2002,  Antifaschismus

Urteil rechtsextremer Bombenbastler Burgdorf (Solterpolter)

Inhalt:
1. Medienbericht


1. Medienbericht (Originalquelle: https://www.antifa.ch/ein-neonazi-bastelte-bomben/ & https://www.antifa.ch/bedingte-strafe-fur-bombenbastler/)
BernerZeitung: Ein Neonazi bastelte Bomben
Der 23-jährige Mann vor dem Burgdorfer Kreisgericht wirkte unscheinbar. Doch: Er wurde wegen Rassendiskriminierung und Widerhandlungen gegen das Sprengstoffgesetz schuldig gesprochen.

Sandra Kaufmann
«Zuerst sah es so aus, als ob X ein gemeingefährlicher Neonazi sei, der auf Leute mit anderer Gesinnung schiesst und Bomben bastelt», sagte Fürsprecher André Seydoux aus Bern gestern vor dem Kreisgericht Burgdorf-Fraubrunnen. Dieser Verdacht entsteht beim Lesen des Überweisungsbeschlusses gegen X rasch. Dem 23-Jährigen werden Rassendiskriminierung, Gefährdung des Lebens, Sachbeschädigung, Gefährdung durch Sprengstoffe sowie Widerhandlungen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz vorgeworfen.

Nationale Offensive
X war zur Zeit der Vorfälle, welche sich zwischen Juli 1999 bis Mai 2000 ereigneten, Mitglied der Nationalen Offensive, einer rechtsextremistischen Gruppierung. Heute habe er aber weder zu dieser noch zu irgendeiner anderen derartigen Organisation Kontakt, erklärte X dem Gericht. «Ich bin vor über zwei Jahren aus der Organisation ausgestiegen, weil ich die Sache nicht mehr unterstützen konnte.» Dieser Entscheid fiel etwa in jener Zeit, als ihn die Polizei als Waffensammler und Bombenbastler überführt hatte. Vorher aber steckte er «tief in dem Zeug drin», wie sich Staatsanwalt Walter Wyss ausdrückte.

«Rassismus ist Notwehr»
Im Juli 1999 brachte X zusammen mit einem Kollegen über 30 Aufkleber mit ausländerfeindlichen Parolen wie «Hände weg von meiner Heimat» oder «Rassismus ist eine Notwehr des Volkes» am Käsereigebäude in Hindelbank an. Er sei zufällig auf das mit «Türkische Spezialitäten» angeschriebene Geschäft gestossen. Warum er die Kleber angebracht habe, wollte Gerichtspräsident Markus Bärtschi wissen. «Aus Dummheit, kann ich heute sagen.» Und damals? «Mich störte es, dass ein Ausländer ein Geschäft hatte, noch dazu ein so traditionelles. Zudem war ich der Überzeugung, dass dies auch andere Leute stören würde.» Es ist aber nicht beim Bekleben des Gebäudes geblieben. Später flogen Steine durch Schaufenster und Glastüre. Die Käsereigenossenschaft Hindelbank indes, hat den Strafantrag wegen Sachbeschädigung zurückgezogen und sich aussergerichtlich mit X geeinigt.

Schüsse auf «Solterpolter»
Im August 1999 fuhr X nach Bern und schoss mit einer Pump-Action aus seinem Autofenster auf die alternative Wohngemeinschaft «Solterpolter» im Marzili. «Ein Freund hat mich angerufen und gesagt, dass er mit diesen Linken Krach gehabt hätte.» X sagte aus, dass er mit der Absicht hinfuhr, einen Warnschuss über das Haus hinweg abzufeuern. Der Schrotschuss ging aber in der Höhe von 2,6 Metern in die Hauswand. Menschen kamen keine zu Schaden. Er habe darauf geachtet, dass sich niemand in schussweite befand.

Rahmbläser-Sprengkörper
Schliesslich machte sich X noch strafbar mit der Herstellung von Rahmbläser-Sprengkörpern. Zwei davon zündete er in einer Kiesgrube, «um zu sehen, wie sie wirken». Er habe nicht gewusst, dass dies verboten sei. Auch damals gefährdete er niemanden. Er habe sie gemacht, weil er gerne bastle. Das Ganze habe nichts mit seiner damaligen Ideologie zu tun gehabt, behauptete der Ex-Neonazi. Die Polizei beschlagnahmte 23 Sprengkörper. «Ich bin in der Kiesgrube so über die Sprengkraft der Bomben erschrocken, dass ich sofort wieder damit aufhörte, sie herzustellen. Die Bomben habe ich in einer gemieteten Garage gelagert, da ich nicht wusste, wohin damit.» Richter Bärtschi dazu: «Ich verstehe nicht, warum Sie diese nicht wieder auseinandernahmen.»Das Kreisgericht folgte den Anträgen des Staatsanwaltes Walter Wyss und verurteilte X zu zehn Monaten Gefängnis bedingt und 21 866 Franken Verfahrenskosten. «Zum Glück hat die Polizei rechtzeitig eingegriffen. Wer weiss, was sonst mit den Bomben noch alles hätte angerichtet werden können», so Richter Markus Bärtschi.

Der Bund: Bedingte Strafe für Bombenbastler
BURGDORF / Zehn Monate Gefängnis bedingt: So lautet das Urteil für ein ehemals führendes Mitglied der Berner Skinhead-Szene. Der 23-Jährige hatte Bomben gebastelt und mit einer Schrotflinte auf «Solterpolter» geschossen.
bwb. Mit dem Arsenal hätte man eine kleine Guerillaeinheit ausrüsten können: 23 selbst gebastelte Bomben aus Rahmbläser-Kapseln gehörten zum Waffenlager, das die Polizei im Mai 2000 in der Umgebung von Bern aushob nebst Pistolen, Gewehren, Schlagringen und anderen Schlaginstrumenten, Messern, Gassprays, Munition und einem Elektroschockgerät. Zwei führende Köpfe der rechtsextremen Szene wurden verhaftet. Einer von ihnen, der heute 23-jährige Sanitärmonteur Z., stand gestern vor dem Kreisgericht Burgdorf-Fraubrunnen. Zur Last gelegt wurde ihm eine ganze Reihe von Delikten von Widerhandlungen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz über Sachbeschädigungen und Rassendiskriminierung bis zur Gefährdung von Menschenleben.
Dem Katalog von Anschuldigungen stand ein Auftreten gegenüber, das kaum unauffälliger hätte sein können. Mit Kurzhaarfrisur, Hemd, schwarzer Hose und Halbschuhen hatte Z. mit dem landläufigen Bild eines gewalttätigen Skinheads kaum etwas gemeinsam. Aus der «Nationalen Offensive» (NO, siehe Kasten) sei er längst ausgetreten, sagte er. Seine Freizeit verbringe er heute vor dem Computer, mit der Freundin, im Auto oder auf dem Töff. Zur «Organisation»habe er «gar keinen Kontakt mehr» auch wenn er nach wie vor ein paar Mitglieder kenne. In der NO gebe es aber mittlerweile auch Leute, mit denen er sich «nicht oder nicht mehr» identifizieren könne.

Schrotschuss als «Warnung»
Früher war das anders. Mit seiner Einstellung und seiner Kleidung sei er eine «Zielscheibe» gewesen, sagte Z. «Wenn man so durch die Stadt ging, hatte man alle zwei Meter ein Problem.» Waffen seien einerseits sein Hobby gewesen, so der «erfahrene Schütze», andererseits habe er sie «zum Schutz» gebraucht. Als er am 21. August 1999 seine «Pump Action»-Flinte ins Auto packte und von seinem Wohnort in der Region Bern ins Marziliquartier fuhr, hatte er allerdings anderes im Sinn. Weil ein Kollege «Krach» mit den linksalternativen «Solterpolter»-Bewohnern hatte, habe er diesen «eine Warnung verpassen und über das Haus schiessen» wollen. Der Schuss mit «Kaninchenschrot» vom Fahrersitz aus traf dann allerdings das Haus. Die tiefsten Einschläge fand die Polizei 2.40 Meter über Boden. Im Innern stellte sie Einschläge in Holzbalken und Abpraller von Stahlträgern fest, die den Raum hinter dem Eingangstor getroffen hatten verletzt wurde indessen niemand.
Im März 2000 liess es Z. erneut knallen. In einer Kiesgrube zündete er zwei selbst gebastelte Sprengkörper: leere Rahmbläser-Kapseln, die er mit Schwarzpulver aus einem Berner Waffengeschäft gefüllt hatte. Über 20 solche Bomben hatte er gebaut und eine davon für 20 Franken «als Probe» an einen bekannten Berner Rechtsradikalen verkauft um die «Kasse aufzubessern», wie er sagte. Als er sich von der Heftigkeit der Explosion überzeugt hatte, sah er von weiteren Verkäufen ab «ich fand das zu gefährlich». Überhaupt sei es ihm beim Ganzen «eigentlich ums Basteln»gegangen. «Ich habe schon früher immer viel gebastelt.»

«Bömbeli für den 1. August»
Sein Mandant habe die «Bömbeli» am 1. August abbrennen wollen, sagte der Verteidiger. Z. sei «kein gefährlicher Mensch, sondern ein überlegter, besonnener, der niemanden gefährden will». So habe er beim Bombentest «alles getan, um eine Gefährdung Dritter auszuschliessen». Auch der Griff zur Waffe als Warnung sei zwar «unmoralisch», eine Verletzungsgefahr habe jedoch «nur theoretisch» bestanden. Leute vom Schlage eines Z. seien «eher verschupfte, heimatlose Kinder als Verbrecher», seine Taten «nicht besonders gravierend», eine Strafe von drei Monaten Gefängnis daher angemessen.
Staatsanwalt Walter Wyss dagegen beantragte zehn Monate bedingt, wobei sich seine Einschätzung kaum von derjenigen des Verteidigers unterschied. Sowohl im Fall «Solterpolter» wie bei den Bomben könne nicht von einer konkreten Gefährdung von Menschenleben gesprochen werden. Z. sei zwar ein «Aktiver» in der Szene gewesen und habe «tief in dem Zeug gesteckt». Heute aber zeige er Einsicht und lasse sich das Strafverfahren «genug Lehre sein, um künftig aufzupassen».

Rassendiskriminierung
Das Gericht schloss sich den Anträgen des Staatsanwalts an. Schuldig gesprochen wurde Z. wegen Sachbeschädigung, Verstössen gegen das Waffen- und das Sprengstoffgesetz sowie Rassendiskriminierung: Zusammen mit einem Kollegen hatte er im Juli 1999 das Schaufenster der Käserei Hindelbank mit mehr als 30 rassistischen Aufklebern verunstaltet, weil der Betreiber des Verkaufsladens ein türkischstämmiger Schweizer ist. Mittlerweile scheint sich der geläuterte Skinhead anderen Feindbildern zugewandt zu haben: Er ist Gründungsmitglied eines «reinen Männerclubs» mit dem klingenden Namen «Bad Car Club». Zitat aus den Statuten: «Dieser Club wurde aus Spass am Autofahren gegründet und zum vereinten Kampf gegen das Strassenverkehrsamt.»

«Rechtsterrorismus»
bwb. Ein im Herbst 2000 publizierter Bericht der Bundespolizei über die Schweizer Skinhead-Szene zählt den gestern Verurteilten zu den führenden Köpfen der «Nationalen Offensive» (NO), einer «zahlenmässig kleinen Organisation noch ohne ausgebildete internationale Kontakte, doch mit klarem Bekenntnis zum Nationalismus und zur Fremdenfeindlichkeit». Die NO sei 1997 aus der «Organisation Bern» hervorgegangen, die ihrerseits aus der «streng nationalsozialistisch ausgerichteten Neofaschistischen Front Bern» entstanden war. Im Frühjahr 2000 zählte die NO laut Bundespolizei 21 Vollmitglieder, darunter ein gutes Dutzend bekannte Skinhead-Aktivisten, sowie 16 Anwärter. Die Mitglieder seien zwischen 16 und 28 Jahren alt und «überwiegend in handwerklichen Berufen tätig».
Mit ihrer «nationalsozialistisch beeinflussten Ideologie» und einer «systematisch vorbereiteten Gewaltbereitschaft» lasse die Gruppe «erste Ansätze eines Rechtsterrorismus» erkennen, schreibt die Bundespolizei bezüglich der vom gestern Verurteilten gebastelten Bomben. Laut Experten seien diese wegen ihrer Splitterwirkung als «sehr gefährlich» einzustufen.