1. Antifaschistischer Abendspaziergang
Inhalt:
1. Aufruf
2. Medienbericht Vorfeld
3. Communiqué
4. Medienbericht
1. Aufruf (Originalquelle: http://www.buendnis-gegen-rechts.ch/Communiques/1999/Aufruf zum 1Antifa-Spaziergang.htm)
Widerstand tut not – stoppen wir den rechten Vormarsch!
Ein antifaschistischer Abendspaziergang in Bern ist angesagt. Um ein entschlossenes und kraftvolles Zeichen gegen Neonazis und rechte Gewalt zu setzen, wollen wir uns einen Abend lang die Strassen der Berner Innenstadt nehmen und manifestieren: No way nazis! No way Blocher! Solidarität statt Ausgrenzung!
Stopp dem Rechtsruck! Der Wahlsieg der SVP diesen Herbst macht deutlich: Die Gesellschaft bewegt sich mehr und mehr nach rechts. Mit einfachen rechtspopulistischen Scheinlösungen lassen sich fette Stimmengewinne einfahren. Geeignete Sündenböcke sind schnell gefunden. Mal wird gegen sogenannte „kriminelle Asylbewerber“ gehetzt, dann bildet wieder der angeblich zu teure Sozialstaat eine geeignete Zielscheibe. Kein Wunder, gedeihen auf so trefflichem Nährboden rechtsextreme Gruppen bestens!
Mischt euch ein – verhindert rassistische Übergriffe! Übergriffe auf AusländerInnen, Andersdenkende, HausbesetzerInnen und Punks sind in Bern alltägliche traurige Normalität. Rechtsextreme Schläger treten immer selbstsicherer auf. Die Angriffe auf die alternative Kulturzentren, etwa in Bern, Münchenbuchsee und Thun bilden dabei „nur“ die Höhepunkte einer Serie von Übergriffen.
Kein Raum für Nazis! Längst treffen sich Skinheads und Neonazis nicht mehr nur in Privaträumen und Kneipen in der Agglomeration von Bern. Vermehrt sind sie auch in der Innenstadt anzutreffen. Beliebte Treffpunkte sind unter anderem das Bahnhof-Buffet und verschiedene Bars in der Rathausgasse. Wer Neonazis Raum bietet, fördert ihre Akzeptanz in der Gesellschaft und gibt ihnen die Gelegenheit, sich besser zu organisieren. Erzeugen wir Druck auf die besagten Kneipen!
Der Ball darf nicht für die Skinheads rollen! Hooligans und rechte Skins mischen sich verstärkt in die Fanreihen der Sportstadien. Sportveranstaltungen sind für Skinheads ein geeigneter Ort, um neue Leute zu rekrutieren. Ihr mackriges Imponiergehabe und ihr militantes Outfit hinterlassen gerade bei jüngeren Sportfans grossen Eindruck. Klare antirassistische Statements und Taten der Sportclubs sind deshalb gefragt!
Rechtsextremismus muss thematisiert werden! Nur ein Bruchteil rechtsextrem motivierter Gewalt gelangt an die Öffentlichkeit. Rassistische Übergriffe werden von der Polizei massiv verharmlost, als unpolitische Lausbubenstreiche abgetan und meist verschwiegen. Es darf nicht sein, dass die Polizei erst auf Druck von aussen hin informiert: Berichte über rechtsextreme Gewalt gehören in die Zeitung, nicht in irgendeine Amtsschublade!
Nehmen wir uns am 22. Januar 2000 die Innenstadt! Wir können das menschenverachtende Weltbild der Neonazis nicht verschwinden lassen, aber wir können dafür sorgen, dass sich die Skins nicht mehr trauen, dieses auf der Strasse auszuleben. Nehmen wir ihnen ihre Treffpunkte, verhindern wir rassistische Übergriffe! Sorgen wir dafür, dass den Neonazis der Wind ins Gesicht schlägt!
Bündnis „Alle gegen Rechts!“, Bern, Dezember 1999
Antifaschistischer Abendspaziergang
Samstag, 22. Januar 2000, 20.30 Uhr, Heiliggeistkirche (beim Bahnhof) Bern
2. Medienbericht Vorfeld (Originalquelle: https://www.antifa.ch/linke-spazieren-rechte-exilieren/)
-Der Bund: Linke spazieren – Rechte exilieren
antifa / Linke Autonome rufen zu Berns erstem «Antifaschistischen Abendspaziergang» – und rechte Berner Politiker, nach Übergriffen undDrohungen gewarnt, tauchen vorsichtshalber ab. Posse oder Ernst? Die Polizei erlaubt die Demonstration, ist aber auf alles gefasst.
Autor: rudolf gafner
Skinheads, so präsent wie nie, erstmals eine gefestigte Nazi-Szene in Bern: 1999 registrierte die Berner Polizei eine «starke Zunahme»rechtsextremer Aktivitäten – und warnte vor «sehr ernsten Lagen», denn öfters seien «Linke» Opfer «rechter» Gewalt, und griffen auch «Linke»zur Gewalt, drohe wüste Eskalation.
Diese Gefahr scheint nun greifbar – denn linksradikal-autonome «AntifaschistInnen» (Antifa), 1999 «eher in der Defensive», treten zurGegenoffensive an – zum «Auftakt für Veränderung in Bern», wie ein Sprecher sagte: «Nicht länger sollen Nazi-Skins in voller Montur durch dieStrassen gehen und einfach Leute anpöbeln oder verprügeln können.» Antifa und «antirassistische Gruppen in Bern und Umland» riefen imNovember ein «Bündnis ,Alle gegen rechts!’» ins Leben. Brenzlig wurde es etwa im Dezember, als sich im Bahnhof je gut 40 «Linke» und «Rechte»laut Polizei «sehr gereizt» begegneten.
Wirte und Politiker alarmiert
Das war nur ein Vorgeschmack auf den Samstag, 22. Januar: Erstmals in Bern ist ein «Antifaschistischer Abendspaziergang» geplant – eine weitereZitterpartie für die Polizei. Denn einerseits haben die Veranstalter Drohungen erhalten, wonach «Skinheads und Neonazis (. . .) stören» wollten, undandererseits gibt es Leute, die Antifa-Zorn fürchten. Zu letzteren zählen zwei Wirte, deren Bars letzthin im Reitschulblatt «megafon» als «beliebteTreffpunkte» für Skins verdächtigt wurden. «Der 22. wird sicher kein gemütlicher Tag», ahnt Markus Regli, Chef des Pubs Stilbruch im Bahnhof, undso stehe er schon jetzt «in Kontakt mit der Polizei». Sein Publokal sei tatsächlich «von Skinheads als Treff benutzt» worden, doch habe er dem imDezember ein Ende gesetzt: «Ich toleriere das klar nicht!» Exakt den gleichen Satz äussert der andere Wirt, Hans-Ulrich Gruber von der«Tübeli-Bar». Seit er drei Glatzköpfe «mit leichter Gewalt hinauskomplimentiert» habe, «verkehren bei mir überhaupt keine Skins» mehr.
Vor einschlägig bekannten Restaurants würden «allenfalls Redebeiträge» gehalten, beschwichtigt dagegen der Antifa-Sprecher. Angriffe wie 1997auf die «Pumpi-Bar» in Zürich seien beim «Abendspaziergang» nicht zu erwarten.
Angst vor Antifa hat aber auch Bernhard Hess, Nationalrat der Schweizer Demokraten (SD). SD-Stadtrat Alfred Jordi sei letzte Woche beimUnterschriftensammeln von Punkern «tätlich angegriffen» worden (was Jordi nicht bestätigt) – und diesen Dienstag hätten rund 20 «linke Chaoten»den SD-Stand am Bärenplatz «angegriffen», so Hess in einem Communiqué. Der Stand habe geräumt und die Polizei geholt werden müssen. Vorallem aber sei «anonym angedroht» worden, anlässlich der Antifa-Demonstration werde das SD-Sekretariat «abgefackelt», so Hess – der, «gutinformiert», wisse, dass «450 gewaltbereite Linkschaoten aus der ganzen Schweiz und sogar der autonome ,Schwarze Block‘ aus Deutschland imAnmarsch» seien.
«Uns macht das Angst», klagt Hess, um so mehr, als er sowie SD-Stadtrat Peter Bühler und JSVP-Stadtrat Thomas Fuchs namentlich mit Gewaltgedroht werde. Er selber, Hess, werde sich jedenfalls vorsorglich «ins Oberland zurückziehen». Und auch Thomas Fuchs wird, wie er auf Anfrageerklärte, am fraglichen Samstagabend «sicher nicht in der Stadt sein». Auch er, Fuchs, sei «von mehreren Seiten gewarnt», auch JSVP-Ständeseien 1999 «abgeräumt» worden.
«Hess spinnt, er hat Paranoia», sagt T. L., der Sprecher der Demo-Veranstalter (der anonym bleiben will, «um einen Namensvetter vorBelästigungen zu schützen»): Nie seien SD oder JSVP «auch nur ansatzweise» als Ziele von Aktionen ins Auge gefasst worden – und der Übergriffauf den SD-Stand sei für ihn selber «ein Rätsel». «Wir wünschen uns einen kraftvollen, aber disziplinierten», einen klar «friedlichen Umzug» mitgegen 300 Teilnehmenden, betont T. L. weiter.
Polizei stellt Grossaufgebot
Die Polizei wiederum – die den «Angriff» auf die SD nur als «heftige Diskussion» registrierte – stellte den Organisatoren eine Bewilligung inAussicht. Den «Abendspaziergang» zu verbieten und wie bei den «Chaostagen» 1997 zu präventiven Massenfestnahmen zu greifen (wie Hess es nunfordert), dazu «besteht im Moment – auch rechtlich – keine Veranlassung», sagte Stapo-Infochef Franz Märki. Mit Antifa sei intensiv verhandeltworden, und die Polizei werde «mit einem grossem Aufgebot» für Ruhe sorgen. Aber, so Märki weiter: «An der neuen Entwicklung haben wir garkeine Freude», denn: «Wenn die Stimmung jetzt zusätzlich aufgeschaukelt wird, müssen wir die Lage allenfalls neu beurteilen.»
Die Polizei spricht aus Erfahrung: 1994 trafen Neonazis von der Reitschule her auf Gegenwehr – Resultat: 100 Personen lieferten sich eine argeSchlägerei. Anderseits weiss sie: Der letzte «Abendspaziergang» fand vor drei Wochen in Zürich statt, wo solche Aufmärsche eine gewisse Traditionhaben – mit 300 teils vermummt und erst noch unbewilligt, aber gleichwohl gewaltfrei Marschierenden.
3. Communiqué (Originalquelle: https://www.antifa.ch/medienmitteilung-2/)
Medienmitteilung
Bern
Es freut uns, Ihnen mitteilen zu dürfen, dass in Bern am ersten Antifaschistischen Abendspaziergang des Jahres 2000 ca. 1500 Menschen teilgenommen haben.
Wir haben mit dem friedlichen und ausdrucksstarken Antifaschistischen Abendspaziergang gezeigt, dass viele Menschen nicht mehr hinnehmen wollen, dass gewalttätige Neonazis, FaschistInnen und ihre Hintermänner und -frauen in und um Bern ihr Unwesen treiben.
Der Unmut ist gross, wie die erfolgreiche Mobilisierung gezeigt hat – insbesondere Jugendliche haben es satt, in ihrem Alltag (Bahnhöfe, Schulen, Innenstadt, Kneipen, Sportstadien, etc) von Neonazis und FaschistInnen bedroht, angepöbelt oder verprügelt zu werden. Es reicht!
Wir machen weiter!
Solidarität ist unsere Waffe! Nie wieder Faschismus! No way Blocher!
Bündnis Alle gegen Rechts
4. Medienbericht (Originalquelle: https://www.antifa.ch/antifaschistischer-abendspaziergang/ & https://www.antifa.ch/berner-polizei-am-samstagabend-im-rahmen-eines-antifaschistischen/)
-BernerZeitung: Ein Grossaufmarsch von allen Seiten
Der «antifaschistische Abendspaziergang» durch die Berner Innenstatt am Samstagabend verlief friedlich.
Allerdings verhinderte die Polizei Krawalle, indem sie 102 Rechtsmilitante festnahm.
*Claudia Schlup
Das Spektrum an Leuten, die sich am kalten Dezemberabend vom Samstag vor der Heiliggeistkirche versammelten, um gegen Rassismus, Faschismus und rechtsextreme Gewalt zu protestieren, war gross. Da waren auf der einen Seite die vermummten Rädelsführer in orangen Jacken und Army-Hosen, da gab es aber auch Ausländerinnen und Ausländer, Teenager in Hippiekluft mit Peace-Zeichen und Leute älteren Semesters, die man kaum mit dem Etikett «links» oder gar «extrem» versehen würde. Sogar aus Deutschland waren Leute angereist, um ihre Solidarität mit den Spaziergängern zu bekunden.
«Keiner vermisst euch»
Um neun Uhr setzte sich der Zug in Bewegung. Zwischen 800 – so schätzt die Polizei – und 1500 – so schätzen die Veranstalter – Spaziergänger und Spaziergängerinnen zogen los, nachdem ihre Leitlinien verkündet worden waren: «Keine Einzelaktionen, keine sinnlosen Provokationen. Wir greifen nicht von uns aus an.» Fahnen und Fackeln schwingend wälzte sich die Menge via Bundesplatz und Zytglogge zum Rathaus. «Leute lasst das Glotzen sein – reiht euch in die Demo ein», verlangten die Sprechgesänge.
Disziplin gefordert
Zeitweise war die Stimmung angespannt: Zum Beispiel wenn die «Tübeli-Bar», ein von Rechtsradikalen frequentiertes Lokal in der Rathausgasse, passiert wurde. Ansonsten verlief der Spaziergang friedlich. Der Polizei wurden weder Sachbeschädigungen noch andere «nennenswerte Probleme» gemeldet. Für Disziplin sorgten die Organisatoren: «Keine Bierflaschen werfen. Ruhig bleiben», forderten sie via Lautsprecher, wenn einmal Bierflaschen gegen die Polizeigrenadiere, die entlang der Route positioniert waren, geschleudert wurden.
Grossaufgebot der Polizei
Dass Krawalle verhindert wurden, dafür sorgte ein polizeiliches Grossaufgebot von rund 200 Mann, wie Mediensprecher Franz Märki mitteilte. Aus rechtsmilitanten Kreisen wurden 102 Personen festgenommen, die versucht hatten, die Demo zu stören. So auch eine Gruppe von 80 bis 100 Leuten, die zuerst durch die Matte und dann über die Kirchenfeldbrücke in die Innenstadt gelangen wollte. Darunter befanden sich Männer, die mit Baseball-Schlägern, Ketten und Tränengassprays bewaffnet waren.
Rechte weit gereist
Fast die Hälfte der festgenommenen Personen stammt aus dem Raum Zürich und der Ostschweiz. Lediglich ein Drittel kam aus dem Kanton Bern. Insgesamt 250 Rechtsmilitante suchten die Konfrontation mit den Antifaschisten. Die Polizei habe tendenziell mit weniger Rechtsmilitanten gerechnet, sagte Franz Märki. Ob der grosse Aufmarsch der Rechten Indiz für einen erhöhten Organisationsgrad sei, vermochte er allerdings nicht zu beurteilen. Indes stellte Märki fest, dass viele der Festgenommenen Handys auf sich trugen und sich wohl so untereinander verständigten. Eine Rolle spielen laut Märki auch die Neuen Medien, welche die Verbreitung von Ideen erleichtern.
Keine Lust auf Gewalt
Seitens der Organisatoren, dem Bündnis «Alle gegen Rechts», zeigte man sich sehr zufrieden. «Der Marsch zeigt uns, dass viele Leute keine Lust auf Gewalt haben», sagte ein Sprecher. «Wir machen weiter.»*
-sda
Abendspazierunganges“ eine Konfrontation zwischen links- und rechtsextremenKreisen verhindern können.
Insgesamt waren rund 250 Rechtsradikale zur Störaktion der antifaschistischen Demonstration nach Bern gereist. Als dieRechtsradikalen versuchten, zu den linken Demonstranten vorzustossen, wurde ein Teil von der Polizei auf demHelvetiaplatz eingekreist und festgenommen.
Einige der Festgenommenen seien mit Baseballschlägern, Ketten und CS-Tränengassprays bewaffnet gewesen, teilte diePolizei mit. Fast die Hälfte von ihnen stammte aus dem Raum Zürich und der Ostschweiz. Es seien aber auchRechtsradikale aus Basel und Süddeutschland angereist.
Sämtliche Festgenommenen wurden im Verlaufe der Nacht wieder freigelassen. Sie wurden zu ihren Fahrzeugen begleitetund zum Verlassen der Stadt aufgefordert.
Demonstration verlief friedlich
Die Demonstration selber verlief friedlich. Nach Polizeiangaben nahmen am „Antifaschistischen Abendspaziergang“ 700 bis800 Personen teil. Das organisierende „Bündnis Alle gegen Rechts“ sprach von 1500 Teilnehmerinnen und Teilnehmern.
Der Marsch durch die Altstadt richtete sich gegen rechtsextreme Gewalt.
Nach 22.30 Uhr löste sich die Demonstration auf. In der Innenstadt blieben Einheiten der Stadtpolizei aber weiterhinpräsent. Der Tram- und Busverkehr der SVB war in der Innenstadt zu Beginn der Demonstration für rund 30 Minuten zumErliegen gekommen.