1995,  Antifaschismus

Skinheads verprügeln Ausländer Ittigen

Inhalt:
1. Medienbericht
2. Gemeinderat relativiert Gewalttätigkeiten

1. Medienbericht (Originalquelle: https://www.antifa.ch/skinheads-verpruegeln-auslaender/)
Skinheads verprügeln Ausländer
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In Ittigen haben in den letzten Monaten mehrmals jugendliche Skinheads Ausländer verprügelt. Die Kantonspolizei Bern hat in der Agglomeration Bern Waffen und rechtsextremistisches Propagandamaterial beschlagnahmt. Jugendliche anderer Hautfarbe getrauen sich nachts im Ittiger Hochhausquartier Kappelisacker nicht mehr aus dem Haus, wie die «Berner Zeitung» am Donnerstag schreibt. Bei der Polizei sind allerdings in diesem Zusammenhang erst zwei Anzeigen eingegangen. Die Betroffenen getrauten sich zum Teil nicht, die Skinheads anzuzeigen, schreibt die Polizei. Sie ist aufgrund eigener Ermittlungen und später noch durch ein Strafverfahren im Kanton Luzern auf die fremdenfeindliche Gruppierung in Ittigen aufmerksam geworden; diese war in die untersuchten Vorfälle verwickelt. Der Gemeindepräsident von Ittigen, Walter Frey, sagte auf Anfrage, es gelte die Aktivitäten der Skinheads und die Umtriebe Jugendlicher im Kappelisacker, wo 2000 Leute wohnen, auseinanderzuhalten. Dort zeige sich 25 Jahre nach dem Bau das Problem fehlender Gemeinschaftsräume.

Die Jugendarbeit 1996 der Gemeinde sei vom Schwerpunkt Kappelisacker und vom Thema Gewalt bestimmt. Die Skinheads haben zum Teil gravierende Taten begangen. Im Frühjahr wurde beim Bahnhof Ittigen ein Mann aus Sri Lanka, der von der Arbeit heimkehrte, von einem 16jährigen Skinhead- Sympathisanten ohne ersichtlichen Grund zusammengeschlagen.


2. Gemeinderat relativiert Gewalttätigkeiten (Originalquelle: https://www.antifa.ch/autor-erich-kobel/)
Gemeinderat relativiert Gewalttätigkeiten in der Grossiedlung
Der Bund
«Der ,Chäppu‘ ist weit besser als sein Ruf»
Der Ittiger Gemeinderat wehrt sich gegen gewaltsame Auseinandersetzungen unter Jugendlichen. Er wehrt sich aber auch dagegen, dass nunflugs dem Kappelisacker-Quartier der Schwarze Peter zugeschoben wird.
eko. Die Nachricht, in Ittigen sei es wiederholt zu gewaltsamen Auseinandersetzungen unter Jugendlichen – vorab zwischen Schweizern undAusländern – gekommen, hat weitherum ein grosses Aufsehen und teilweise dramatische Medienberichte ausgelöst.

Der Ittiger Gemeindepräsident Walter Frey beobachtet dies mit gemischten Gefühlen: «Auf der einen Seite wollen wir die Vorfälle nichtbagatellisieren, und ich halte es für gut, dass das Problem ins öffentliche Bewusstsein gerückt ist. Aber auf der anderen Seite darf man jetztnicht übertreiben, und ganz fatal wäre, wenn der Kappelisacker quasi als Hort der Gewalt stigmatisiert würde.» Auswüchse gebe es (innerhalbund ausserhalb Ittigens) auch anderswo, macht Frey geltend. Er kenne viele Bewohner, die sich im «Chäppu» ausgesprochen wohl fühlten,und eine ganze Reihe solcher, die noch nie etwas von Gewalttätigkeiten im Quartier gemerkt hätten; der Kappelis acker sei weit besser als seinRuf. «Aus den Ermittlungen nach dem Überfall in Hochdorf wissen wir, dass auch bei uns einige militante Skinheads von offenbarrechtsextremistischer Gesinnung ansässig sind», räumt Frey ein. Diese Erkenntnis dürfe nun jedoch nicht mit anderen Vorkommnissen, zumBeispiel mit dem Auftauchen von Luftdruckpistolen in den Schulen, vermischt werden.

Waffen werden beschlagnahmt
Vorgestern hat der Ittiger Gemeinderat die von einer Sonderkommission (siehe «Bund» vom 2. Dezember) erstellte Situationsanalyse beratenund Massnahmen gegen Gewalttätigkeiten unter Jugendlichen beschlossen – «wobei unser Handlungsspielraum nicht gross ist», wie Freyanmerkt. Im Vordergrund stehen denn auch Information und Prävention: Sowohl die Lehrerschaft wie die Jugendarbeiter werden dasGewaltproblem im kommenden Jahr noch stärker als bisher thematisieren. Ferner wird zurzeit geprüft, ob den Ittiger Jugendlichen sehr raschein zusätzlicher Treffpunkt zur Verfügung gestellt werden kann. Immer noch im Raum steht zudem die Möglichkeit, dass die Gemeinde dasRestaurant Kappelis acker kaufen wird.

Schliesslich hat der Gemeinderat verfügt, dass in den Schulen auftauchende Waffen aller Art (auch Luftdruckpistolen) von der Lehrerschaft zubeschlagnahmen und der Polizei zu übergeben seien. Dass die Befugnis dazu rechtlich nicht ganz eindeutig gesichert ist, weiss die Behördedurchaus. Sie nimmt das aber erstens im Interesse der Gewalteindämmung in Kauf und zweitens in der Meinung, eine allfälligeAuseinandersetzung auf dem juristischen Parkett würde immerhin eine Klärung der Kompetenzen bringen.

Eltern sind gefordert
Diese Überlegungen sind keineswegs aus der Luft gegriffen. Bereits hat sich nämlich gezeigt, dass es Eltern gibt, die ihrenvergnügungswilligen Sprösslingen solche «Spielzeuge» kaufen und dann auf deren Konfiszierung höchst unwirsch reagieren. Das veranlasstGemeindepräsident Walter Frey zu einer Feststellung, besser wohl, einem Appell: «Gefordert sind eben nicht allein Behörden, Lehrerschaftund Polizei – sondern nicht zuletzt auch die Eltern.»