2018,  Besetzung,  Freiraum

Hausbesetzung Bahnstrasse (steigi69)

Inhalt:
1. Communiqué
2. Offener Brief
3. Medienbericht

1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/Stellungsnahme-zu-der-Besetzung-an-der-Bahnstrasse-69-770)
Wir besetzen seit dem 19. Januar einen zweistöckigen Wohnblock an der Bahnstrasse im Steigerhubelquartier. Dieser gehört der Stadt Bern und wurde bis in den Oktober 2017 hinein von der Organisation Wohnen Bern beansprucht. Danach stand der Bau leer, bis wir auftauchten.

Wir sind Menschen in ganz verschiedenen Altersklassen und mit ganz verschiedenen Bedürfnissen. Menschen aber, mit dem gemeinsamen Verlangen nach einem selbstbestimmten Leben. Nach Raum zum Arbeiten, sowie zum Wohnen, der eigene und im Kollektiv gewählte Formen zulässt und einen nicht automatisch in schon gegebene Strukturen zwängt. Wie zum Beispiel ein hoher Mietzins, der zu viel Lohnarbeit zwingt, welche einen logischerweise viel Zeit und Kraft kostet. Wir brauchen diese Energie für Projekte, welche losgelöst von der herrschenden Marktlogik, ohne Konkurrenzdruck und ohne Selbstbereicherung funktionieren. Und dafür brauchen wir Raum. Raum, den wir uns letztlich nehmen müssen.

Für uns scheint, wer kein Geld und keinen Besitz hat, hat nicht zu denken und nicht zu sprechen in diesem Land.
Dagegen wollen wir ankämpfen!
Nun sind wir bereits mit der Stadt Bern im Gespräch. Ganz zufälligerweise wurde am 24. Januar das Abrissgesuch dieser Liegenschaft bewilligt. Am 19.Februar 2018 will die Stadt Bern abreissen.
Dies nach dem ersten kurzen, eigentlich positiv scheinenden Dialog.
Die Organisation Wohnen Bern soll nach dem Abriss den darauffolgenden Neubau erneut nutzen.
Wir finden soziale Arbeit im Grunde gut und wollen dem Bauprojekt als solches nicht im Weg stehen. Es ist aber so, dass jenes Baugesuch für den Neubau an der Bahnstrasse 69 von einer Bewilligung weit entfernt ist. Momentaner Stand: Eine Sammeleinsprache von Anwohner*innen ist hängig.
Unsere Bitte deshalb an die Stadt: Das Abrissdatum noch einmal zu überdenken und erst abzureissen, wenn dieses Baugesuch bewilligt ist.
Kein Abriss auf Vorrat! Keine Brache, dort wo eigentlich Raum für viele motivierte Menschen und hunderte kreative Projekte sein könnte!
Natürlich sind wir schlussendlich am kürzeren Hebel, wir könnten ja theoretisch genau zum jetzigen Zeitpunkt, beim Schreiben dieses Textes von der Polizei geräumt werden. So wie in der ganzen Zeit, in der wir keinen Vertrag haben und nicht genau so spuren, wie die Stadt es will. Dieses Risiko tragen wir.

Nun fordern wir eine Klausel im Vertrag mit der Stadt, die besagt, dass erst abgerissen wird, wenn das Baugesuch bewilligt ist. Von einer solchen Klausel wollten unsere Gesprächspartner von der Stadt Bern bis anhin nichts wissen. Uns erscheint das skurril, da sie doch gar nichts verlieren würden, weil sie sowieso noch nicht bauen können, und auch mühsam – so reden wir nie mit denen, die wirklich entscheiden. Immer nur mit ihren Gehilfen, die bei allen Forderungen ihre eigene Unschuld und Handlungs- sowie Entscheidungsunfähigkeit beteuern.
Und weil wir wissen, dass jenes Vorhaben; Abriss vor erteilter Baubewilligung des folgenden Projekts eine beliebte Strategie ist, um solche Freiräume präventiv zu verhindern und die zu Grunde liegende Problematik unter den Teppich zu kehren. Ein Vorgehen, welches andernorts in der Schweiz gesetzlich verboten ist.
Ein Beispiel dazu ist die Brache am Centralweg in der Lorraine oder die ehemalige Kehrichtsverbennungsanlage (KVA), heute als Warmbächlibrache bekannt. Orte, die genutzt werden wollten und auch wurden, bis mit dem immergleichen Verweis auf ein zukünftiges Bauprojekt alles in Schutt gelegt wurde und über Jahre stehen gelassen wurde. Danke für gar nichts!
Für den bürokratischen Apparat ist ein gähnendes Nichts offensichtlich einfacher verwaltbar als Raum, in dem Menschen leben.

Unter dem Strich: Wollen sie nicht, müssen wir dieses Haus wohl aufgeben, und
können immerhin darauf hoffen, andere aufmerksam gemacht zu haben.
Auf dieses, unserer Ansicht nach grob unlogische Fehlverhalten der Stadt Bern. Und dass es trotzdem Menschen gibt, die weiterkämpfen.
Es grüsst das Steigi 69 und die Januarlöcher


2. Offener Brief (Originalquelle: https://barrikade.info/Offener-Brief-an-die-ISB-des-Steigi-69-794)
Stellungsnahme des Steigi 69 – 8.2.2018
Zu Ihren Begründungen, warum sie die Vertragsverhandlungen für eine Zwischennutzung an der Bahnstrasse 69 eingestellt haben, möchten wir gerne Stellung beziehen.
Wie uns am Dienstagnachmittag (6. Februar) durch Herr L. mitgeteilt wurde, werden die Verhandlungen zu einem Zwischennutzungsvertrag aufgrund diverser Vorwürfe beendet.

Während wir der Überzeugung sind, dass Diskussionen über Punkte wie Ruhestörung, Feuer im Feuerkorb und selbstgebaute Schattendächer eher schnell geführt sind, können wir gut verstehen, dass bei einer wahrgenommenen Bedrohung Klärungsbedarf besteht. Deshalb möchten wir dieses Missverständis mit folgendem Brief richtig stellen.
Anscheinend hat sich Herr H. duch eine oder mehrere Aussagen von Mitgliedern des Kollektivs bedroht gefühlt. Dies war mitnichten die Absicht der besagten Kollektivmitglieder.

Zwei Kollektivmitglieder haben sich nach den offiziellen Verhandlungsgesprächen, in denen es um die Details eines Zwischennutzungsvertrages ging, direkt an Herrn H. gewendet um ihrem Unmut über die aktuelle und vergangene Politik im Umgang mit Zwischennutzungen Luft zu machen.

Konkret wurde kritisiert, dass Entscheidungen, die von ISB MitarbeiterInnen zu Bürozeiten gefällt werden, sehr persönliche und einschneidende Auswirkungen auf das Leben der Besetzenden haben, auch noch nach 18 Uhr. Das Kollektiv nimmt an, dass eine solche Aussage von Herrn H. als Bedrohung aufgefasst wurde. Die Betroffenen wollten damit jedoch nur eine Sensibilisierung des ISB Mitarbeiters bewirken – schliesslich handelt es sich dabei um Menschen und nicht um Dossiers, die sich einfach beiseite legen lassen. Das Aufeinandertreffen dieser zwei Parteien hat eine Vorgeschichte, die für die eine Seite eine grosse emotionale Belastung mit sich zog.

Dem Kollektiv liegt es absolut fern mit MitarbeiterInnen des ISB nach ihrem Feierabend in Kontakt zu treten oder ihnen irgendwelchen Schaden zuzufügen. Schliesslich ist ein elementarer Bestandteil eines antiautoritären Lebensentwurfs die gewaltfreie Konfliktlösung durch Kommunikation.

Wir gehen davon aus, das Missverständnis damit aus dem Weg geschafft zu haben, und erwarten die Weiterführung des bereits begonnenen konstruktiven Dialoges.
Januarlöcher / Kollektiv Steigi 69


3. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/region/bern/haus-an-der-bahnstrasse-besetzt/story/13934026)
Ein leerstehendes Haus an der Bahnstrasse in Bern wurde von einem Besetzerkollektiv in Beschlag genommen. Es wehrt sich gegen den Abriss des Gebäudes.
Ein Kollektiv mit dem Namen Januarlöcher hat laut eigenen Angaben das verlassene Haus an der Bahnstrasse 69 besetzt. «In erster Linie geht es darum, den sich in gutem Zustand befindenden Wohnraum so lange wie möglich zu nutzen und Wohnraum für ungefähr ein Dutzend junge Leute zu schaffen», schreiben die Aktivisten am Dienstag in einer Mitteilung.

Der zweistöckige Wohnblock gehört der Stadt und soll im Februar abgerissen werden. Die Besetzerinnen und Besetzer stören sich daran, dass das «Baugesuch für den Neubau an der Bahnstrasse 69 von einer Bewilligung weit entfernt ist.»
Sie stehen laut ihrer Mitteilung im Kontakt mit der Stadt Bern und verlangen von ihr, dass erst abgerissen wird, wenn das Baugesuch bewilligt ist: «Kein Abriss auf Vorrat! Keine Brache, dort wo eigentlich Raum für viele motivierte Menschen und hunderte kreative Projekte sein könnte», gibt sich das Kollektiv kämpferisch.