1999,  Antifaschismus

Neonazikonzert Wiedlisbach

Inhalt:
1. Medienbericht


1. Medienbericht (Originalquelle: https://www.antifa.ch/neonazi-spuk-in-der-mehrzweckhalle/)
Neonazi-Spuk in der Mehrzweckhalle
BernerZeitung
Die Gemeinde Wiedlisbach gerät in ein schiefes Licht. Sie hat ihre Mehrzweckhalle für ein obskures Konzert vermietet: Die Organisatoren des Grossanlasses sind den Skinheads zuzurechnen.

*Stefan Aerni
Derzeit gehts in der Mehrzweckhalle Froburg in Wiedlisbach wieder einmal hoch zu und her. Zum fünften Mal können die Fans von fröhlichen Partyklängen und frivolen Erotik-Shows im Rahmen des «Pubfests» ins neue Jahr schunkeln.

Auch vor zehn Tagen herrschte eine Bombenstimmung: In der beliebten Halle, die einst für biedere Vereinsanlässe erbaut worden war, trafen sich rund 300 Anhänger rechtsradikaler Glatzköpfe. Sie waren aus der ganzen Schweiz und dem benachbarten Ausland angereist. Während drinnen drei Rockgruppen aus Deutschland, Spanien und der Schweiz das Publikum mit dunklen Rhythmen in Stimmung brachten, schoben draussen schwarz gekleidete Skinheads mit Schäferhunden und Schlagstöcken Wache. Offenbar wollten die Bomberjacken und Springerstiefel unter sich sein (das Konzert war jedenfalls auch nicht auf Plakaten angekündigt worden). Kurz nach Mitternacht war der Spuk dann vorbei – und so überfallartig, wie die seltsame Gesellschaft den Oberaargau in Beschlag nahm, so schnell war sie auch wieder über die nahe Autobahn verschwunden.
Doch der merkwürdige Auftritt der unbekannten Fremden blieb in der Nachbarschaft nicht unbemerkt. Einige Leute waren sogar derart beunruhigt, dass sie die Polizei alarmierten. Diese schickte denn auch eine Patrouille vorbei, die das offensichtlich verkappte Rockkonzert diskret aus der Distanz beobachtete. «Es gab aber keinerlei Zwischenfälle», beteuert Pressesprecher Peter Giger, «deshalb hatten wir auch keinen Anlass einzuschreiten, zudem handelte es sich ja um eine bewilligte Veranstaltung.» Von einer Bewilligung weiss Regierungsstatthalter Martin Sommer allerdings nichts. Wenn es sich um eine Veranstaltung gehandelt hätte, die für jedermann zugänglich war, dann hätte er das Einverständnis geben müsssen. Denn auch wenn es um ihre Mehrzweckhalle geht: Die Gemeinde alleine darf nur private Anlässe bewilligen.

Strafanzeige droht
Gemäss Statthalter Sommer, der erst durch die Polizei von der seltsamen Fete in Wiedlisbach erfahren hat, wird jetzt abgeklärt, ob es sich um einen öffentlichen oder privaten Anlass gehandelt hat. Kommt die Untersuchung zum Schluss, das ominöse Konzert sei öffentlich gewesen, dann muss vom Gesuchsteller – nach Informationen der BZ eine Einzelperson aus dem Kanton Zürich – nachträglich eine Bewilligung eingereicht werden samt den nötigen Gebühren. Damit nicht genug: Stellt sich heraus, dass die Wiedlisbacher Mehrzweckhalle tatsächlich öffentlicher Treffpunkt der Neonazi-Szene war, dann droht der Gemeinde sogar ein Strafverfahren. Für Szene-Kenner Jürg Frischknecht, Journalist und Buchautor («Rechte Seilschaften») aus Zürich, wäre das durchaus denkbar. Denn nur eine Woche zuvor hätte im Grossraum Stuttgart ein grosses «Skinhead-Festival» steigen sollen, das dann abgesagt worden sei. Frischknecht: «Vielleicht war Wiedlisbach eine Ausweichvariante.»

Kritik an der Gemeinde
In Wiedlisbach spielt man derweil das Vorkommnis herunter. «Es ist ja nichts passiert», beruhigt der zuständige Gemeinderat Armin Heynen, «eine zwielichtige Sache würden wir sicher nicht bewilligen.» Dennoch: Das anrüchige Konzert soll jetzt an der nächsten Ratssitzung zur Sprache kommen. Denn unterdessen jagen sich die Gerüchte in der Gemeinde. Und die Kritik wächst. Markus Reinmann, Wortführer der Froburg-Anwohner: «Es geht doch nicht, dass man mit Steuergeldern finanzierte Bauten den Rechtsextremen zur Verfügung stellt.»