2021,  Besetzung,  Freiraum

Hausbesetzung Wasserwerkgasse (effilebt)

Inhalt:
1. Aufruf
2. Stellungnahme zu der Räumung
3. Medienbericht


1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/4523)
Die Situation auf dem Wohnungsmarkt ist allen bekannt: Die Nachfrage nach städtischem Wohnraum steigt, das Angebot hinkt hinterher(1). Was daraus resultiert ist eine anhaltende Teuerung der Mieten auf städtischem Boden. Eine durchschnittliche 3-Zimmerwohnung kostete im Jahr 2019 CHF 1’317.- im Vergleich zu CHF 761.- im Jahr 1990(2). Die Mieten werden zwar bis zu einem bestimmten Grad durch Markt und Banken nach oben reguliert(3), als marktüblich in der Stadt gilt aber auch der Neubau der Migros am Berner Breitenrainplatz: Die billigtste 3,5-Zimmerwohnung kostet dort CHF 2855.- (4).

Gründe gegen eine Regulierung des Marktes sind fast immer ökonomischer Herkunft: Durch eine Regulierung des Mietmarktes werden zum Beispiel (ausländische) Investor:innen abgeschreckt. Auch Pensionskassen, welche viele Liegenschaften in der Schweiz besitzen, sind gegenüber ihren Destinatär:innen verpflichtet, eine möglichst gute Rendite zu erzielen(5). Beide sind daran interessiert Immobilien durch eine Sanierung aufzuwerten, denn Mehrwertinvestitionen können auf die Mieten abgewälzt werden, was den Ertrag einer Liegenschaft steigert. Klar ist auch, das die zunehmende Erhöhung der Mietpreise nicht den Schweizer Mittelstand trifft, sondern finanziell schwächere Menschen, ausländische Leute und nicht zuletzt junge Erwachsene. Städtische, nicht an den Wohnungsmarkt gebundene und somit günstige Wohnungen, haben eine ellenlange Warteschlange und werden meistens unter der Hand weitergegeben. Sie sind somit schwer zugänglich. Die Folgen davon sind die Vertreibung oben genannter Gruppen aus der Stadt, Gentrifizierung und eine Separierung der Bevölkerungsgruppen. Soziale Durchmischung gibt es nur in raumplanerischen Slogans der Stadt Bern. Durchmischung der Quartierte bedeutet für die Stadt ein Mehrgenarationenhaus mit Einkaufsmöglichkeit, KiTa und drei Bäumen.

Trotz dem immensen Druck auf den Wohnungsmarkt, gibt es immer wieder Eigentümer:innen, die ihre Liegenschaften leer stehen lassen. Gründe dafür sind zum Beispiel: Spekulationen, Totalsanierungen bzw. Aufwertungsprozesse, Familienstreitigkeiten nach einer Erbschaft, schlecht geplante Bauvorhaben oder die Faulheit der Eigentümer:innen.

Dass es sich offenbar einige Hausbesitzer:innen leisten können, Liegenschaften leer stehen zu lassen, während andere um Wohnraum kämpfen müssen, ist für mich ein Missstand. Da das Eigentumsrecht in der Schweiz höchstes Gut ist, gibt es vermeintlich kein Mittel gegen Leerstand.
Mit der Besetzung der Wasserwerkgasse 17 haben wir einen direkten Lösungsvorschlag für die Wohnraumproblemtik. Die Besetzung soll ein niederschwelliger, nachhaltiger Ort sein, der für Alle(!) zugänglich ist. Nicht nur für die, die es sich leisten können. Wenn ihr sagt, die Besetzung sei nicht mit geltendem Recht vereinbar, so ist das nur ein Vorwand um uns die Legitimation abzuschlagen und euch vor der Problematik zu drücken.

Das Perfide daran ist, dass einige Eigentümer:innen ihre Liegenschaften lieber verrotten lassen als sie einer Belebung zu überlassen. So geschehen in der Fabrikool, der denkmalgeschützten alten Schreinerei in der Länggasse und dem Betatgtenheim Zollikofen.
Die EWB verweigerte aufgrund einer möglichen Gefährdung des Denkmalschutzes eine Nutzung. Das Gebäude in der Matte steht seit zwei Jahren leer.
Ohne konkrete Nutzungsvorhaben und mit fadenscheinigen Gründen wurden so in allen oben genannten Gebäuden den Besetzer:innen die Nutzung verweigert. Das Resultat: Die Liegenschaften stehen weiterhin leer. Ohne Nutzung. Für den Denkmalschutz.
Und nun zur Stadt: Die Stadt brüstet sich medial mit der niederschwelligen Vergabe von Zwischennutzungen. Das Bild der tatsächlichen Nutzer:innen zeigt aber, das kaum Leute aus der untersten Bevölkerungsschicht berücksichtigt werden. Obwohl der Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik, das städtische Förderinstrument für günstigen Wohnraum, sich auf die Flagge schreibt, mehr preiswerten Wohnraum zu schaffen und innovative Wohnformen zu fördern (6), vergibt er Zwischennutzungen in Wohngebäuden an Architekturbüros, wie an der Zieglerstrasse in Bern.

Wir verstehen diese Mentalität nicht. Aus diesen Gründen haben wir die Liegenschaft an der Wasserwerkgasse 17 in Bern besetzt.
Den Raum denen, die ihn brauchen!
Freiheit für alle Effi29-Leute!
P.S.

(1)www.bwo.admin.ch – Grundlagenbericht Wohnstrategie, 10.2018
(2) https://www.bfs.admin.ch/bfs/de/home/statistiken/bau-wohnungswesen/wohnungen/mietwohnungen.html
(3) Verband Immobilien Schweiz – Positionspapier
(4) https://www.20min.ch/story/teure-wohnungen-der-migros-sorgen-fuer-aerger-473424749959
(5) https://www.swissinfo.ch/ger/gentrifizierung_warum-die-renten-der-alten-die-mieten-fuer-junge-unerschwinglich-machen/45105800
(6)https://www.bern.ch/politik-und-verwaltung/stadtverwaltung/fpi/immobilien-stadt-bern/fonds-fuer-boden-und-wohnbaupolitik


2. Stellungnahme zu der Räumung (Originalquelle: https://barrikade.info/article/4549)
Das besetzte Haus an der Wasserwerkgasse in Bern wurde nach nicht einmal 24 Stunden wieder geräumt.
Das Haus stand seit etwa zwei Jahren leer. Bereits im April dieses Jahres wurde das Haus belebt jedoch liess die EWB (Energie Wasser Bern), Eigentümerin des Hauses, schon damals nicht mit sich verhandeln. Nun wurde das Haus zum zweiten Mal besetzt und belebt. Das Kollektiv Mamaté besetzte das Haus in der Nacht auf den 31. Mai 2021. Der Verwaltungsrat der EWB, welcher für die Thematik zuständig ist, schien dieses Mal noch weniger gesprächsbereit: Obwohl ihm das Kollektiv ein Vorstellungsvideo und ein Nutzungskonzept zukommen liess, verständigte er die Besetzenden nicht einmal über die anrückende Polizei und die bevorstehende Räumung. Die EWB stand zu keinem Zeitpunkt in Kontakt mit den Besetzenden. Erst als eine Person des Kollektivs die zuständige Sachbearbeiterin der EWB per Telefon erreichte, entstand ein Gespräch. Zu diesem Zeitpunkt waren bereits Einheiten der Polizei im anhängenden Nebengebäude und auf dem Vorplatz des Hauses standen Polizeitransporter. Des weiteren waren zwei Polizeiboote auf der anderen Seite der Aare platziert. Von einem freiwilligen Verlassen des Gebäudes kann also kaum die Rede sein.
Die EWB zeigte sich in der Folge edelmütig und überlegt sich sogar, von einer Strafantrag abzusehen. Wahrscheinlich hatte sie selber ein schlechtes Gewissen.

Warum die EWB als städtisches Unternehmen lehrstehende Häuser hortet und sich der Wohnraumproblematik entzieht, das Kollektiv Mamaté weiss es auch nicht…

Die Häuser, denen die sie beleben! Freiheit für Alle Effi29-Leute! Eure Ignoranz zerstört die Welt!


3. Medienbericht (Originalquelle: https://www.derbund.ch/weiteres-gebaeude-in-bern-besetzt-939655598206)
Besetzer verlassen Haus im Mattequartier freiwillig
Nach fünf Hausbesetzungen am Wochenende hat ein Kollektiv ein weiteres Berner Gebäude okkupiert. Es protestiert damit gegen hohe Mieten und ungenutzte Räume – und fordert Freiheit für die Angeklagten Effi-Prozess.
Ein Haus im Berner Mattequartier wurde am Montagmorgen bereits zum zweiten Mal besetzt. Nachdem das Haus im März geräumt wurde, besetzte zu Beginn dieser Woche erneut eine Aktivistengruppe die Liegenschaft.

Schon seit dem Morgen standen mehrere Kommandowagen vor Ort, und Einsatzkräfte waren unter anderem mit Drohnen und Booten im Einsatz. Die Besitzerin der Liegenschaft, Energie Wasser Bern (EWB), habe die Räumung verfügt, wie die Einsatzkräfte gegen 15 Uhr per Lautsprecher mitteilen.

Wie ein «Bund»-Reporter vor Ort berichtet, hatten die Besetzenden fünf Minuten Zeit, das Haus zu verlassen. Sie kamen der Aufforderung nach. Zwei Besetzerinnen und vier Besetzer verliessen das Haus freiwillig. Beim Verlassen des Hauses wurden sie von der Polizei kontrolliert und erhielten eine Wegweisung. Für die nächsten Stunden müssen sie der Liegenschaft im Mattequartier fernbleiben. Es stehe der Eigentümerschaft frei, nun Anzeige zu erstatten. Dafür habe sie drei Monate Zeit, sagt Ramona Mock, Mediensprecherin der Kantonspolizei.
Auf Anfrage gibt EWB an, das Gebäude an der Wasserwerkstrasse 17 werde für eine schulische Nutzung zur Verfügung gestellt. Diesen Grund hatte sie bereits genannt, als das Gebäude schon im März besetzt und auf ihre Verfügung geräumt worden war. Die Besetzenden kritisieren allerdings in einem Video-Statement, seither sei bezüglich schulischer Nutzung nichts geschehen.

Die Gruppe erinnert an die polizeiliche Räumung verschiedener besetzter Liegenschaften, die bis heute ungenutzt blieben – etwa der ehemaligen Schreinerei auf dem Von-Roll-Areal, die das Kollektiv Fabrikool besetzt und zwischengenutzt hatte. «Für mich ist Besetzen nicht ein Verbrechen», heisst es im Video. «Das eigentliche Verbrechen ist Raum zu besitzen und ihn nicht zu benutzen.»

Schon einmal besetzt
Das Haus in der Matte war bereits im März von Aktivistinnen und Aktivisten okkupiert worden. Auch diese wollten sich damit gegen Leerstände aussprechen. Das Gebäude, das Energie Wasser Bern gehört, wurde von einem polizeilichen Grossaufgebot geräumt, das auf keine Gegenwehr stiess.
Die neuste Besetzung kam, nachdem am Vortag aktivistische Gruppen die Besetzung fünf anderer Häuser im Raum Bern bekanntgaben. Die Aktionen sind laut Bekennerschreiben ein Zeichen der Solidarität mit der Besetzergruppe der Effingerstrasse 29. Diese stehen am Montag vor Gericht. Vor Ort seien aber kaum Personen anzutreffen, teilte die Polizei am Sonntag mit. In einem weiteren Schreiben auf der Website der Anarchistischen Gruppe Bern war denn auch von «Scheinbesetzungen» die Rede.

In der Matte handelt es sich nicht bloss um eine Scheinbesetzung: Ein «Bund»-Reporter vor Ort berichtete, durch die Fenster des Gebäudes seien Menschen zu sehen, die angeben, «viele» zu sein. Die Fassade war mit Transparenten behängt, wonach das Haus nun «besetzt und belebt» sei. In ihrem Video gab die Gruppe an, alle Besuchenden seien willkommen.
Auch sie nimmt auf den anstehenden Prozess Bezug: Eine Mitteilung auf der Plattform Barrikade.info unterzeichnen sie mit «Freiheit für alle Effi29-Leute!». Ihre Aktion scheint mit derjenigen der anderen Gruppen koordiniert zu sein: Als Beispiele für inakzeptable Leerstände nennen sie in ihrem Video eine Reihe von Gebäuden, die am Vortag besetzt worden sind.

Polizei vor Ort
Wie unser Reporter vor Ort meldet, hat sich um etwa 10.00 Uhr die Polizei vor dem Haus in Stellung gebracht. Im Einsatz waren rund sechs Polizeiangehörige und zwei Fahrzeuge. Die Einsatzkräfte haben die Zugänge zum Platz vor dem besetzten Gebäude gesichert, dabei werden Passantinnen und Passanten kontrolliert. Ein Passant erzählte dem Reporter, wer verdächtigt werde, die Besetzenden besuchen zu wollen, erhalte einen Platzverweis. Auf Anfrage teilt die Polizei lediglich mit, sie habe von der Besetzung Kenntnis – und anders als bei den Scheinbesetzungen vom Vortag seien auch Menschen im Gebäude.

Um den Mittag sind an der Aare unweit vom besetzten Haus Polizeiboote bereitgemacht worden. Schon bei der letzten Besetzung des Gebäudes waren Einsatzkräfte auch auf dem Wasser unterwegs. Auch Drohnen schwirren durch die Luft. Die von der Polizei ergriffenen Schritte ähneln denjenigen, die der Räumung im März vorangingen.