2006,  Antifa Spaziergang,  Antifaschismus,  Antikapitalismus,  Antirassismus,  Ausschreitungen,  Gender,  Repression

7. Antifa-Abendspaziergang

Inhalt:
1. Aufruf
2. Videobotschaft
3. Aufruf Skinhead-Block
4. Stadtpolizist verschickt Gegendemo-Flyer
5. Interview im Bund
6. Bilder
7. Communiqué
8. Medienberichte
9. Armeeseinsatz bei Demo


1. Aufruf (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/02/38308.shtml)
Am 1. April findet in Bern der 7. Antifaschistische Abendspaziergang statt – kurz vor den Grossratswahlen im Kanton Bern (bei denen auch die PNOS antritt) – und kurz nachdem das neue Demo-Reglment in Kraft getreten ist.
Gut möglich, dass die Behörden das neue Demoreglment und die Tatsache, dass in jüngster Zeit für beinahe alle grösseren Protestaktionen Bewilligungen eingereicht wurden, zum Anlass nehmen wollen, um den Antifa-Spaziergang zu kriminalisieren und zu verhindern.
Immerhin: In den letzten Jahren sind sie mit ihren Versuchen dabei immer gescheitert. Auch die juristischen Erfolge nach der Antifa-Demo in Thun (BE) stimmen optimistisch was die Durchführung der Demo betrifft.
Weniger optimistisch stimmen allerdings die allgemeine Lage der Welt unter dem Joch des Kapitalismus und die Zunahme der rechtsextremen Aktivitäten in der Region…

1.Überheblichkeit
Weil noch immer Menschen über andere herrschen. Weltweit glauben Menschen, ihre Herkunft, ihre Hautfarbe, ihr Geschlecht oder ihre gesellschaftliche Stellung berechtige sie dazu, andere zu unterdrücken.

2. Gier
Weil es viele gibt, die (zu) wenig haben, und wenige, die alles haben. Denn dank dem Kapitalismus können sich die Habgierigen bereichern, während alle anderen ausgebeutet werden.

3. Neid
Weil die heutige Gesellschaft auf Konkurrenz aufbaut und nicht auf Solidarität. Weil nur zählt, wer (mehr) besitzt. Und weil hier selbst Liebe und Lust zum Eigentum gemacht werden.

4. Hass
Weil rechtsextreme und religiöse Gruppen Hass auf alles schüren, was nicht ihren Wahnvorstellungen entspricht. Diskriminierung und Rassenhass bis hin zu Mord und Krieg sind die Folge davon.

5. Hunger
Weil auch im 21. Jahrhundert noch Hunderttausende (ver)hungern und (ver)dursten, während andere mehr haben, als sie essen können.

6. Homophobie
Weil noch immer Menschen auf Grund ihrer sexuellen Ausrichtung herabgesetzt, ausgegrenzt oder gar verfolgt werden.

7. Trägheit
Weil, obwohl uns allen diese Missstände bekannt sind, kaum jemand bereit ist, etwas dagegen zu tun.

Heraus zum 7. Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern!


2. Videobotschaft (Originalquelle: https://www.youtube.com/watch?v=_2-wWTfODO8) & http://ch.indymedia.org/de/2006/03/39082.shtml)

ETA? IRA? Osama? Nein, Antifa!
«videobotschaft an die stadtpolizei bern»

Das gleichsam unheimlich wie zuweilen aber auch unheimlich lächerlich anmutende Kokettieren der Berner Antifas mit der Ästhetik von Klandestinität, Konspiration und Subversion hat eine neue Eskalationsstufe erreicht. Womit Osama bin Laden seit Jahren erfolgreich Sendezeit bucht, haben jetzt auch Berner Anarcho-Autonome entdeckt: Videobotschaften aus dem Untergrund. So erhielten gestern Medien anonyme Post, darin eine «Videobotschaft des Bündnisses Alle gegen rechts an die Stadtpolizei Bern».

Hierzu habe man sich entschlossen, «weil uns die Stadtpolizei wissen liess, dass einseitiger E-Mail-Verkehr nicht ausreiche», heisst es da. Weil Anonymfaxe und getarnte Mails, wie sie die Antifas an Presse und Polizei versenden, dem Transparenzbedarf einer offenen Zivilgesellschaft nicht Genüge tun, hat sich das Bündnis also entschieden, sein Auftreten zu verschlimmbessern – indem es sich der Aussenwelt nun zeigt wie Guerilleros oder Terroristen beim Verlesen einer grimmigen Kommandoerklärung: Vermummt vor dem Banner ihrer revolutionären Bewegung sitzend, steif, aufrecht, in Kämpferhaltung.

Dabei allerdings nicht ohne ungewollte Komik, die den schauerlichen Mummenschanz dann doch wieder als eher kindisches Kasperlitheater entlarvt. Fällt doch mitten im Film das Banner zu Boden, worauf ein weiterer Vermummter einspringt und das Schwarz-Rot der Libertären notdürftig improvisiert wieder an die Wand pinnt. So resultiert eine reichlich bizarre ästhetische Mischung aus Stadtguerilla-Thrill und Bastelkeller-Heimvideo.

Gleichwohl, die Botschaft ist ernst gemeint – und ernst zu nehmen, denn sie riecht nach Ernstfall: Nein danke, man denke gar nicht daran, für den Antifaschistischen Abendspaziergang vom 1. April um Bewilligung zu fragen und mit dem Staat in Dialog zu treten, lassen die Maskierten nämlich wissen. Es liege an der Polizei, «nicht zu provozieren».

Ernst zu nehmen ist solche verdeckte Öffentlichkeitsarbeit auch, weil sie zunehmend Schule macht, wobei Berner Linksradikale durchaus Massstäbe setzten – 2002 etwa, als Maskierte im «SonntagsBlick» erklärten, wie sie einen Kurden aus Ausschaffungshaft befreiten, oder 2003, als Vermummte den «Bund» in einem Reitschul-Hinterzimmer empfingen, um erstmals für den harten Kern von Berns Szene «bürgerlicher Presse» Auskunft zu geben. Einen ähnlichen Termin gabs in Zürich für das «Tages-Anzeiger»-Magazin, und dann, 2004, folgte in Zürich erstmals eine veritable Medienkonferenz von Vermummten; das «Revolutionäre Bündnis» militanter Anti-WEF-Aktivisten schaffte es so prominent ins «10 vor 10». 2005 entdeckte schliesslich auch bürgerliche PR die Tarnkappe: An einer Pressekonferenz von Schengen-Gegnern in Bern traten Polizisten vermummt auf – weil sie sonst Repressalien zu befürchten hätten; das ist die gleiche Begründung, mit der Antifas ihre Tarnung erklären.

3. Aufruf Skinhead-Block (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/03/39579.shtml)
SKINHEADS WALKING AGAINST RACISM AND FASCISM
Der Titel sagt es schon. Wir Skinheads marschieren am diesjährigen 7. Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern im eigenen Skinheadblock an vorderster Stelle mit. Wir mögen uns vermutlich vom Rest des Demonstrationszuges etwas unterscheiden. Und das sicher nicht nur optisch. Aber eines verbindet uns Teilnehmende: Wir ALLE sind hier um gegen Rassismus und rechtsextreme Gewalt ein Zeichen zu setzen! Es geht uns nicht nur darum, das hartnäckige Vorurteil Skinheads = Nazis zu korrigieren, sondern vor allem darum als Kollektiv ein klares Zeichen zu setzen. Es geht um uns selber als multikulturelle Menschen! Wir wollen keine politischen Extreme und somit auch keinen politischen Extremisten haben. Darauf können und müssen wir gut und gerne verzichten. Es liegt im Interesse aller Skinheads sich gegen solche extremistischen Entwicklungen zu stemmen und zu wehren.

Zu den einzelnen Punkten:
RASSISMUS
Kann nicht in diesem Kult herrschen da es ein pures Paradoxon wäre und die eigenen Wurzeln zu unserer Musik und Kultur verleugnen würde. Leider gibt es aber immer noch viel zu viele Boneheads denen gegenüber wir mit grösstem Widerstand und heftigstem Kopfschütteln begegnen. Wir haben mit euch nichts am Hut, mochten euch nie und wollen euch nicht!!!

POLITISCHE GEWALT
Politik ist im Prinzip allen ihre eigene persönliche Sache. In der Szene und im Leben der Skinheadkultur hat sie so gesehen nichts, aber auch rein gar nichts zu suchen! Geschweige denn haben Faschismus, wie auch andere politische Extreme, keine Gemeinsamkeit mit unserem Kult. Dazu sagen wir: Nein danke!!!
Für einmal alle gemeinsam gegen Rassismus und politisch motivierter Gewalt. Also Skinheads und Byrds steht auf und kommt am 1. April 2006 in Massen an den 7. Antifaschistischen Abendspaziergang nach Bern!
Notabene ohne der „AntiFa Aktion (Bern)“ welche schon beim letzt jährigen Abendspaziergang nicht mehr organisatorisch
mit dabei war. Also brecht nicht wieder solch sinnlose Diskussionen wegen denen vom Stapel!!!
Denn wir Skinheads zeigen Gesicht und stehen zu unserer Meinung! Wir wollen zeigen dass wir als Skinheads
antifaschistisch sind und darum wollen wir uns unmaskiert vor die Öffentlichkeit stellen! Wir werden friedlich Spazieren, keinen Riot und „Aggro“. Gewalt wird in unserem Skinheadblock nicht toleriert. Also lasst den Bovver zuhause und nehmt die Boots mit. Wir wollen einen lockeren, fröhlichen und feinen Abendspaziergang haben. Mit Musik und vielen gleich Gesinnten, nämlich antifaschistischen und antirassistischen!!!

I WANT ALL YOU SKINHEADS TO GET UP ON YOUR FEET!
Put your Braces together and your Boots on your Feet
And give me some of that ooooooooool‘ Mooonstomping



4. Stadtpolizist verschickt Gegendemo-Flyer (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/03/39595.shtml)
Polizist verschickt FDP-Flyer gegen Antifa: Untersuchung
Brisanter Vorfall zu den geplanten Demos vom 1. April: Ein Polizist verschickte einen JFDP-Flyer gegen den Antifa-Spaziergang. Die Stapo leitet eine interne Untersuchung ein.
Im Flyer verurteilen die Jungfreisinnigen der Stadt Bern den Antifa-Spaziergang vom 1. April scharf. Verschickt hat das Papier Sandro Hofer, Kassier der Jungfreisinnigen, Grossratskandidat – und Polizist. Besonders heikel: Hofer half als Polizist mit, nach Krawallen bei der Reitschule die Strafanzeigen zu bearbeiten.
«Er war am Rande dabei, als die Anzeigen entgegengenommen wurden», bestätigt Stapo-Sprecher Thomas Jauch.
Auch wenn er inzwischen nicht mehr in die Ermittlungen involviert ist, knüpfte der JFDPler dabei Kontakt zu einer Aktivistin und mailte ihr den Flyer zu. «Dies fand aber nicht im Rahmen meiner polizeilichen Arbeit statt», so Hofer. «Den Flyer habe ich als Privatperson und Mitglied der Jungfreisinnigen verschickt.»
Hofers Engagement für den Jungfreisinn finden auch seine Vorgesetzten unproblematisch. «Selbstverständlich dürfen sich unsere Polizisten in ihrer Freizeit politisch betätigen», sagt Jauch. Kritischer findet die Stapo aber anscheinend, dass sich Hofer im Flyer offenkundig mit der Antifa anlegt – zumal die Polizei den Abendspaziergang vom 1. April mit einem Grossaufgebot begleiten dürfte. «Ob sich der Versand des Flyers mit seinem Beruf vereinbaren lässt, wird intern geprüft», sagt Jauch.

5. Interview im Bund (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/03/39738.shtml)
Berns Antifas stellen sich erstmals unvermummt kritischen Fragen «bürgerlicher Presse»
Erstmals nach acht Jahren im Untergrund hat Berns Antifa-Bündnis zaghaft einen Schritt aus dem Dunkel ans Licht der Öffentlichkeit riskiert: Unvermummt empfingen drei Delegierte den «Bund». Sie gewährten Einblicke in ihre Strategie für Berns brenzligen Demo-Samstag.
Restaurant Du Nord, vorgestern Abend. Da sitzen sie nun also, zwei Männer und eine Frau, 21- bis 28-jährig, einer ist Monteur von Beruf, zwei arbeiten im Büro, eine Person ist akademisch gebildet. Ihre Namen sind der Redaktion bekannt (siehe dazu Kasten). Sie stellen sich freundlich als «Mediendelegierte» vom autonomen «Bündnis Alle gegen Rechts» (BAgR) vor – das damit erstmals seit seiner Gründung 1999 einen Journalisten der ihm so ganz und gar suspekten «bürgerlichen Presse» ungetarnt empfängt.
Für sie sei dieser Schritt gewagt, denn wer garantiere ihnen schon, dass der «Bund» ihre Namen nicht am Ende gar dem Staatsschutz zustecke, meinen sie – und lassen erkennen, dass sie diese Furcht allen Ernstes plagt. So wie sie – laut aktuellem Internet-Traktat des BAgR – durchaus ernsthaft glauben, dass sich Polizei, «systemtreue» Presse und «reaktionäre Parteien», ja im Zweifelsfall auch «die Staatslinke», in «einträchtiger Hetze» gegen sie verbündet hätten; «weil es sie stört, dass wir sie als Teil des Problems erkannt haben», und «weil sie unsere radikale Gesellschaftskritik stört».

«Spaziergang» im Nordquartier?
Keine Frage daher, dass sie am «Antifa-Abendspaziergang» kommenden Samstag unbewilligt marschieren würden – denn mit «Bullen» und Behörden gebe es keinen Dialog, und Meinungsäusserung bedürfe der Bewilligung nicht. Was nicht heisse, dass sie stur und verantwortungslos sehenden Auges in eine Eskalation rennen würden – ganz im Gegenteil sogar: Sie wollten «De-Eskalation», seien bereit, hierfür Maximalpositionen aufzugeben, Berns Polizei einen Schritt entgegenzukommen. Polizeikommandant Daniel Blumer hatte letzte Woche den Tarif durchgegeben: «Ohne klare Vereinbarung wird es keine Demo in der Innenstadt geben.» Darauf antworten die Antifas nun mit einem Schachzug, der beiden Seiten eine Kompromisseinigung ohne Gesichtsverluste erlauben soll. So will die Antifa von sich aus weitgehend auf Innenstadt-Präsenz verzichten, ins Nordquartier ausweichen – in der Annahme, es damit Berns Polizei zu ermöglichen, ihren «Abendspaziergang» auch unbewilligt laufen zu lassen.

Seilziehen bis zur letzten Minute
Stapo-Infochef Franz Märki bestätigt den Eingang einer E-Mail, in dem das BAgR erklärt, via Spitalgasse, Zeughausgasse und Kornhausplatz über die Aarebrücke und von dort via Breitenrain und Lorraine zur Reitschule ziehen zu wollen. Die Polizei macht den Antifas indes wenig Hoffnungen, dass darauf eingegangen werde. «Es ist dies keine vorgeschlagene, ja schon gar keine ausgehandelte Route mit der Vereinbarung von klaren Regeln», so Märki gestern auf Anfrage. «Und das ist natürlich auch kein Dialog.»
Dies wiederum ficht die Antifas nicht an: Sie setzen im Seilziehen auf Erfolg in letzter Minute – dank demselben Kalkül, das sich für sie schon letztes Jahr bewährt hat: Im buchstäblich letzten Moment erst, vor Ort, als sich Polizeigrenadiere und behelmte Autonome drohend gegenüberstanden, verständigten sich Stadtpolizei-Offiziere und Antifa-Vermummte auf einen Modus operandi – und die Menge konnte unbewilligt auf einer Route durchs Länggassquartier demonstrieren.

Neonazi-Aufmarsch drohe nicht
Und wenn die Polizei ihre Demo diesmal nicht laufen lässt? – Auch für den Fall einer Einkesselung seien sie vorbereitet; wie, das könnten sie aber nicht verraten, so die drei. Jedoch, nur die Ruhe! Selten werde so heiss gegessen wie gekocht – sie jedenfalls hätten das Gefühl, dass es gut kommen werde; die Zeichen stünden auf Deeskalation. Dies umso mehr, als der in einigen Medien aufgebauschte Aufruf zu einer Gegendemonstration am gleichen Abend nicht ernst zu nehmen sei; kein einziges Rechtsradikalen-Forum liefere Anhaltspunkte für eine solche Mobilisierung, auch werde ein einschlägiges Konzert in Zürich die rechte Szene stark absorbieren.
Und zweitens, beteuert das Trio, werde der aus der Autonomenszene rekrutierte «Demoschutz» Ordnerfunktion wahrnehmen, um ihre Kundgebung gegen Provokateure auch von innen zu schützen, etwa auch unsichere Kantonisten im Zaum zu halten. Auch werde für alle Fälle eine Demo-eigene Sanität im Einsatz stehen, versichern sie.

Nur keine Bange, besorgte Eltern
Als Veranstalter fühlten sie sich sehr wohl verantwortlich – gerade auch für die vielen sehr jungen Teilnehmenden. Seit Jahren mahnten sie Jugendliche, strikt nüchtern zu erscheinen, und auffällige, verängstigte und hilfebedürftige Teenies würden gut betreut – und wo Aktivisten überfordert seien, rufe man natürlich professionelle Hilfe. Sie wüssten, dass dieser Tage zahlreiche Eltern, deren Halbwüchsige an den «Abendspaziergang» wollten, in Sorge seien – diesen Eltern würden sie raten, diesen Wunsch ernst zu nehmen, jedoch zu fragen, warum das Kind an die Demo wolle. Dies übrigens liege im Interesse der Antifa, denn diese sei interessiert an Teilnehmenden, die für die Inhalte stünden, nicht an solchen, die es «einfach geil» fänden. Antifa wolle kritische Menschen, die handeln, hier und jetzt. Übrigens seien auch Eltern herzlich eingeladen.

Friedensflöten – Gewaltphrasen
Hört, hört – da flöten Antifa-Autonome, dass man schier meinen könnte, der «Abendspaziergang» werde von einer Kirchenjungschar organisiert. Und ja, zumindest den dreien im «Du Nord» ist man hehre ethische Werte abzukaufen bereit; ihr Idealismus wirkt nicht aufgesetzt, und sie, die sich in BAgR-Mission sonst vermummen, machen Auge in Auge keineswegs den Eindruck abgebrühter Schwarzblock-Zyniker, sondern den von sensiblen Menschen mit grossem Ernst.
Das tut wohl. Allein, wie verträgt sich dies mit der militanzverherrlichenden Antifa-Agitation und der entsprechend flexiblen Handhabung der «Gewaltfrage»? Mit der an Guerillero-Ästhetik gemahnenden «Videobotschaft» aus dem Untergrund etwa, die Anfang März Bern irritierte (siehe Bild)? Mit Kampfparolen wie «Antifa heisst Angriff» oder «Seit Auschwitz ist antifaschistische Gewalt immer Notwehr» – erst recht mit dem unverhohlenen Gewaltaufruf «Bei Naziterror nicht nur wegschauen… auch mal zuhauen»? – Na ja, klären die drei auf, «Angriff» meine nur angriffige Haltung, der «Notwehr»-Slogan sei «zugegebenermassen ja schon ein wenig polemisch», solle aber gleichfalls nicht Gewalt rechtfertigen. Das «Zuhauen»-Sujet sei in der Tat «wohl etwas grob» geraten, aber immer noch nicht als Aufruf zu Angriffsgewalt gemeint. Antifas, müsse man nämlich wissen, gingen einzig zur Verteidigung gewalttätig vor. Im Übrigen komme linke Gewalt in Bern ja in letzter Zeit ohnehin nur noch selten vor.

Gewalt – von Agitation zu Aktion
Ah ja? Und was ist mit den am 24. Februar wie auch schon zuvor verübten Angriffen auf Polizisten bei der Reitschule, von denen die Polizei weitere erwartet? – Diese hätten mit ihnen wirklich rein gar nichts zu tun, sagen sie, das seien hirnlose Aktivitäten völlig unpolitischer Jugendlicher. Bei einem Coiffeur das Schaufensterglas einzuwerfen sei kaum politisch erklärbar, und bei einem fahrenden Polizeiauto die Frontscheibe zu zertrümmern sei für Insassen sehr gefährlich, so etwas fänden sie selber verwerflich, so die BAgR-«Mediendelegierten».
Und der Mob von vermummten Antifa-Schlägern, der am 17. Februar bei der Reithalle drei angebliche Rechtsradikale verprügelte? Der geht ja doch unzweifelhaft aufs Antifa-Konto, oder? – Auch dies sei keine Aktion des BAgR gewesen, wenn auch zutreffe, dass das BAgR die Täter kenne und sie decke; die Polizei werde es schwer haben, Täter zu ermitteln. Auch das BAgR sei jedoch wenig erbaut, wie diese Sache gelaufen sei: Zwar sei sonnenklar, dass Rechtsextremisten in der Reitschule keinen Platz hätten, in der Tat könne man sich aber übers Vorgehen streiten – und sie hätten denn auch Vorkehrungen getroffen, damit es künftig anders laufe.

«Linke zerstritten, seit es sie gibt»
Das auffallende Bemühen des Antifa-Trios um vertrauensbildendes Auftreten ist auch vor dem Hintergrund der aktuellen Bedrängnis der Antifas zu bewerten – denn das BAgR ist im achten Jahr seines Bestehens nicht zuletzt in der Szene selber auch umstritten. Eine Beobachtung, die das Trio nicht bestreitet. Sie kämen von mehreren Seiten unter Druck, aber das seien sie gewohnt, «die Linke ist zerstritten, seit es sie gibt». Es gebe Kräfte, die das BAgR als «Weicheier» kritisierten, weil es bereits zu viele Konzessionen mache, und Leute, die es als dogmatisch-stur schmähten und für bewilligtes Demonstrieren einträten. Zudem gebe es Differenzen mit Auswärtigen: Berns «Demoschutz» etwa werde im Schwarzen Block in Zürich kritisiert, und auch in Genf sei die Demo-Kultur «weniger gemütlich als in Bern». Unter Druck stehe das BAgR aber auch, weil vieles, was es zustande bringe, nicht honoriert werde. So sei es vor drei Jahren keineswegs einfach gewesen, erfolgreich durchzusetzen, dass am «Spaziergang» nicht mehr gesprayt wurde; die Kreide-Kritzelei als «harmlose Alternative» sei indessen nicht gewürdigt worden.

Von der Freiheit, die sie meinen
Allerdings: Die Toleranz, die die Antifa-Linksradikalen für sich einfordern, lassen sie umgekehrt selber komplett vermissen, sobald es um Rechtsradikale geht. Dass man ihnen, die sie auf Bewilligung und Dialog nur höhnisch pfeifen, förmlich nachrennt und ihnen goldene Brücken baut, derweil umgekehrt eine NS-Partei wie die Pnos jahrelang landauf, landab brav Bewilligungsgesuche einreicht, aber noch nie bewilligt demonstrieren konnte, finden die drei Antifas «super». So wie sie finden, dass die Pnos von den bernischen Grossratswahlen ausgeschlossen sein sollte. Grund: Nazis seien antisemitisch, antidemokratisch und gewalttätig gegen Minderheiten – so einfach sei das.
Sie dagegen wollten Demokratie, mehr gar, «herrschaftsfreie Gesellschaft». Und so würden sie am «Abendspaziergang» nicht nur gegen Faschismus marschieren, sondern gegen Kapitalismus, Neoliberalismus, Imperialismus, Neokolonialismus, Nationalismus, Militarismus, Sexismus… und was da der üblen Ismen mehr sind. Und wann setzen sie die nun sachte begonnene Entmummung beherzt fort, wagen als Demokraten ganz normale Pressekonferenzen? – Hmm, mal sehn, antworten sie. Allein der unvermummte «Bund»-Termin sei ja doch schon «ein kleines Wunder». Man werde gescheiter nichts überstürzen. Auf «Subito»-Parolen setzen sie hier für einmal lieber nicht.

Kasten:
«Ein kleines Wunder»
Dass sie sich erstmals ungetarnt «bürgerlicher Presse» stellten, sei «ein kleines Wunder», so das Trio.
Am 22. Februar gelangte das linksautonome «Bündnis Alle gegen Rechts» (BAgR) via AnonymMail an den «Bund», um sich verlauten zu lassen. Die Redaktion antwortete, sie trete auf verdeckten Austausch mit Vermummten nicht ein, jedoch stehe einem Gespräch «Auge in Auge» nichts entgegen. Am 3. März liess das BAgR wissen, dass ein Treffen erwogen werde, und «nach langen Diskussionen» zeigte es sich am 16. März zum Gespräch mit drei seiner Leute bereit – erstmals unvermummt, darüber hinaus allerdings anonym. Der «Bund» erklärte, dies genüge nicht, zumindest der Redaktion selber müsse die Personenidentität überprüfbar bekannt sein – darunter laufe nichts. Am 23. März, wiederum «nach reiflicher Überlegung», trat das BAgR darauf ein und entsandte drei «Mediendelegierte», die am 27. März abends an einem ruhigen Tisch im Restaurant du Nord Auskunft gaben. Um sich ihrerseits gegen «Verfälschung» abzusichern, zeichneten sie das Gespräch auf Tonband auf. (rg)

6. Bilder (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39860.shtml, http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39871.shtml, http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39884.shtml & http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39877.shtml)


7. Communiqué (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39900.shtml)
Stellungnahme des Bündnis alle gegen Rechts zum verhinderten 7. Antifaschistischen Abendspaziergang vom 1. April 2006
Trotz der massiven Hetze und Drohungen im Vorfeld haben sich 1800 Leute bei der Heiliggeistkirche eingefunden um gegen Faschismus zu demonstrieren. Die Polizei war mit einem absolut unverhältnismässigen Aufgebot vor Ort präsent und blockierte die vorgesehene Demoroute, welche ihr im Vorfeld mitgeteilt worden war. Nachdem sich die Polizei vor Ort weigerte, den Abendspaziergang auch nur kurz durch die Innenstadt laufen zu lassen, entschieden wir uns dazu, die Demo zu wiederholen und verbreiteten über Lautsprecher und Flugblätter folgende Nachricht:

„Liebe AntifaschistInnen, liebe GenossInnen, die Bullen wollen uns nicht laufen lassen, weil wir der Meinung sind, dass Antifaschismus keine Bewilligung von Polizei und Behörden braucht. Wir werden uns aber nicht in die Knie zwingen lassen! Wir werden uns jetzt geschlossen in die Reitschule zurückziehen und dort noch ein wenig feiern. Den 7. Antifaschistischen Abendspaziergang wiederholen wir nächste Woche. So müssen die Bullen ihr Grossaufgebot nächste Woche wieder aufbieten. Das hat für sie grosse Kosten und Überstunden zur Folge – ein konstruktiver „Sachschaden“ sozusagen…
Wenn wir uns nicht spalten lassen und Demos, die sie nicht laufen lassen, einfach wiederholen, werden sie an ihrer eigenen Kosten-Nutzen-Logik scheitern. Denn eine Stadt, die es nicht einmal fertig bringt, einen Schwarm Saatkrähen zu vertreiben, wird uns Antifas erst recht nicht los!
Das funktioniert aber nur, wenn wir uns jetzt nicht auf ihre Provokationen und auf ihre Eskalationslogik einlassen und ihnen keinen Anlass für einen Angriff auf unsere Demo geben und damit verhindern, dass sie ihr unverhältnismässiges Vorgehen und Aufgebot rechtfertigen können!
Auf dass sie sich an unserem Widerstand die Zähne ausbeissen: Geduld und Hartnäckigkeit sind die Tugenden der AntifaschistInnen!
Kraah, Kraah – Antifa!
Heraus zum 7.1. Antifaschistischen Abendspaziergang in Bern, 8.April 2006, 20:30 Uhr, Heiliggeistkirche
Euer Bündnis Alle gegen Rechts“
Die grosse Mehrheit der DemoteilnehmerInnen folgte unserem Aufruf und zog sich friedlich in die Reitschule zurück. Einige wenige konnten sich jedoch nicht mit der neuen Taktik abfinden und liessen ihrem Frust freien Lauf.
Wir wollen an dieser Stelle festhalten, dass die Berner Behörden, die ein
Bewilligungsverfahren schwerer gewichten als die Ausübung von Grundrechten, und die Polizei mit ihrem Verhalten (Routenverweigerung, Grossaufgebot und Absperrungen in unmittelbarer Nähe der Demo, sowie Verhaftungen im Vorfeld der Demo) diese Ausschreitungen mitverschuldet haben.

Wir wollen jedoch nicht abstreiten, dass einige der DemoteilnehmerInnen aus politischen Motiven handelten, als sie die Polizei angriffen.
Den Leuten allerdings, welche unter anderem die ersten Sachbeschädigungen begingen und bei der Speichergasse die Polizei angriffen, ging es allerdings nicht um die verhinderte Demo oder um politische Inhalte, wie ihr Verhalten und die absolut willkürlichen und kontraproduktiven Sachbeschädigungen zeigen. Bei ihnen handelt es sich um die selben Leute, die für die völlig unverständlichen Ausschreitungen um die Reitschule und für diverse Übergriffe auf ReitschulaktivistInnen verantwortlich sind. Wir distanzieren uns ausdrücklich von dieser Gruppe, ihrem untragbaren Verhalten und diesen kontraproduktiven Sachbeschädigungen.
Unser Konzept basierte darauf, dass sich die DemoteilnehmerInnen nicht auf die Provokationen und auf die Eskalationslogik von Polizei und Behörden einlassen und – wie in den vergangenen Jahren – selbstdiszipliniert zur Reitschule gehen würden. Denn so wäre es unser Meinung nach möglich gewesen, der zunehmenden Repression gegen Demonstrationen der ausserparlamentarischen Linken endlich eine Strategie entgegenzusetzen.

Die Ausschreitungen vom vergangenen Samstag haben im Bündnis Alle gegen Rechts lange Diskussionen ausgelöst, denen weitere folgen werden. Dies wird Zeit in Anspruch nehmen.
Das Bündnis Alle gegen Rechts ist vor diesem Hintergrund nicht mehr bereit den 7. Antifaschistischen Abendspaziergang zu wiederholen.
Wir bitten alle, die sich auf die Wiederholung / Durchführung des 7. Antifaschistischen Abendspaziergangs gefreut haben, um Verständnis.
Allen, die mithelfen wollten, unser Konzept umzusetzen und uns auch in diesem Jahr wieder unterstützt haben, wollen wir an dieser Stelle ein weiteres Mal herzlich danken!
Aber keine Angst, der Kampf geht weiter, denn Geduld und Hartnäckigkeit sind die Tugenden der AntifaschistInnen!
Bündnis Alle gegen Rechts

8. Medienberichte (Originalquellen: http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39900.shtml & http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39884.shtml)
-Bernerzeitung:
Hundert Randalierer verwandelten den antifaschistischen Abendspaziergang in einen Saubannerzug.
Die Organisatoren der Demo distanzieren sich von den Chaoten und überlegen, ob und wie weiterspaziert wird.
Das Konzept der Demoorganisatoren ist nicht aufgegangen. Das Bündnis Alle gegen Rechts hatte am Samstagabend mitgeteilt, der Abendspaziergang werde um eine Woche verschoben. Via Lautsprecher forderte es die 1000 Demonstranten auf, diszipliniert von der Heiliggeistkirche zurück in die Reitschule zu spazieren. Doch aus dem Spaziergang wurde ein Saubannerzug. Rund 100 Randalierer scherten aus und richteten im Bollwerk Schäden von 100 000 Franken an. Der demoeigene Ordnungsdienst war überfordert.

Das Bündnis zeigt sich tags darauf von den Randalierern überrascht. «Wir distanzieren uns ausdrücklich von dieser Gruppe, ihrem untragbaren Verhalten und diesen kontraproduktiven Sachbeschädigungen», heisst es in einem Communiqué. Man wolle das Geschehene erst einmal überdenken und verzichte deshalb auf die Wiederholung des Abendspaziergangs am Samstag.
Ganz und gar nicht überrascht sind dagegen erfahrene Demoorganisatoren. Sie schimpfen das Bündnis «naiv». Es sei klar gewesen, dass gewaltbereite Demonstranten – insbesondere aus Zürich – nicht bereit sein würden, einfach nachzugeben und wieder nach Hause zu gehen. Mit militanten Störern hätte die Antifa am Samstag darum unbedingt rechnen müssen.
Die Stadtratsparteien dagegen üben sich in Zurückhaltung. Obwohl in der Samstagnacht Molotovcocktails gegen Polizisten flogen und laut Polizeisprecher Franz Märki beinahe ein Beamter «als brennende Fackel rumgerannt» wäre, blieben die Reaktionen weit gehend aus. Lediglich drei Jungparteien liessen sich verlauten. Die Junge SVP und die Jungfreisinnigen verurteilten die Ausschreitungen in scharfem Ton. Die Junge Alternative distanzierte sich ebenfalls von den Krawallmachern. Ihre Kritik gilt aber vorab dem «übertriebenen Polizeiaufgebot». Die «flächendeckende Präsenz der Uniformierten» habe nämlich die ohnehin schon angespannte Stimmung «zusätzlich aufgeheizt».
Alles in allem scheint der Vorfall das politische Bern nicht gross zu berühren. Mit unerklärlicher Leichtigkeit nimmt man von dem Vorfall Notiz. Eine Aufarbeitung scheint in der demoerprobten Bundesstadt nicht Not zu tun.

Die Antifa will nicht mehr
Anders im Bündnis Alle gegen Rechts. Dort haben die Krawalle «lange Diskussionen ausgelöst». Die Aufarbeitung werde noch «einige Zeit in Anspruch nehmen», liess das Bündnis die Medien wissen. Tatsächlich wird im Bündnis schon lange über die Gewaltfrage diskutiert. Die Kerngruppe selbst, die Antifa Bern, stellte wegen der Gewalttätigkeiten schon 2004 die Zukunft der Abendspaziergänge in Frage. Die Demos hätten sich in eine Richtung entwickelt, die kaum noch dazu geeignet sei, Inhalte zu vermitteln, liess die Antifa damals verlauten. «Wir wünschten uns einen bunteren und breiter abgestützten Abendspaziergang, der mit weniger martialischem Auftreten auskommt», schrieb sie. Da eine Öffnung und Erneuerung nicht mehrheitsfähig sei, trete sie aus dem 1994 gegründeten Bündnis zurück.
Die Frage ist, wie viele Gruppierungen dem Bündnis nach den jüngsten Ereignissen den Rücken kehren. Ein Blick auf die einschlägigen links-autonomen Internetseiten lässt vermuten, dass es einige sind.

-Bernerzeitung: Krawalle vor der Reitschule
Die Polizei hat am Samstagabend in Bern mit einem Grossaufgebot den 7. «antifaschistischen Abendspaziergang» verhindert. Trotzdem kam es später zu massiven Ausschreitungen mit Sachschaden von rund 100 000 Franken; 72 Personen wurden vorübergehend festgenommen.
Die Berner Stadtpolizei hatte den «Spaziergang» nach Absprache mit dem Gemeinderat von Anfang an unterbunden, weil im Vorfeld kein Gesuch eingereicht worden und damit «keine vertrauensbildende Grundlage für eine friedliche Kundgebung» zu Stande gekommen war, wie sie am Sonntag mitteilte.
Zum «Spaziergang» aufgerufen hatte das Bündnis Alle gegen Rechts. Zu der von einer Gruppierung der rechten Szene angekündigten Gegendemonstration erschien nach Polizeiangaben niemand.
Die Stadtpolizei, unterstützt von Korps des Nordwestschweizer Polizeikonkordats und einem Detachement aus Luzern, riegelte die Zugänge zur Innenstadt ab und kesselte die rund 1000 Demonstranten in der Nähe des Bahnhofs ein.
Wie die Innerstadt war der Bahnhof zeitweise nur über grosse Umwege erreichbar, was bei etlichen Reisenden für Unmut sorgte. Wie viele Polizisten insgesamt im Einsatz standen, will die Stadtpolizei nichts sagen.
Um 21.15 Uhr riefen die Demo-Organisatoren zum Rückzug ins nahegelegene Kulturzentrum Reitschule auf. Mit einem friedlichen Rückzug wolle man das riesige Polizeiaufgebot ins Leere laufen lassen, wurde via Lautsprecher mitgeteilt. Die Polizei liess die Menge passieren.
Friedlich war der Rückzug dann aber nur zum Teil. Einige der Demonstranten bewarfen die Polizei mit Molotow-Cocktails, Feuerwerkskörpern, Flaschen, Steinen und Dohlendeckeln. Schaufenster und Glastüren wurden eingeschlagen, Bretter angezündet und Wände versprayt. Der Sachschaden beläuft sich auf etwa 100 000 Franken.
Erst gegen Mitternacht beruhigte sich die Lage, und die Polizei zog sich zurück. Verletzt wurde bei den Krawallen niemand. Die Polizei nahm 72 Personen fest. Am Sonntag befanden sich alle wieder auf freiem Fuss.

-Blick: „BERN – Das war alles andere als ein «Abendspaziergang»:
Die nicht-bewilligte Demonstration von Links-Autonomen gegen Faschismus in Bern artete gestern Abend in massiven Krawallen aus.
Rund 700 Personen hatten sich gemäss Polizeiangaben bei der Heiliggeistkirche zu einem «Antifaschistischen Abendspaziergang» getroffen. Vorsorglich hatte die Polizei die Zugänge zur Innenstadt bereits abgesperrt. Das stiess den Teilnehmern der nicht-bewilligten Demo sauer auf: Sie warfen Steine, Flaschen und Knallkörper gegen die Polizeisperre. Die Beamten setzten darauf wiederholt Gummischrot, Tränengas und Wasserwerfer ein.
Die Situation beruhigte sich erst gegen Mitternacht. Begleitet von vereinzelten Scharmützeln zogen sich die Demonstranten dann in Richtung Reithalle zurück und beschlossen, den siebten «Aantifaschistischen Abendspaziergang» durch die Berner Innenstadt auf nächste Woche zu verschieben.
72 Personen, darunter 22 Jugendliche, wurden im Lauf der Nacht verhaftet. Die Festgenommenen werden wegen Gewalt und Drohung gegen Beamte, Sachbeschädigung, Verstoss gegen das Waffen- und Betäubungsmittelgesetz sowie Landfriedensbruch angezeigt. Die Polizei stellte eine Hochleistungsschleuder, Messer und Pfeffersprays sicher.
Der Sachschaden durch beschädigte Fahrzeuge, Schaufenster und Telefonkabinen sowie Sprayereien beläuft sich auf über 100’000 Franken. Die Innenstadt blieb vor Schäden verschont.
Zur Demonstration hatte das Bündnis «Alle gegen Rechts» aufgerufen. Laut Polizeimitteilung waren die Voraussetzungen für eine friedliche Kundgebung nicht erfüllt. Die Organisatoren im Vorfeld nicht auf Gespräche eingetreten.“

9. Armeeseinsatz bei Demo (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2006/04/39964.shtml)
Antifa-Aufruhr am Bollwerk: Militante greifen an, Polizeigrenadiere geben zurück, Flammen lodern in den Himmel – an dem unablässig ein Super-Puma-Helikopter der Luftwaffe im Tiefflug kreist. An den Steuerknüppeln sitzen Armeepiloten, über Funk geführt von einem Stapo-Fachmann, einem geschulten Flugeinsatzleiter, der auch der Antiterror-Elitetruppe Stern angehört. Der Heli erfasst mit Infrarotkamera Personenbewegungen am Boden, sendet die Bilder live in die Polizeieinsatzzentrale, wo die militärische Luftaufklärung in die Regie des Fronteinsatzes einfliesst.

Kritik auf Bundesebene an Bern
Dort, an der Bollwerk-Front, bilden Grenadierkordons mit Gitterfahrzeugen und Wasserwerfer einen Polizeikessel, um die Randale zu ersticken – und gleich hinter der Polizeikette, beim Bahnhof, stehen aufgereiht Militärfahrzeuge, feldbraune «Duros», die der Polizei als Mannschaftstransporter dienen. Es sind übrigens nicht irgendwelche «Duros», wie sie jeder WK-Soldat kennt – sondern extra für Ordnungsdienst zugeschnittene Modelle, wie sie auch im ernstesten Demo-Ernstfall Verwendung finden würden: wenn das Militärpolizeibataillon zur Aufruhrbekämpfung in der Stadt auffahren würde.
Der Armeeheli-Einsatz am «Antifa-Abendspaziergang» hat nun in Bundesbern Kritik ausgelöst. Die Präsidentin der Sicherheitspolitischen Kommission des Nationalrats, Barbara Haering Binder (sp, ZH), zeigte sich gestern auf Anfrage von Schweizer Radio DRS beunruhigt, weil «subsidiäre Einsätze der Armee für die Polizei zum Alltag werden» – und Hanspeter Thür, der Datenschutzbeauftragte des Bundes, meinte, dass es spätestens «bei systematischen Überwachungen heikel wird». Kritik an der militärischen Luftaufklärung für die Stapo übte im Gespräch mit dem «Bund» auch der Präsident des Schweizerischen Polizeibeamtenverbandes, Heinz Buttauer (vgl. Text unten).

Seit 2004 Praxis – jetzt Politikum
Dabei ist die Praxis keineswegs neu – schweizweit erst recht nicht, aber auch in Bern nicht: Nachdem Berns Stapo erstmals beim Papstbesuch 2003 von Armeeheli-Kundschaftern profitiert hatte, stiegen Super-Pumas in der Folge auch bei zwei Demonstrationen auf – so letzthin bei den bewilligten Anti-WEF-Protesten im Januar in Bern und in Basel, wie Stapo-Infochef Franz Märki auf Anfrage bestätigte.
Bereits seit über zwei Jahren ist in Bern eine schleichende Militarisierung ausgerechnet im ohnehin schon heiklen Demo-Umfeld festzustellen. Am «Antifa-Abendspaziergang» 2004 fielen erstmals Militärautos als Mannschaftstransporter auf – was von Demonstrierenden als Provokation empfunden wurde. Die damalige Polizeidirektorin Ursula Begert sagte, sie sei «selber nicht glücklich» darüber, denn Armeeautos an Demos finde sie unnötig provozierend – an der Praxis ihrer Polizei änderte die Kritik Begerts freilich nichts. Aufs Tapet kam die Sache sodann 2005 im Stadtparlament, als nach den Anti-WEF-Protesten SP und Linksgrüne forderten, der Armeefahrzeugeinsatz sei politisch zu klären – ein Anlauf, der aber genauso versandete. Anders als Begert sah die neue Polizeidirektorin, Barbara Hayoz (fdp), auch keinen politischen Klärungsbedarf – denn, so Hayoz, auf die Armeeautos angesprochen: «Wie die Polizei ihr Mandat operativ ausübt, entscheiden die Einsatzkräfte», die Politik gebe nur den Rahmen vor.

Politik überlässts den Praktikern
Es liegt in der Natur der operativen Ebene, dass Praktiker vor allem nach Praktikabilität fragen, weniger nach politischen Empfindlichkeiten, und so sahen Berns Polizeipraktiker auch kein Problem darin, mit Militärkastenwagen an Demo-Fronten zu rasseln: Zugegeben, es möge «schon etwas heikel» sein, so Märki, aber die Polizei habe bei erheblich gesteigertem Transportbedarf zu wenig Fahrzeuge, und statt für teures Geld etwa Mietfahrzeuge einzusetzen, liege es doch nahe, Armeewagen zu nutzen, erst recht, wenn diese nicht nur günstig seien, sondern sogar noch besonders für den Ordnungsdienst ausgerüstet.
Nutzenorientert beurteilt Märki denn auch jetzt den Einsatz von Luftwaffe-Helis zur Überwachung von politischen Demonstrationen. Der Polizei fehlten solche Mittel, und wenn diese beim Bund zu haben seien, und erst noch gratis, da bisher der Stadt nie Rechnung gestellt worden sei, liege es doch auch nahe, nicht abzulehnen, so Märki.
Beim Militärdepartement spielt man den Ball an die Stadt zurück: Nicht das Militär suche hier neue Aufgaben, vielmehr habe die Stadt Hilfe gesucht, so VBS-Sprecher Sebastian Hueber – und wo alle nötigen Kriterien erfüllt seien, helfe die Armee eben – ob mit Helis, ob mit Duros, ob anderswie. Inwieweit es politisch-psychologisch opportun sei, just an Antifa- oder Anti-WEF-Demonstrationen gut sichtbar Militärmaterial einzusetzen, will Hueber nicht diskutieren; dies sei eine politische Frage, die die Stadt selber beantworten müsse. Womit sich der Kreis schliesst: Denn weil die Stadtpolitik die Frage faktisch der operativen Ebene zuordnet, ist es letztlich die Stapo-Abteilung für Planung und Einsatz, die darüber befindet. Immerhin, deren Chef sei sich «der Problematik schon auch bewusst», schob Märki gestern – unter Eindruck des plötzlich inflationären Medieninteresses – nach.

«Polizeimilitärische Besetzung»
Pikant ist, dass Militärmaterial wie die «Duros» bei Demos mit betont armeekritischem bis offen militärfeindlichem Publikum oft zum Einsatz gekommen ist, so an Anti-WEF- und Antifa-Aufmärschen. Deren linksradikale und anarcho-autonome Teilnehmende sehen sich durch die augenfällige Militarisierung der Atmosphäre mithin in Feindbildern und damit in ihrer Radikalisierung bestätigt. So wurde «die polizeimilitärische Besetzung Berns» 2005 gezielt von WEF-Gegnern für Propaganda verwertet – was gerade in Berns Linksszene auf fruchtbaren Boden fiel, denn in diesen Kreisen wird mitunter geradezu allergisch reagiert, wenn zur Polizei auch noch die Armee als repressiv erlebte Staatsgewalt hinzukommt: So ging etwa die Autonome Gassenküche alarmiert an die Öffentlichkeit, nur weil eine ihrer Strassenaktionen nicht nur von Polizei, sondern auch von Soldaten observiert wurde; sogleich wurde Feldschulung für innere Einsätze vermutet – dabei waren es Militärpolizei-Praktikanten in einem Stapo-Stage. Drei Monate vorher aber waren tatsächlich zwei Armee-Fachoffiziere in Zivil frohgemut in die Reitschule spaziert – mit höflicher «Empfehlung an die Antifa-Bewegung» . . . zwecks Recherche für ein Lehrmittel für Soldaten im Subsidiäreinsatz bei Demonstrationen.

«Das Militär hat hier nichts verloren»
Der Armeehelikopter an der «Antifa-Demo» vom letzten Samstag passt ins Bild der neuen Schweizer Armee. Diese empfiehlt sich immer mehr als Sicherungsarmee, die den zivilen Behörden in ausserordentlichen Lagen zu Hilfe eilt. «Schützen, bewachen und überwachen»: So pflegt Verteidigungsminister Samuel Schmid das aktuelle Kerngeschäft der Armee zu umschreiben. Denn der klassische Verteidigungsfall gilt auf Jahre hinaus als äusserst unwahrscheinlich.
Die Armee, die sich in der inneren Sicherheit ausbreitet: Heinz Buttauer, Präsident des Verbandes schweizerischer Polizeibeamter, ist ein scharfer Gegner dieser Entwicklung. «Das Militär hat in der inneren Sicherheit prinzipiell nichts verloren.» Buttauer kritisiert die Vermischung von äusserer und innerer Sicherheit. Das Gewaltmonopol müsse beim Staat bleiben – und dieser habe das Monopol für die innere Sicherheit an die Kantone delegiert und nicht an die Armee. Der oberste Vertreter der Schweizer Polizisten hält die «Einmischung der Armee in die innere Sicherheit» für bedenklich.

Kein Verständnis für die Berner
Zum aktuellen Fall der «Antifa»-Demonstration vom Samstag sagt Buttauer: «Ich sehe nicht ein, warum es einen Armeehelikopter gebraucht hat, um die Bewegung einzelner Personengruppen zu beobachten. Die Polizei in Bern verfügt über genug Logistik und Erfahrung, um ohne Bilder aus der Luft auszukommen.» Er wisse, dass der Helikopter auf Wunsch der Polizei zum Einsatz gekommen sei. Wenigstens hätte laut Buttauer ein für Flüge ausgebildeter Einsatzleiter der Polizei mitfliegen müssen – «um absolut sicherzugehen, dass die Aufnahmen nicht in militärische Hände geraten.» Denn eine Demonstration und ihre Bewältigung seien nun einmal eine «klar zivile Angelegenheit».

Auch der Datenschützer warnt
Die Frage der Kontrolle stellt sich laut Buttauer auch bei Einsatz von Armeedrohnen für zivile Zwecke. Drohnen sind unbemannte Miniflugzeuge, die aus einer Höhe von bis 3000 Metern alle Bewegungen von Menschen und Fahrzeugen registrieren und die Bilder laufend zur Bodenstation funken. Für Schlagzeilen gesorgt hat der Fall, als eine Drohnenkamera in einem Wald im Luzerner Hinterland verdächtige Vorfälle beobachtete, die Armee sofort die Polizei informierte – und diese zwei Männer beim Cannabiskonsum ertappte und festnahm. «Dass darf doch nicht sein, dass die Armee Kiffer jagt», sagt Buttauer. Generell erklärt er: «Wir wissen nicht, was beobachtet wird und was mit den Informationen geschieht.» Für den Drohneneinsatz der Armee für zivile Zwecke brauche es deshalb endlich eine klare gesetzliche Grundlage.
Das fordert auch ein hängiger Vorstoss im Nationalrat, und das verlangt ebenfalls der eidgenössische Datenschutzbeauftragte Hanspeter Thür. Hintergrund ist der Wunsch des Schweizer Zolls, die Grenze mit Drohnen überwachen zu lassen, um leichteres Spiel gegen Schlepper und Schmuggler zu haben. Die notwendigen Tests hat das Grenzwachtkorps zusammen mit der Armee schon abgeschlossen. Ein Abkommen zwischen den beiden regelt den unentgeltlichen Einsatz während mehrerer hundert Stunden im Jahr. Aber wegen der ungeklärten Gesetzesfragen ist das Vorhaben noch blockiert. Auch für die Fussball-EM 2008 wünschen sich die Sicherheitsverantwortlichen den Einsatz von Drohnen – um die «Zusammenrottung von Hooligans» schneller zu erkennen.
Buttauer streitet nicht ab, dass Drohnenaufnahmen gewisse Vorteile bringen: «Der Nutzen ist aber begrenzt.» Vor allem stehe er in einem schlechten Verhältnis zu den hohen Kosten. Weil die Armee «militärisch gesehen ein Tätigkeitsproblem» habe, preise sie jetzt die «militärische Infrastruktur» den zivilen Behörden an. Er verstehe das, doch die zivilen Behörden seien deswegen nicht von der Pflicht entbunden, dafür zu sorgen, dass sie wenigstens volle «Kontrolle über die Informationen» behalten.