Sabotage Bundesasyllager Kappelen
Inhalt:
1. Communiqué
2. Medienbericht
3. Stellungsnahme
4. Meldung Sachschaden
1. Communiqué (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3185)
In das momentan leerstehende Bundesasyllager in Kappelen bei Lyss wurde Anfang Februar 2020 eingebrochen und ein Wasserschaden verursacht um das Gebäude unbenutzbar zu machen. Wir konnten mit dem Kollektiv Wassertropf, welches verantwortlich dafür ist, ein Interview führen.
Ihr habt vor Kurzem eine Aktion gemacht, wollt ihr kurz erklären wie ihr das gemacht habt?
Klar. Wir sind in das momentan leerstehende Bundeslager in Kappelen eingebrochen um einen Wasserschaden zu verursachen. Dazu haben wir auf der Rückseite des Gebäudes den Zaun aufgeschnitten und ein Kellerfenster kaputt gemacht. Im Gebäude haben wir auf allen Etagen die Feuerwehrschläuche ausgerollt und aufgedreht et voila.
Wir hoffen, dass das Wasser möglichst viele Teile des Gebäudes unbenutzbar macht.
Um was für ein Gebäude handelt es sich?
Das Gebäude wurde bis gegen Ende des Sommers 2019 als Bundesasyllager ohne Verfahrensfunktion, also Ausschaffungslager, betrieben. Es wurde temporär geschlossen, weil die Zahl der Menschen im Asylprozess gerade relativ klein ist, da es viele Menschen momentan nicht über die EU-Aussengrenzen schaffen. Nun steht das Gebäude leer und daneben wird ein dazugehörender Neubau errichtet. In diesem Gebäude wurden Menschen in Halbgefangenschaft auf engem Raum festgehalten weil irgendwer ihr Leben als nicht würdig klassiert hat. Während dieser Zeit wird versucht möglichst viel Druck aufzubauen, so dass sie die Schweiz wieder verlasssen. Wer bleibt wird möglichst rasch ausgeschafft.
Wieso denn gerade ein Bundesasyllager?
Die Gesellschaft und das momentane System ist tief rassistisch und gewalttätig. Auf vielen verschiedenen Ebenen. Versuchen wir mal auf gewisse einzugehen, mit dem Wissen dass wir hier nicht annähernd eine vollständige Liste abliefern.
Der Wohlstand der Schweiz basiert auf der Kolonialgeschichte Europas. Die Schweiz hatte selbst zwar keine Kolonien, war aber wirtschaftlich, sowie kulturell Teil des Kolonialismus und verdankt der Ausbeutung ihren Reichtum. Ohne Rassismus hätte weder Kolonialismus funktioniert, noch würde die heutige neoliberale Wirtschaftsweise funktionieren. Rassismus ist tief verankert in der Gesellschaft, in der Politik und in der Wirtschaft. Die Schweiz profitiert auch weiterhin von der Ausbeutung und Zerstörung der Menschen und Ressourcen auf der ganzen Welt. Während also die Grenzen der Länder für Geld und Güter noch so gerne geöffnet werden und Firmen die prekären Situationen in vielen Teilen dieser Welt durch miserable Arbeitsbedingungen und der Zerstörung der Umwelt in vollen Zügen ausnutzen, währendem immer wieder Kriege für Öl, anderen Ressourcen und Machtspiele geführt werden, werden die Grenzen rund um Europa abgeriegelt und mit den neusten Technologien militärisch überwacht. Diese gewaltvolle Politik ist verantwortlich für den Tod und Traumatisierung tausender Menschen. In dieses System gehört auch die Asyl- und Ausländer*innenpolitik der Länder Europas. Die Schweiz hat eine Maschinerie geschaffen, die die asylsuchenenden Menschen zermalmt, einsperrt, abschreckt und ausbeutet. Sie beansprucht das Recht Leben in würdig oder nicht einzustufen. Es ist eine diskriminierende Politik und durch nichts zu rechtfertigen.
In einem Bundeslager werden Menschen eingesperrt und vom Rest der Gesellschaft isoliert. Sie werden als Billigstarbeitskräfte eingesetzt und es wird Profit aus den Menschen geschlagen. Zum Teil wird für eine Stunde Arbeit 3 Franken bezahlt. Menschen werden nicht als selbstbestimmende, lebende Individuuen angeschaut, sondern als Objekte verwaltet. Normalerweise müssen die Menschen im Lager 16 Stunden am Tag hinter den Zäunen verbringen und dürfen weder kochen, noch sich einrichten. Dazu kommt die tägliche Demütigung und Machtspiele der Wächter*innen der Securitas. Regelmässig werden Menschen verprügelt, die sich für ihre Würde einsetzen. Die Behörden wollen neu auch eine Videoüberwachung des Aussenbereichs und aller Eingänge aufbauen, um ihre Kontrolle zu perfektionieren.
Die Bundeslager sind eine der neusten Auswüchse dieser Politik. Seit rund einem Jahr befinden sie sich nicht mehr nur in der Testphase, sondern sind offizieller Teil der Asylpolitik. Diese Lager verstärkten die Isolierung und Einsperrung der Menschen noch weiter.
Und wieso wählt ihr gerade diese Aktionsform?
Es gibt viele verschiedene Handlungen die tagtäglich gegen diese Politik, gegen den Rassismus und die Ausbeutung gemacht werden. Sie alle sind wichtig und nur in Verbindung miteinander wirksam.
Für diese Aktion haben wir eine direkte Form gewählt. Wir haben uns dazu entschieden das Gebäude, in dem Menschen eingesperrt werden, zu beschädigen. Es ist ein direkter Angriff auf einen Ort der Diskriminierung. Der reibungslose Ablauf wird unterbrochen, die Durchführung der menschenverachtenden und profitorientierten Politik erschwert.
Dabei kam keine unbeteiligte oder sogar eingesperrte Person zu Schaden, was uns sehr wichtig ist. Zum Zeitpunkt der Sabotage war das Gebäude leer und unbenutzt.
Wir haben weder Vertrauen in die Parteien, noch wollen wir die Verantwortung und Handlungsfähigkeit in die Hände dieser geben. Die Parteien sind Teil der rassistischen Politik, sie sind eine zentrale Stütze dieses Systemes. Dabei spielt es kaum eine Rolle ob es sich um eine SP oder SVP handelt, die letzten Verschärfungen des Asylgesetztes wurde massgebend von der SP gefördert und von den grossen NGOs mitgetragen. Wir finden es wichtig, dass wir alle die Verantwortung und die Bestimmung über unsere Leben und unsere Handlungen übernehmen können und wir einen achtsamen und solidarischen Umgang miteinander erlernen können.
Wir wollen die herrschenden Zustände zerstören, es darf sich nicht mehr rentieren Menschen auszunutzen, es darf keinen Profit mehr aus der Einsperrung und Stigmatisierung der Menschen entstehen, es soll nicht mehr möglich sein, dass einige wenige über den Rest der Menschen bestimmen.
Somit war diese Sabotagehandlung eine von vielen möglichen Handlungen, die nötig ist um in Richtung einer möglichst gewaltarmen, solidarischen und selbstbestimmten Gesellschaft zu gehen.
Kann diese Handlung auch an anderen Orten durchgeführt werden und was braucht es dazu?
Sicher. Das ganze Asylsystem ist komplex und hat verschiedenste Player. Sie alle können gehindert werden ihr Politik zu betreiben.
Das wichtigste ist wahrscheinlich aber nicht die konkrete Planung und Durchführung sondern das Vetrauen in deine Freund*innen. Politisch aktiv zu sein ist anstrengend und bedingt, dass ihr euch vor, während und nach einer Aktion über eure Gedanken und Ängste austauschen könnt und das niemensch allein gelassen wird. Mackerscheiss und Coolness hilft uns hier nicht weiter. Passt aufeinenander auf!
2. Medienbericht (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/in-boltigen-eroeffnet-der-bund-sein-asylzentrum-wieder-288322300601)
In Boltigen eröffnet der Bund sein Asylzentrum wieder
Aktivisten haben das Zentrum in Kappelen geflutet. Deshalb und weil das Coronavirus mehr Platz verlangt, weicht das Staatssekretariat für Migration ins Simmental aus.
Sie schnitten auf der Rückseite des leerstehenden Gebäudes den Zaun auf, schlugen ein Kellerfenster ein, rollten die Feuerwehrschläuche aus und fluteten das ganze Haus: Das Bundesasylzentrum Kappelen wurde im Februar von linksautonomen Aktivisten angegriffen. Von offizieller Seite war dieser Vandalenakt nicht kommuniziert worden. Im Internet brüstet sich ein Kollektiv damit, an diesem «Ort der Diskriminierung» ganze Arbeit geleistet zu haben. «Wir hoffen, dass das Wasser möglichst viele Teile des Gebäudes unbenutzbar macht.»
Das ist ganz offensichtlich gelungen: Im Zentrum, geschlossen im September letzten Jahres nachdem die Asylgesuche zurückgegangen waren, kann wegen des Wasserschadens niemand mehr einquartiert werden. Als Reserveunterkunft taugt die Einrichtung also derzeit nicht, da sie wieder benötigt würde. Die engen Platzverhältnisse in den Asylunterkünften hat das Coronavirus untragbar werden lassen. In der Asylregion Bern betreibt der Bund einzig das Zentrum auf dem Areal des ehemaligen Zieglerspitals, wo die Distanzregeln nicht eingehalten werden.
3. Stellungsnahme (Originalquelle: https://barrikade.info/article/3424)
Im Februar dieses Jahres erschien hier auf barrikade.info ein Interview mit dem Kollektiv Wassertropf, welches im Bundesasyllager in Kappelen bei Lyss einen Wasserschaden verursacht hat. Damit griffen sie das rassistische Migrationsregime an und wollten dafür sorgen, dass möglichst niemand mehr in diesem Lager eingesperrt und isoliert werden kann.
Nun, nach etwa drei Monaten, erschien in der Berner Zeitung der erste Artikel zu diesem, so wie zu weiteren Anschlägen gegen das Bundesasyllager Kappelen. Den Artikel findet ihr weiter unten rein kopiert. Es ist bezeichnend, wie sich der Staat kaum zu diesem Angriff äussern möchte und diesen bis vor Kurzem komplett verschwieg. Viele solche Anschläge, aber auch Aufstände in den Lager und Gefängnissen, werden verschwiegen.
Dass der Staat und die Akteure vom Asylregime für solche Aktionen und Kampfformen keine Werbung machen will ist klar. Auch deswegen ist es umso wichtiger, dass Akteur*innen im Widerstand gegen die Asylmaschinerie bei dieser Repression der Stille nicht mitmachen und über solche Widerstandsformen berichten. Hier sollte es keine Rolle spielen ob selber ähnliche Aktionsformen oder ganz andere gebraucht werden. Wenn wir eine kraftvolle emazipatorische Bewegung sein wollen, macht es keinen Sinn uns von einander entfernt zu halten, nur weil wir uns anders organisieren oder anders handeln. Wir sollten in Diskussionen treten und uns austauschen über Ideen und Kritiken.
Gerade in Zeiten von Corona, ist die Forderung nach der Schliessung und/oder Evakuierung der Asyllager wieder lauter geworden. Dass die Asyllager nicht nur während der Corona-Pandemie, sondern auch sonst problematisch sind, wird dabei immer wieder betont. Lager sind Orte der Gewalt und des Zwanges. Auf solche Orte muss reagiert werden, sei es durch direkte Sabotage, Aufständen in den Lagern, Proteste im Lager-Alltag, Transparente im Öffentlichen Raum, Texte und vieles mehr.
Auch in sogenannten Ausnahmezuständen, wie jetzt, gibt es viele verschiedene Möglichkeiten und wir sollten einen bewussten Umgang mit der Pandemie verbinden mit einer Weiterführung oder auch Intensivierung der Kämpfe. Es kann nicht sein, dass sich emanzipatorische Kämpfe während Ausnahmezuständen auf Pause setzten. Die reaktionäre Seite – der Staat, die Repression und die kapitalistische Wirtschaft – nimmt sich keine Pause, sondern nutzt die jetzige Zeit um ihre Macht und Ausbeutung weiter zu festigen.
Auch wir schliessen uns dem Ziel der sofortigen Schliessung aller Lager und Knäste an.
#stayfree_notinprison
#LeaveNoOneBehind
Wut und Solidarität!
4. Meldung Sachschaden (Originalquelle: https://www.bernerzeitung.ch/hoher-sachschaden-bei-anschlag-auf-bundesasylzentrum-852499110936)
Hoher Sachschaden bei Anschlag auf Bundesasylzentrum Kappelen
Im Februar 2020 verübten Linksextreme einen Anschlag auf das Bundesasylzentrum Lyss/Kappelen. Nun ist klar, auf welche Höhe sich der Sachschaden beläuft.
Beim Anschlag aufs Bundesasylzentrum Lyss/Kappelen im Februar 2020 entstand Sachschaden von rund 800’000 Franken. Die danach angeordnete Bewachung der Liegenschaft kostet rund 50’000 Franken pro Monat.
Das schreibt der Berner Regierungsrat in seiner am Montag publizierten Antwort auf eine Interpellation von Grossrat Andreas Hegg (FDP). Der Lysser Gemeindepräsident wollte wissen, warum die Öffentlichkeit und auch die Standortgemeinden Lyss und Kappelen erst Monate später Kenntnis vom Anschlag erhielten.
Zuständig für das Zentrum sei der Bund, ruft der Regierungsrat in Erinnerung. Das Staatssekretariat für Migration habe von einer schnellen öffentlichen Information abgesehen, da diese der Täterschaft zusätzliche Aufmerksamkeit verschafft hätte.
Wer hinter der Tat stehe, sei noch immer unbekannt. Auf einer Website, die der linksextremen Szene zugeordnet werde, sei jedoch ein anonymes Bekenner-Interview publiziert worden. Die Täter gaben darin an, sie hätten auf allen Etagen Feuerwehrschläuche ausgerollt und das Wasser aufgedreht. Das Haus wurde geflutet.
Das Bundesasylzentrum (BAZ) in Kappelen war seit November 2019 vorübergehend stillgelegt. Vor kurzem wurde ein Containerprovisorium in Betrieb genommen – auch, weil die bestehenden Gebäude saniert und ein Neubau hinzugefügt werden soll. Die Kapazität wird so auf 270 Plätze erhöht.