Sondereinsatzkommando Enzian erhält Taser
Inhalt:
1. Medienbericht
1. Medienbericht (Originalquelle: http://ch.indymedia.org/de/2005/04/31648.shtml)
Strom-Pistolen für «Enzian»
Kantonspolizei – Die Elektroschock-Waffe Taser, die den Getroffenen 50 000 Volt starke Stromschläge versetzt, kann künftig auch im Kanton Bern eingesetzt werden. Nach eingehender Prüfung hat die Kantonspolizei den Taser für die Sondereinheit «Enzian» freigegeben. Ein Stück wurde bereits beschafft, zwei weitere sind bestellt. Vorerst sollen die Elektroschock-Pistolen einzig von «Enzian»-Polizisten zur Bekämpfung der Schwerstkriminalität eingesetzt werden. Polizeidirektorin Dora Andres schliesst allerdings die spätere Abgabe an weitere Korpsangehörige nicht aus. (bwb)
«Enzian»-Polizisten erhalten Elektro-Pistolen
Die Eliteeinheit der Kantonspolizei darf künftig die umstrittene Elektroschock-Waffe Taser einsetzen, die den Opfern Stromschläge von 50 000 Volt versetzt
Nach eingehender Prüfung hat die Kantonspolizei beschlossen, die Elektroschock-Waffe Taser für die Sondereinheit «Enzian» freizugeben. Die von Amnesty International angeprangerten Todesfälle in den USA und Kanada seien mit älteren Geräten passiert.
Stefan von Below
Das Ding sieht aus wie ein Spielzeug, doch seine Wirkung ist real: Wer einen Schuss aus der Elektroschock-Pistole Taser abkriegt, sackt von einem 50 000 Volt starken Stromstoss getroffen zu Boden und bleibt ein paar Sekunden lang gelähmt liegen. Sieben Meter beträgt die Reichweite der Waffe – so lang sind die Drähte, die sie durch die Kleider hindurch in den Körper des Opfers schiesst. Auf Empfehlung der Schweizerischen Polizeitechnischen Kommission haben in den letzten Jahren etliche Schweizer Polizeikorps das aus den USA stammende Gerät als Alternative zur Schusswaffe angeschafft. Seit Anfang Jahr verfügt auch die Sondereinheit «Enzian» der Berner Kantonspolizei über einen Taser. Zwei weitere seien bestellt, hält der stellvertretende Kripochef Thomas Sollberger in einer schriftlichen Stellungnahme zu Handen des «Bund» fest.
Nur bei «Schwerstkriminalität»
Der Freigabe sei eine «sorgfältige und eingehende Prüfung» vorausgegangen, schreibt Sollberger. «Es wurden diverse Gutachten von in- und ausländischen Rechtsmedizinern und Spezialisten aus dem Bereich Physik und Elektrotechnik eingeholt.» Der Taser werde nur von «Enzian»-Polizisten und nur zur Bekämpfung der «Schwerstkriminalität» eingesetzt – was bis anhin noch nie vorgekommen sei. Eine Abgabe an andere Einsatzkräfte sei zurzeit kein Thema. Das könnte sich allerdings in Zukunft ändern, wie Polizeidirektorin Dora Andres (fdp) auf Anfrage sagt. Man wolle erst ein bis zwei Jahre lang Erfahrungen sammeln. Danach aber sei es denkbar, dass der Taser in die Polizistenausbildung aufgenommen und auch an weitere Korpsangehörige abgegeben werde.
Andres hält die Neuanschaffung nicht für problematisch – im Gegenteil: «Der Taser hilft, Leben zu retten» – sofern damit ein Schusswaffeneinsatz verhindert werden könne. In der Öffentlichkeit herrsche eine «Überangst» in Bezug auf die Elektroschock-Waffe, sagt die Polizeidirektorin. «Wir haben aber alles sehr gut abgeklärt.»
Die Berner Anwältin Bettina Steinlin kann dem Taser weniger abgewinnen. Gemeinsam mit ein paar Bekannten hat sie beim Kanton eine Petition eingereicht, die Anfang nächster Woche vom Grossen Rat behandelt wird. Ihre Forderung: Der Kanton solle sich auf Bundesebene gegen die geplante Bewilligung des Taser-Gebrauchs bei Ausschaffungen stark machen. Elektroschock-Waffen dürften weder im Kanton Bern noch in der übrigen Schweiz zum Einsatz gelangen – ihr Gebrauch gegenüber renitenten Asylsuchenden sei unverhältnismässig und verstosse gegen die Menschenwürde. Mit ihrer Handlichkeit und der Möglichkeit, per Knopfdruck äusserst starke Schmerzen zu verursachen, seien Elektroschock-Waffen «geradezu für den Missbrauch prädestiniert».
Laut Amnesty 74 Tote seit 2001
Steinlin verweist auf Berichte der Menschenrechtsorganisation Amnesty International, wonach in den USA und in Kanada seit 2001 insgesamt 74 Personen nach Taser-Einsätzen gestorben seien – die meisten davon unbewaffnete Männer. Laut Expertenberichten kann ein Stromschlag besonders für Leute mit Herz-Kreislauf-Problemen, für schwangere Frauen und für Personen in grosser Aufregung lebensgefährlich sein. Drogen- und Medikamentenkonsum können das Risiko erhöhen. Die Schweizerische Polizeitechnische Kommission hat zudem auf die Gefahr von Augen- und Sturzverletzungen hingewiesen.
Bei den Todesfällen im Ausland seien jeweils Taser älterer Generation zum Einsatz gekommen, hält Thomas Sollberger dagegen fest. Bei den modernen Geräten der Kantonspolizei jedoch «sind keine Fälle bekannt, bei welchen nachteilige Beeinträchtigungen, geschweige denn Todesfälle, registriert werden mussten». Im Übrigen, so Andres, «kann bei jedem Instrument etwas passieren».