2021,  Besetzung,  Freiraum,  Gentrifizierung

Hausbesetzung Laubeggstrasse

Inhalt:
1. Communiqué
2. Medienbericht


1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/4693)
Das Kollektiv Matsutake hat am 10. August die städtische Liegenschaft an der Laubeggstrasse 40 besetzt. Wir bestehen aus rund einem Dutzend Menschen unterschiedlichen Hintergrunds. Nebst einer jungen Familie, welche dringend ein Zuhause benötigt, sind wir ein Zusammenschluss von Handwerker:innen, Studierenden, Sozialarbeitenden, sowie Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus aufgrund ihrer Herkunft.
Wir beanspruchen die leerstehende Liegenschaft an der Laubeggstrasse für uns als einen gemeinschaftlichen Lebensraum, in welchem gewohnt und gearbeitet werden kann. Für Menschen, welche in solchen finanziellen Verhältnissen leben, ist es auf andere Art und Weise nahezu unmöglich ein Haus gemeinsam zu bewohnen. Auch aufgrund der Coronakrise und den damit verbundenen finanziellen Schwierigkeiten, welche nicht alle von uns, jedoch eine Mehrheit betreffen, sind wir auf günstigen Lebensraum angewiesen. In dieser Stadt Bern, in welcher wir uns befinden, sehen wir uns dazu gezwungen diesen Lebensraum selbst zu erschaffen und auch ein Stück weit zu erzwingen.

Wir sehen die Besetzung nicht nur als ein Mittel unseren eigenen Bedürfnissen und Ansprüchen nachzukommen. Wir wollen mit der Besetzung einer Liegenschaft, welche dem Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik der Stadt Bern gehört, auch ein Zeichen setzen.
Ein Zeichen gegen die Aufwertung und der damit verbundenen Verdrängung von Menschen unterer Schichten aus nahezu allen Quartieren der Stadt Bern. Dieser Fonds, welcher die Aufgabe hat, Spekulationen und Preissteigerungen zu bekämpfen, erledigt diese mehr schlecht als recht. Wir sehen eine Politik, welche durch Neubauten «preisgünstigen» Wohnraum schaffen will. Dies ist nahezu unmöglich. Müssen die Kosten für einen Neubau doch durch die Mieten bezahlt werden. Zudem werden oftmals viel zu früh Liegenschaften saniert und renoviert, so dass preiswerter und noch lange bewohnbarer Wohnraum verschwindet. Gelingt es trotzdem einmal, günstigen Wohnraum zu schaffen, trägt dieser selbst oftmals zur Gentrifizierung innerhalb des Quartiers bei, in welchem er entstanden ist. Dies weil immer ähnliche Menschen davon profitieren. Oftmals Leute, welche günstigen Wohnraum nur bedingt nötig haben und keinen Bezug zu den betroffenen Quartieren aufweisen.
Ein augenfälliges Beispiel hierfür ist die Politik der Zwischennutzungsstelle der Stadt Bern. Geschaffen um Besetzungen zu vermeiden. Um Besetzungen zu ersetzen taugt sie nicht. Anstatt selbstverwalteten Wohn- und Kulturraum zu ermöglichen, versorgt sie immer wieder dieselbe Klientel mit billigen Räumen. Dabei handelt es sich teilweise um millionenschwere und stadtbekannte Unternehmen, wie das Adrianos oder Ingwerer.

Ein jüngstes Bespiel der städtischen Klientel- und Aufwertungspolitik findet sich an der Zieglerstrasse 7. In einem Wohnhaus, welches als Lebensraum für rund ein Dutzend Menschen dienen könnte, quartiert der Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik ein Architekturbüro und ein erfolgreiches Jungunternehmen ein.
Wir sind dafür weniger neu zu bauen und weniger zu sanieren. Wir sind vielmehr dafür den Menschen, welche die Häuser und Quartiere bewohnen, Raum zu überlassen. Wir sind dafür private Büroflächen als gemeinnützigen Wohnraum zu nutzen, anstatt öffentlichen Raum mit Pop Ups zu kommerzialisieren.
Und damit diese Kritik nicht ungehört verhallt, fangen wir damit an. An der Laubeggstrasse 40. Nicht als Zwischennutzung, sondern als tragfähiges und langfristiges Projekt für die Zukunft.


2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/nur-ein-kurzes-gastspiel-der-hausbesetzer-717717804712)
Nur ein kurzes Gastspiel der Berner Hausbesetzer
Am Dienstag besetzte ein Kollektiv eine städtische Liegenschaft an der Laubeggstrasse in Bern. Lange dauert die Aktion allerdings nicht.

Die Berner Hausbesetzerszene ist in der Nacht auf Dienstag mal wieder in Erscheinung getreten. Ihr Ziel: das stattliche Wohnhaus an der Laubeggstrasse 40, das sich am Rande des Schönbergparks befindet. Das Gebäude gehört der Stadt Bern, genauer: dem städtischen Fonds für Boden- und Wohnbaupolitik. Für 3,18 Millionen Franken will die Stadt den ehemaligen Herrenstock sanieren und die neuen Wohnungen ab Frühjahr 2022 zu Marktmieten und nach Möglichkeit an Familien vermieten.

Besetzt wurde die Liegenschaft von einem Kollektiv namens Matsutake, wie es auf dem linksautonomen Infoportal Barrikade.info heisst. Laut dem Communiqué handelt es sich beim Kollektiv um rund ein Dutzend Menschen unterschiedlichen Hintergrunds. Studenten, Sozialarbeiterinnen, Handwerker seien darunter, aber auch eine junge Familie und «Menschen mit prekärem Aufenthaltsstatus aufgrund ihrer Herkunft».

Die Besetzung sieht das Kollektiv unter anderem als «ein Zeichen gegen die Aufwertung und die damit verbundene Verdrängung von Menschen unterer Schichten aus nahezu allen Quartieren der Stadt Bern». In seinen Augen trägt auch die Wohnbaupolitik der rot-grünen Stadt Bern zu diesem Missstand bei.

Umbau beginnt am Montag
Doch die Besetzung wird wohl als eine der kürzesten in die Historie eingehen. Denn die Hauptarbeiten an dem denkmalgeschützten Haus beginnen schon am kommenden Montag, wie Marc Lergier, Bereichsleiter bei Immobilien Stadt Bern, auf Anfrage mitteilt. Das Gebäude steht auch noch nicht lange leer. Die Mieter der drei Wohnungen sind laut Lergier erst vor rund zwei Wochen ausgezogen. Anschliessend hätten bereits die Vorarbeiten der Sanierung begonnen. Strom und Wasser wurden abgestellt, der Eingangsbereich gut sichtbar abgesperrt.

Trotzdem besetzte das Kollektiv die Liegenschaft. Die Beteiligten informierten die Stadt in einem Schreiben darüber. Diese suchte umgehend das Gespräch mit den ungebetenen Gästen. Bereits am Dienstagvormittag habe er die Gruppe besucht und darüber informiert, dass aufgrund der unmittelbar bevorstehenden Sanierung keine Zwischennutzung möglich sei, sagt Marc Lergier. Das Gespräch sei konstruktiv verlaufen. Vereinbart wurde, dass das Besetzerkollektiv die Liegenschaft bis Donnerstagabend wieder verlässt.

Doch wie es scheint, haben die Besetzerinnen und Besetzer das Ende der Frist gar nicht erst abgewartet und sind bereits am Mittwoch wieder ausgezogen. So hingen am Mittag jedenfalls weder Transparente an der Fassade, noch war jemand im Haus anzutreffen.