2000,  Antifaschismus

Neonaziübergriffe Solätte Burgdorf

Inhalt:
1. Medienbericht
2 Zwölf Anzeigen nach Solätte


1. Medienbericht (Originalquelle: https://www.antifa.ch/harsche-kritik-an-der-polizei/ & https://www.antifa.ch/ausschreitungen-nach-der-solatte/)
-Der Bund: Harsche Kritik an der Polizei
burgdorf / Nach den Ausschreitungen vom Solätte-Abend erntet die Polizei Kritik. Die BurgdorferPolizeichefin Rosmarie Kieliger weist die Vorwürfe vehement zurück.

cbb. Nach den gewalttätigen Ausschreitungen am Solätte-Abend auf der Gebrüder-Schnell-Terrasse hagelt es in Burgdorf Kritik an der Polizei und an denBehörden. «Verharmlosung», lautet der Vorwurf etlicher Augenzeugen, die grösstenteils aus Angst vor Angriffen nicht mit Namen in der Zeitung stehenmöchten. Während die Polizei von kleinen Gruppen Rechtsextremer und von Einzelpersonen sprach, sei eine Gruppe von rund 20 Skinheads organisiertaufgetreten, wird in zahlreichen Leserbriefen festgehalten.

«Plötzlich konnte man beobachten, wie die Skins eine Art von Ritual begingen und darauf mit Hitlergruss in die Menge liefen und wahllos Jugendlicheangriffen», beschreiben einige junge Festbesucher das Geschehen. «In spukartigen fünf Minuten legten die Skinheads ein abartig gewaltvolles Verhaltenan den Tag: Sie traten, schlugen und benützten mitunter auch Waffen.» Darauf verzogen sie sich fluchtartig. Jugendliche hätten per Handy die Polizei vomAufmarsch der gewaltbereiten Personen informiert, seien aber wohl nicht ernst genommen worden. Zudem seien zu wenig Polizisten im Einsatzgestanden. «Aufgrund unserer Beobachtungen ist es offensichtlich, dass diese Aktion geplant und gut organisiert war», stimmen etlicheLeserbriefschreiber überein. «Es darf nicht sein, dass Jugendliche während des Ausganges in der Oberstadt Angst vor tätlichen Übergriffen habenmüssen, was zurzeit leider der Fall ist.»

Vorwürfe zurückgewiesen
Rosmarie Kieliger, Chefin der Stadtpolizei Burgdorf, weist die Vorwürfe zurück. «Es stimmt nicht, dass die Anrufer nicht ernst genommen wurden»,erklärt sie dem «Bund». Die Alarme seien über die Zentrale in Bern erfolgt. «Trotz jeweils sofortiger Intervention durch die Polizei bei den angeblichenSchauplätzen konnten keine Straftatbestände festgestellt werden.» Kieliger erinnert daran, dass allein die Anwesenheit kein Straftatbestand sei. DieStadtpolizei habe zusammen mit der Kantonspolizei bis in die frühen Morgenstunden im Einsatz gestanden, und zwar im personell möglichen Rahmen: AmAbend mit drei Doppelpatrouillen, die nicht nur für die Oberstadt zuständig waren.

Kieliger vermutet, dass die zum Teil «primitiven» Reaktionen auf die Vorkommnisse organisiert sind. Wilde Gerüchte machten die Runde. «Es werdenschreckliche Dinge erzählt, die sich nicht zugetragen haben.» So sei gar von einem amputierten Arm die Rede. Tatsache sei, dass der Stadtpolizei einzigeine leichte Handverletzung gemeldet worden sei. Kieliger: «Nach den Zwischenfällen auf der Schnell-Terrasse ist bei uns keine einzige Anzeigeeingegangen.»

-Der Bund
BURGDORF / In der Nacht nach der Burgdorfer Solätte ist es allen Massnahmen zum Trotz erneut zu Ausschreitungen gekommen. Rechte und linke Gruppierungen sind gewalttätig geworden. «So nicht mehr», sagt Stadtpräsident Haldimann und will über die Bücher gehen.
° CHRISTINE BRAND

«Auch in Burgdorf sind Nazis keine Seltenheit mehr. Es entwickelt sich sogar immer mehr zu einem Treffpunkt (Metzgerechäuer, Änteteich) der rechtsextremen Szene . . .» Das Flugblatt, gezeichnet von der linken Gruppierung Antifa Burgdorf, wurde am Montag auf der Schützenmatte verteilt, auf der die jüngeren Schülerinnen gerade ihre einstudierten Reigen vortanzten. Die Burgdorfer feierten eine Solätte, wie sie im Bilderbuch stehen könnte. «Es war ein sehr schönes Fest», sagt auch Rosmarie Kieliger, Chefin der Burgdorfer Stadtpolizei. «Die Solätte verlief ruhig und schön.»

Schon etwas feuchtfröhlicher ging es am Abend in den mit Menschen voll gestopften Altstadtgassen zu und her. Und weniger schön wurde es schliesslich in den Stunden spät nachts. «Es ist zu Ausschreitungen zwischen linken und rechten Gruppierungen gekommen», erzählt Rosmarie Kieliger. Es habe sich dabei um ganz kleine Gruppen oder gar Einzelpersonen gehandelt. Eine Person konnte angehalten werden. Was sich genau ereignet hat, kann Kieliger noch nicht sagen. Offenbar kam es zu gewalttätigen Zusammenstössen, bei denen auch Waffen gebraucht wurden.

Aufruf der Skinheads?
Die Gerüchte haben angeblich schon vor der Solätte die Runde gemacht: Die Skinheads kämen, die Neonazis kämen, auch linke Gruppen mit über 100 Personen wollten das Fest stören, wurde hie und da erzählt. Gerüchte, die laut Stadtpräsident Franz Haldimann so neu nicht sind. Schon im letzten Jahr habe es solche Angaben gegeben. Gekommen sind während der Solätte allerdings keine Skins oder Nazis, und die meisten Festbesucher haben von den Zusammenstössen spät nachts gar nichts mitbekommen. Zwar stand die gesamte Stadtpolizei im Einsatz. «Doch wenn die Polizisten auftauchten, wars jeweils schon vorbei», sagt Rosmarie Kieliger. Die Frage, ob das Polizeiaufgebot zu klein war, verneint sie strikt. «Ein riesiges Polizeiaufgebot kann unter Umständen völlig wirkungslos sein.» Wirkungen hätten in diesem Jahr eigentlich andere Massnahmen erzielen sollen: Eine Projektgruppe hat – um die Oberstufenschüler vom Alkoholkonsum abzuhalten und Ausschreitungen zu verhindern – erstmals ein Rahmenprogramm mit Kino, Fotoatelier und Konzert auf der Gebrüder-Schnell-Terrasse organisiert. Allerdings ohne Erfolg. Kieliger: «Die Massnahmen haben eher das Gegenteil bewirkt.» Die Konzerte auf der Terrasse hätten erst recht zahlreiche Auswärtige angezogen. Die Polizei vermutet, dass es denn auch vorwiegend unter Auswärtigen zu Zusammenstössen gekommen ist. Genaues lässt sich aber nicht sagen. In einem Punkt sind sich Franz Haldimann und Rosmarie Kieliger einig: «So nicht mehr», stimmen sie überein, jetzt müsse der Gemeinderat gemeinsam mit der Polizei über die Bücher gehen.

Lösung gesucht
Wie aber künftig derartige Zwischenfälle nach der Solätte verhindert werden können und was anders organisiert werden müsste, darüber herrscht Ratlosigkeit. «Vielleicht müsste man das ganze Rahmenprogramm nach der Solätte verbieten», überlegt Kieliger laut. Oder man dürfte keine Musik via Lautsprecher mehr zulassen. Vielleicht sollte das Fest nach der Solätte aber auch eine letzte Chance erhalten. Die Polizei werde sich mit dem Gemeinderat zusammensetzen, um nach Lösungen zu suchen. Was bleibt, ist eine gewisse Hilflosigkeit. Es sei schon viel unternommen worden. «Bislang hat aber alles nichts genützt», sagt Kieliger. «Es artet einfach immer wieder aus.»


2. Zwölf Anzeigen nach Solätte (Originalquelle: https://www.antifa.ch/12-skinheads-nach-solatte-angezeigt/)
DerBund
BURGDORF / Nach den gewalttätigen Ausschreitungen an der Solätte ist gegen 12 Skinheads Strafanzeige eingereicht worden.
cbb/sda. Fast eineinhalb Monate nach der Burgdorfer Solätte vom 26. Juni, an der es in der Nacht zu gewalttätigen Ausschreitungen gekommen ist, wird die Berner Kantonspolizei gegen 12 Skinheads Strafanzeige wegen Landfriedensbruchs einreichen. Aufgrund von Hinweisen aus der Bevölkerung werde gegen 12 Skins aus dem Kanton Bern «im Alter um die 20» ermittelt, bestätigt Jean-Pierre Eicher von der Fachstelle Staatsschutz der Kantonspolizei Bern einen Bericht des Regionaljournals von Radio DRS. Noch seien nicht alle Angeschuldigten befragt worden. Es sei jedoch bereits «klar, dass der Tatbestand des Landfriedensbruchs erfüllt ist und die Polizei Strafanzeige einreichen wird», sagt Eicher. Vorwürfe, die Polizei habe an der Solätte gegen gewalttätige Jugendliche zu wenig durchgegriffen, weist er zurück.

Was sich genau an der Solätte ereignet hat, darüber gehen die Aussagen von Augenzeugen und der Polizei auseinander. Die Stadtpolizei Burgdorf sprach davon, dass es zu Ausschreitungen zwischen linken und rechten Jugendlichen gekommen sei. Es habe sich dabei um «ganz kleine Gruppen oder Einzelpersonen gehandelt». Augenzeugen, die grösstenteils ungenannt bleiben wollten, berichteten, dass mehrere Skins «plötzlich ein Ritual begingen, mit Hitlergruss in die Menge liefen und wahllos Jugendliche angriffen». Ein Augenzeuge berichtete: «In spukartigen fünf Minuten legten die Skinheads ein abartig gewaltvolles Verhalten an den Tag. Sie traten, schlugen und benutzten mitunter auch Waffen.» Die Polizei war in diesem Moment nicht vor Ort.
Damit sich die Ereignisse am Gassenfest, das heute beginnt, nicht wiederholen, haben Stadt- und Kantonspolizei ein Sicherheitsdispositiv aufgestellt. Es gehe darum, Gewalt im Ansatz zu verhindern und Straftaten zur Anzeige zu bringen, sagt Eicher.
An seiner nächsten Sitzung will der Burgdorfer Gemeinderat zudem ein Massnahmenpaket «gegen Rassismus und Gewalt rechter und linker Provenienz» verabschieden, wie Stadtpräsident Franz Haldimann erklärt. «Das Paket soll eine breite Diskussion dieser Themen zwischen Schülern, Eltern, Politikern, Behörden und Kirche auslösen.»