2016,  Demo,  Repression

Spontandemo gegen Kostenbeteiligung an Demonstrationen

Inhalt:
1. Entscheid Grosser Rat
2. Communiqué
3. Medienbericht

1. Aufruf (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/region/kanton-bern/demonstranten-sollen-kosten-fuer-polizeiaufgebot-bezahlen/story/17781364)
Demonstranten sollen Kosten für Polizeiaufgebot bezahlen
Sich an einer unbewilligten Demonstration zu beteiligen, könnte künftig teuer werden: Wenn die Polizei ausrücken muss, sollen die Demoteilnehmer die Kosten für das Polizeiaufgebot übernehmen. So will es der Grosse Rat.

Die jüngsten Krawalle in der Stadt Bern gaben am Donnerstag im Kantonsparlament zu reden. Zwei Vorstösse von Stadtberner Grossräten lagen auf dem Tisch, die beide mehr Repressionen forderten – allerdings auf unterschiedliche Art. Thomas Fuchs (SVP) wollte den Kanton dazu ­bewegen, beim Stadtberner Gemeinderat bezüglich der Reitschule zu intervenieren.

Sein ­Anliegen hatte jedoch keine Chance – im Gegensatz zu jenem von Philippe Müller (FDP). Gemeinsam mit 81 Mitunterzeichnenden forderte er, dass Beteiligte von unbewilligten Demonstrationen zur Kasse gebeten werden können, wenn die Polizei ausrücken muss.Wer zu solchen Demonstrationen aufruft, sie organisiert oder daran teilnimmt, soll ganz oder teilweise Polizeiaufgebote und -einsätze bezahlen müssen.

Philippe Müller, FDP-Grossrat aus Bern. Bild: Andreas Blatter
Müller hatte die Motion im Nachgang zum 10. Oktober 2015 eingereicht, als Hunderte Polizisten wegen einer unbewilligten Demonstration in Bern im Einsatz standen. Die Stadtregierung hatte Ausschreitungen befürchtet.

Unterstützung erhielt Müller von den Bürgerlichen, der EVP und von Teilen der GLP. «Dieser Vorstoss geht weiter als die Forderung, die Reitschule zu schliessen. Sie setzt auf moderate Art und Weise Druck auf», sagte ­Ulrich Stähli (BDP, Gasel). Auch die Regierung war bereit, den Auftrag entgegenzunehmen – allerdings hätte sie dies lieber in der unverbindlichen Form eines Postulats getan.

Im Rahmen der Revision des Polizeigesetzes wollte Regierungsrat Hans-Jürg Käser (FDP) die Forderung ­prüfen. Denn eine direkte Weiterverrechnung der Einsätze widerspreche dem Grundsatz, dass die Gemeinden die Leistungen der Polizei einkaufen. Gesetzlich werde es schwierig, die Motion umzusetzen, betonten einige Grossräte.

«Finanziell ruinieren»
SP und Grüne kämpften vergeblich gegen den Vorstoss an. Sie pochten auf die Meinungsäusserungsfreiheit und das Versammlungsrecht. Zudem gaben sie zu bedenken, dass sich wohl nicht ­jeder Demoteilnehmende bewusst sei, ob diese bewilligt sei oder nicht. Zudem würde die Polizei wohl oft nur Einzelpersonen erwischen. «Die Polizei kann mit dieser Vorgabe einzelne Personen finanziell ruinieren», sagte Meret Schindler (SP, Bern).

Da ihre Mutterparteien erfolglos blieben, riefen die Juso Kanton Bern, die Jungen Grünen und die Junge Alternative am Abend zu einer Sitzblockade unter dem Baldachin auf. Sie demonstrierten damit gegen den «undemokratischen und repressiven» Entscheid. Nach 20 Uhr löste sich die Kundgebung auf.


2. Communiqué (Originalquelle: https://www.facebook.com/juso.kabe/posts/1831548800398616)
Wenn Geld schwerer wiegt als Demokratie
Der Grosse Rat hat heute entschieden, dass Teilnehmende an unbewilligten Demonstrationen die Kosten für das Polizeiaufgebot selber übernehmen sollen. Eine Gruppe aus unterschiedlichen Organisationen und Parteien hat am frühen Abend zum Protest gegen diesen massiven Einschnitt in die Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit aufgerufen. Rund 300 Menschen sind dem Aufruf gefolgt.

Die bürgerliche Mehrheit im Grossen Rat hat heute eine Motion von Philippe Müller (FDP, Bern) überwiesen, die verlangt, dass die Kosten des Polizeieinsatzes von Demonstrationen den Kundgebungs-Teilnehmenden auferlegt werden sollen. «Dem Grossen Rat sollten wir mal Nachhilfe zum Thema Grundrecht geben.» meint Tamara Funiciello, Co-Präsidentin der JUSO Kanton Bern – JS Canton de Berne. «Versammlungs- und Meinungsäusserungsfreiheit sind Grundpfeiler einer jeder Demokratie. Jeder Angriff auf diese Grundpfeiler stelle die Demokratie grundlegend in Frage.»

Seraina Patzen, Stadträtin der Junge Alternative JA, ergänzt: «Mit diesem Entscheid werden politische Aktivist*innen kriminalisiert. Bern ist die Hauptstadt der Schweiz. Hier wird Politik gemacht und freie Meinungsäusserung muss immer und für alle möglich sein.»

Auch die Jungen Grünen kritisieren den Entscheid des Grossen Rates: «Die Polizei hat die Aufgabe, die Versammlungsfreiheit zu garantieren – nicht sie zu bekämpfen» meint Lisa Dubler, Co-Präsidentin der Junge Grüne Kanton Bern / Jeunes Vert-e-s Berne «Dieser Aufgabe kann sie mit dem heutigen Entscheid nicht mehr nachkommen. »

Der Sitzstreik am Abend verlief friedlich und mit Inputs von verschiedenen Demonstrierenden. So meinte eine Demonstrantin*: «Gut: Wenn wir zahlen müssen, dann soll die Polizei uns doch eine Offerte machen, wir entscheiden dann ob wir die Dienste der Polizei beanspruchen wollen oder nicht.“

Demokratische Rechte sollten nichts mit finanziellen Mittel zu tun haben. Nicht Repression führt zu weniger Eskalation, sondern deeskalierende Massnahmen und mehr Mitsprachemöglichkeiten. Für uns ist klar «Wenn Unrecht zu Recht wird, wird Widerstand zu Pflicht. »


3. Medienbericht (Originalquelle: https://www.derbund.ch/bern/stadt/jungparteien-protestieren-gegen-demostrafbestimmung/story/19519159)
Jungparteien protestieren gegen Demo-Strafbestimmung
Jungparteien haben am Donnerstagabend gegen den Entscheid des Grossen Rates demonstriert, Teilnehmer von unbewilligten Kundgebungen für die Kosten aufkommen zu lassen.
Zirka 200 Personen haben sich am Donnerstagabend unter dem Baldachin beim Bahnhof versammelt, um ihren Missmut gegen einen Entscheid des Kantonsparlaments auszudrücken: Der Grosse Rat hat am Donnerstag eine Motion von Philippe Müller (FDP) angenommen, der Teilnehmende an unbewilligten Demonstrationen für die verursachten Kosten aufkommen lassen will. Im Parlament wollte der Regierungsrat das Anliegen nur als Prüfungsauftrag entgegennehmen und wird entsprechende Regelungen in der kommenden Totalrevision des Polizeigesetzes zur Diskussion stellen.

An der Sitzdemo auf dem Bahnhofsplatz wurde die Motion als «undemokratisch und repressiv» kritisiert. «Es handelt sich dabei um eine gezielte Kriminalisierung von Demonstrantinnen und Demonstranten», sagte Tamara Funiciello, Co-Präsidentin Juso Kanton Bern. Der Entscheid komme einer Einschränkung der demokratischen Rechte gleich.

Zur Demo aufgerufen hatten die Jungsozialisten Juso, die Junge Alternative JA! sowie die jungen Grünen.