien sehr wohl angehört und geprüft worden. «Da das Gebäude zum denkmalgeschützten Inventar und historischen Erbe der Stadt Bern gehört, eignet es sich nicht für eine Zwischennutzung, wie sie vom Kollektiv gefordert wird», hält Krähenbühl fest. Für das Besetzerkollektiv sind dies «fadenscheinige Gründe».
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Tatsächlich verschliesst sich EWB nicht generell einer befristeten Zwischennutzung. Man sei in Verhandlung mit verschiedenen Partnern, heisst es beim städtischen Energieversorger. Aktuell würden etwa Abklärungen mit der Stadt laufen, ob das Gebäude vorübergehend für die öffentlichen Schulen zur Verfügung gestellt werden könne.