2016,  Diverse Aktionen,  Freiraum,  Gentrifizierung,  Ökologie

Baumbesetzung Breitenrain

Inhalt:
1. Communiqué
2. Medienbericht


1. Communiqué (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2016/08/97987.shtml)
Der Baum an der Allmendstrasse 2, 3014 Bern ist besetzt!
Komm vorbei!


2. Medienberichte (Originalquelle: https://www.derbund.ch/bern/stadt/rapunzelaktivisten-im-breitenrain/story/25301107)
Rapunzel-Aktivisten im Breitenrain
Im Berner Nordquartier haben junge Leute in einem Baum ein Baumhaus errichtet. Mit ihrer Besetzung protestieren sie gegen ein Projekt der Migros. Diese wird allmählich etwas nervös.

Natur pur in der Stadt: Nebst den Waldmenschen im Bremgartenwald können in Bern seit letzter Woche nun auch Baummenschen beobachtet werden. Es sind offenbar zwei. An der Allmendstrasse im Breitenrainquartier haben sie einen stattlichen Baum erklommen und auf einer Höhe von zehn Metern ein Baumhaus errichtet – «ohne Nägel», wie sie schreiben – und Transparente aufgehängt. Es ist eine Protestaktion gegen die Migros, die auf dem Grundstück, das an den Breitenrainplatz grenzt, eine neue Filiale sowie Wohnungen und Gewerberäume bauen will. «Die meisten Baumhäuser werden aus Jux gebaut, hier hört der Spass auf», schreiben sie. Die interessanteste Frage für Beobachter ist die, wie lange sie es auf dem Baum aushalten werden – oder dürfen.

Baum wird «irgendwann» gefällt
Sie selber wollen auf dem Baum blieben, «so lange uns der Baum hält». So steht es in ihrer 28-seitigen Broschüre, die von ihren Helfern verteilt wurde. Entscheidend aber wird die Migros sein. Der Baum steht auf ihrem Grundstück und gehört somit ihr. Er befindet sich bei den Häusern an der Ecke Allmendstrasse/Moserstrasse. Diese waren mehrere Jahre lang besetzt und sind letzten Mittwoch verlassen worden. Migros-Sprecherin Andrea Bauer hält fest, die Übergabe der Häuser sei fristgerecht und problemlos erfolgt. Und: Die Baumbesetzer seien nicht identisch mit den Hausbesetzern. Der Baum sei Teil der Abbruchbewilligung. Die Häuser sollen bis Ende Jahr abgerissen werden. Der Baum werde «irgendwann» ebenfalls «weichen müssen». Wann genau, «ist noch nicht im Detail festgelegt».

Zunächst klang es so, als ob die Migros die Baumbesetzung mit Gelassenheit beobachte. Entscheidend sei, hiess es, dass die Besetzer die Abbrucharbeiten in den Häusern nicht behinderten und die Besetzer durch diese Arbeiten nicht gefährdet würden. Allerdings scheint die Gelassenheit Nervosität zu weichen. Es sei ein Fakt, teilte Andrea Bauer Montagnachmittag mit, dass sich Quartierbewohner zunehmend wegen Lärm beschwerten. Die Migros habe «grosses Verständnis» für deren Ärger und beobachte die Situation allmählich «mit Besorgnis». Ausserdem sei die Migros angesichts der fortschreitenden Arbeiten je länger desto weniger bereit, «die Verantwortung für die sich noch auf dem Gelände befindenden Personen zu übernehmen».

Walter Langenegger, Leiter des Informationsdiensts der Stadt Bern, sagte am Montag, die Stadt stehe mit den zuständigen Stellen wie Migros und Polizei in Kontakt und tausche sich über das weitere Vorgehen aus. Inhaltlich könne er dazu aber nichts sagen. Er stellte klar, eine allfällige Räumung müsste von der Migros eingeleitet werden. Wenig Verständnis für die Baummenschen hat Thomas Ingold, Präsident Leist Bern-Nord. Die Hausbesetzer seien lange toleriert worden, sagte er. Es sei nun aber nicht in Ordnung, «wenn sie auf den Baum ausweichen». Es entstehe Lärm und unter dem Baum liege Unrat. Wenn ein Normalbürger das Auto falsch parkiere, werde er gebüsst. «Hier aber riecht es nach einem rechtsfreien Raum auf einem Baum.»

Joghurtbecher effektvoll zerplatzt
Den Baummenschen geht es um Grundlegendes. Mit ihrer Broschüre, die, man muss es sagen, kreativ und witzig daherkommt, üben sie radikale Kritik am Wirtschaftssystem, das auf Wachstum beruht: «Wollt ihr die Stadt so lange weiter aufwerten, bis sie sich gar niemand mehr leisten kann?», fragen sie. Und: «Glaubt ihr ernsthaft, wir brauchen eine weitere Migros?» Ihre Pointe besteht darin, dass sie sich auf Hans A. Pestalozzi beziehen. Dieser war Berater des Migros-Gründers Gottlieb Duttweiler, leitete das Gottlieb-Duttweiler-Institut – und schrieb nach seiner Entlassung viel beachtete Bücher. Eines trug den Titel «Auf die Bäume ihr Affen». Ein Transparent mit diesem Slogan hängt nun am Baum.

Nachbemerkung: Dass die Baummenschen sich an ihre neue Daseinsform noch etwas gewöhnen müssen, zeigte sich am Montag vor dem Mittag. Als eine junge Frau eine mit Lebensmitteln gefüllte Tasche rapunzelmässig ins Baumhaus hinaufziehen wollte, blieb diese in einem Kabel hängen und verdrehte sich. Der Inhalt klatschte aus beachtlicher Höhe auf die Strasse herunter, wobei einzelne Produkte – etwa ein grosser Joghurtbecher – effektvoll zerplatzten.